Stil

Youtube-Köchin Monika Fuchs ist die Königin der Neuanfänge | ABC-Z

Der Isemarkt ist einer der größten Wochenmärkte des Landes, es gibt hier sogar bayerische Leberkässemmeln, syrische Mezze und Kaiserschmarrn, aber selbstverständlich auch Hamburger Fischbrötchen.

Dinner in den eigenen vier Wänden

Im Inneren der großzügigen Altbauwohnung von Monika Fuchs geht es mit der kulinarischen Vielfalt weiter. Die Sechsundachtzigjährige ist vor einigen Jahren bekannt geworden als Köchin, die Hamburger Restaurants Konkurrenz macht: Sie bekocht ihre Gäste zu Hause, veranstaltet große Dinner in ihrem Wohnzimmer, schon Monate vorher ist alles ausgebucht.

Fitzek auf den Kochbüchern: In der Küche von Monika Fuchs finden sich nicht nur allerlei Rezepte.Niklas Grapatin

Und sie wurde zur Youtube-Köchin, bereitet dort Fischfrikadellen oder Kabeljau auf Kartoffelbett zu, einen Hackbraten mit Schafskäse oder auch Saltimbocca, Lahmacun und Aubergine mit Labneh und Granatapfel. Das filmt sie in ihrer Küche, in der sie nun auch für das Gespräch sitzt. Die Wände über der Arbeitsplatte sind weiß gefliest, darüber gelb gestrichen; passend dazu steht auf ihrem Tisch eine volle Schale mit Zitronen.

Eine davon nimmt Monika Fuchs heraus, „die ist schon etwas oll“. Nur fürs Foto allerdings: Sie selbst benutze auch die Zitronen, die nicht mehr so perfekt aussehen. Hinter ihr, auf dem Fensterbrett, steht eine Reihe Kochbücher (obwohl sie sowieso immer nach Gefühl kocht): ein indisches, eines mit dem Titel „fatto a mano“. Darauf liegt ein Thriller von Sebastian Fitzek.

„Als Kind habe ich am liebsten unterm Tisch gegessen“

Monika Fuchs ist eine selbstbewusste, direkte Frau. Sie sagt, was ihr in den Sinn kommt. Sie möchte nicht gefallen, sondern die Dinge vor allem so erzählen, wie sie wirklich sind. Und manchmal möchte sie auch etwas über ihr Gegenüber wissen.

Sie stellt ihre Fragen ganz nebenbei, neugierig, doch ehrlich interessiert. War sie schon immer so? Nein, als junge Frau, sagt Monika Fuchs, sei sie sehr schüchtern gewesen: „Ich würde heute sagen, ich war ungewöhnlich schüchtern. Als Kind habe ich am liebsten unterm Tisch gegessen.“

Die Geschichte von Monika Fuchs ist die des schüchternen Mädchens, das sich unter dem Tisch versteckte – und zu einer Frau wurde, die sich heute freiwillig vor die Kamera stellt, regelmäßig Fremde bekocht und sie zum Essen in ihre Wohnung einlädt. Und es ist eine noch reichere Geschichte. Eine mit so vielen Brüchen und Neuanfängen, wie es in einem einzigen Leben kaum möglich scheint.

Im Hannover der Nachkriegszeit aufgewachsen

Auf dem Weg in die Küche hängt ein Schwarz-Weiß-Foto aus ihrer Kindheit, ihre Geschwister und die Eltern, vor einem herrschaftlichen Haus. Im vergangenen Jahr hat der Rowohlt-Verlag die Autobiographie von Monika Fuchs veröffentlicht, sie heißt: „Den Faden halten“. Darin beschreibt Fuchs, wie sie aufwuchs im Hannover der Nachkriegszeit, in einer großen Villa mit Personal, mit ihren Geschwistern, einer strengen Mutter und einem vom Krieg gezeichneten Vater.

Sie schreibt von den Nächten, in denen der Vater betrunken nach Hause kam, sie – ein kleines Mädchen – aus dem Bett holte, um sie ihm gegenüber zu setzen, ihr von seinen Erfahrungen im Krieg zu erzählen und irgendwann in Tränen auszubrechen.

Sie war so klein, dass sie nichts verstand, und als sie verstanden hätte, wollte sie nicht mehr: Als Teenager versteckte sie sich hinter der Gardine, sobald sie hörte, dass der Vater nach Hause kam. Einmal aber, als sie erstmals Liebeskummer hatte, brachte er ihr eine Orange ans Bett und sagte, er sei immer für sie da. An die Orange erinnert sie sich heute als liebevolle Geste in einer Welt, in der für liebevolle Worte wenig Platz war.

Ein langer Lebenslauf

Obwohl das Kochen in ihrem heutigen Leben eine so große Rolle spielt, obwohl es das ist, was sie in die Öffentlichkeit brachte, war es in ihrem Leben lange nur ein Nebenschauplatz. Sie kochte für sich, später für ihre Kinder, pragmatisch, schnell, was eben ging. Monika Fuchs ist nicht nur Köchin, Monika Fuchs war auch schon Schneiderin, Model, Kosmetikverkäuferin, Journalistin, Hotelmitarbeiterin und Autorin von Groschenromanen.

Schneiderin, Model, Kosmetikverkäuferin, Journalistin – und heute Köchin: Monika Fuchs in ihrer Wohnung
Schneiderin, Model, Kosmetikverkäuferin, Journalistin – und heute Köchin: Monika Fuchs in ihrer WohnungNiklas Grapatin

Sie entschied sich zunächst für die Schneiderlehre, als sie in der siebten Klasse von der Schule flog (sie war zweimal nicht versetzt worden). Ihre Mutter nahm sie mit in Museen, ließ sie Französisch lernen. Damit mal etwas aus ihr werden könne, so riet eine Bekannte, müsse sie ein bisschen trainieren, also: ihr Selbstbewusstsein stärken. Die junge Monika Fuchs besuchte daher eine Mannequinschule.

Danach, erzählt sie, habe sie selbstbewusst durch einen großen Saal gehen können, mit einem Buch auf dem Kopf. Und wie sah es im Inneren aus? „Da war ich natürlich immer noch schüchtern“, sagt sie, so etwas ändere sich nicht in einem halben Jahr.

Durchbruch als Model in Amerika

Monika Fuchs konnte die Selbstsicherheit fortan spielen, doch bis sie selbstsicher wurde, sollte es noch lange dauern. Ihr großes Glück, sagt sie: „Damals waren noch nicht Stupsnasen und große Augen in Mode, sondern herbe Gesichter.“ So eines habe sie gehabt, und es sollte ihr zu ihrem ersten Aufbruch verhelfen. Dem ersten unter sehr vielen.

Mittlerweile war sie 18 Jahre alt, hatte die Schneiderlehre gerade abgeschlossen, wollte Modezeichnerin werden und arbeitete nebenbei als Model. Ihre Kleidung hat sich Monika Fuchs seitdem immer selbst genäht, sie hat nun mal auch genaue Vorstellungen, bei Mustern zum Beispiel, da sei sie sehr empfindlich – irgendetwas mit Blumen trägt sie prinzipiell nicht.

Obwohl man ihr, so sagt sie das, auch eine Kloschüssel auf den Kopf setzen könne: „Selbst das steht mir!“ Und weil auch andere fanden, dass ihr vieles stand, erfüllte sie sich damit ihren Traum: 1956 zog sie nach Amerika. Dort lernte sie bald einen Mann kennen, sie heirateten, bekamen einen Sohn. Kurz darauf erkrankte er psychisch, die Ehe quälte sie zunehmend. Nach mehr als fünf Jahren brach Monika Fuchs zusammen. Sie rappelte sich wieder auf und floh mit ihrem Sohn aus den Vereinigten Staaten zurück nach Deutschland.

Erstes Kleidungsstück von der Stange mit 50 Jahren

Erst als sie 50 Jahre alt war, kaufte sie sich ihre „erste Klamotte aus dem Laden“. Da fing sie gerade einen neuen Job an, und auch ihr zweiter Mann Roland sagte, sie solle endlich einmal in eine Boutique gehen und sich etwas Schönes leisten. Also kaufte sie sich einen Hosenanzug von Jil Sander, der liegt bis heute in ihrem Schrank.

Was braucht es, um mit alten Gewohnheiten zu brechen? Aber auch: um neu anzufangen, wenn das Wichtigste wegbricht? Woher nimmt man immer wieder die Kraft für einen Neuanfang? Monika Fuchs ist – man kann es nicht anders sagen, blickt man auf ihr Leben – eine Königin der Neuanfänge.

„Glücklich war ich immer im Ausland“

Als sie nach ihrer Trennung zurück in Deutschland war, begann sie in einem Hotel zu arbeiten. Es war ein schwerer Neubeginn, über mehrere Wochen litt sie unter einem Nervenzusammenbruch. Dann lernte sie Roland kennen, er arbeitete ebenfalls in dem Hotel, als Küchenchef. Sie heirateten, lebten später in Neuseeland und auf den Philippinen, dort arbeitete er als Hotelchef.

Fragt man Monika Fuchs heute, in ihrer Hamburger Küche, nach der glücklichsten Zeit in ihrem Leben, dann sagt sie: „Glücklich war ich immer im Ausland.“ Schon als junge Frau hatte sie das Fernweh gepackt, die schüchterne Monika Fuchs, die dann natürlich gar nicht mehr so schüchtern sein konnte – sondern sich durchschlagen musste, in der Fremde.

Als ihre Mutter viele Jahre später starb, hat Monika Fuchs ihr Tagebuch gelesen. Darin stand, die Mutter hoffe, dass ihre Tochter irgendwann von ihrem Mann etwas Geduld lerne. „Das ist Quatsch“, sagt Monika Fuchs nun, „einfach nur Quatsch.“

Eine große, herzliche Familie

Ihre Mutter sei eine Frau gewesen, die immer recht haben musste; und sie eine Tochter, die ihr nicht gefügig genug war. Als sie selbst Mutter wurde, wollte sie alles anders machen: Sie sollte fünf Kinder bekommen, dazu noch drei Pflegekinder. Sie zog mit ihnen zeitweise in eine Wohngemeinschaft, das Haus war immer voll. „Wir waren immer eine laute, herzliche Familie“, sagt Monika Fuchs. Darauf ist sie heute besonders stolz.

Monika Fuchs beim Interview in ihrer Küche: Hier dreht sie auch ihre Youtube-Videos.
Monika Fuchs beim Interview in ihrer Küche: Hier dreht sie auch ihre Youtube-Videos.Niklas Grapatin

In all den Jahren, die ihr so unglaublich reiches Leben ausmachen, hat sie aber auch immer wieder verloren: ihre erste große Liebe, den Amerikaner, vor dem sie schließlich floh; ihren zweiten Mann, Roland, den sie verließ; und schließlich Alfred, den dritten Mann in ihrem Leben, den sie bis in den Tod begleitete.

Danach kam sie wieder mit Roland zusammen, sie lebten gemeinsam und begannen, all die Gäste zu sich nach Hause einzuladen. Sie kochte, er testete jedes Gericht, einen Teil der Einnahmen spendeten sie. Dann starb auch Roland. Und Monika Fuchs erkrankte, erst am Broken-Heart-Syndrom, dann, im Mai 2021, an Krebs.

Ein großer Esstisch für die Fünf-Gänge-Dinner

Nun, drei Jahre später, hat Monika Fuchs beide Krankheiten überwunden. Sie führt in das Herzstück ihrer Wohnung, das große Esszimmer: 17 Stühle stehen quer im Raum, eine weiße Tischdecke liegt noch darauf, das Geschirr stapelt sich.

In ihrem Wohnzimmer-Restaurant empfängt sie noch immer, nicht mehr ganz so oft, manchmal in etwas kleinerem Rahmen. Die Planung ist aufwendig, drei Tage brauche sie für ein Dinner. Monika Fuchs kocht immerhin ein Fünf-Gänge-Menü für rund 20 Leute, für Allergiker und Veganer koche sie gar nicht mehr, das sei für sie leider zu schwierig.

Die Vegetarier plane sie ein. Doch soll es unter ihnen auch jene geben, die beim Anblick ihres Hühnchens glatt mal eine Ausnahme machen wollten. Und dann muss sie das Menü wieder umschmeißen, in ihrer Küche auch mal ein bisschen fluchen, ein zusätzliches Hähnchen hervorzaubern oder ihnen das Gemüse eben doch etwas besser verkaufen. Monika Fuchs muss jedenfalls stets flexibel sein, stets bereit, noch mal umzudenken.

Muss man erst abschließen mit dem, was man zurücklässt, bevor man etwas Neues beginnen kann? Bei dieser Frage überlegt Monika Fuchs ein bisschen länger, das sei nicht einfach. Sie habe, sagt sie dann, jedes Mal ganz schlimm gelitten, wenn sie irgendwo weggegangen sei, „weil ich im Grunde oft gegen meinen Willen weggegangen bin“.

Krankheiten oder Todesfälle führten dazu; oft war da aber auch der Drang, dass es besser werden muss. Und Monika Fuchs, vielleicht ist das ja ihr Geheimnis, geht sowieso nie dorthin zurück, wo sie mal glücklich gewesen ist. Sie scheint davon überzeugt zu sein, dass es an jedem neuen Ort, bei jedem neuen Abendessen, bei jeder Begegnung, wieder möglich ist, das Glück zu finden.

Back to top button