Kultur

Yoko Onos Ausstellung „Dream Together“: War is over! If you want it. | ABC-Z

A ngeblich ist das Leben vielen Menschen zu komplex. Das sei der Grund, heißt es, für den Erfolg von simpel erscheinenden Lösungen bei komplizierter Ausgangslage. Und damit auch der Grund für den Erfolg von Kriegstreibern: Was sie anbieten, ist leicht zu verstehen.

Dabei ist Frieden noch leichter zu verstehen. Man muss ihn doch nur wollen: Yoko Ono, die als Mädchen während der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki für ihr Leben geprägt wurde, zeigt seit Anbeginn ihrer Künstlerkarriere, wie Schönheit und Schlichtheit sich verbinden und Dringlichkeit hervorbringen.

Die komplementär zur Werkschau im Berliner Martin-Gropius-Bau konzipierte Ausstellung „Dream Together“ in der Neuen Nationalgalerie ist eine Aufforderung – Onos Kunst bestand von jeher aus Aufforderungen zur Interaktion. Zum Beispiel aus einer sanften Bitte, wie beim dort präsentierten Werk „Mend ­Piece“ – Keramikscherben, die die Be­su­che­r:in­nen mithilfe von Tesafilm und Schnüren zusammensetzen sollen. Denn Brüche, egal ob in Beziehungen oder der Welt, lassen sich kitten.

War is over: Yoko Ono und John Lennon

Yoko Ono and John Lennon, WAR IS OVER! IF YOU WANT IT, 1969. Berlin



Foto:
Erich Thomas


Oder eben aus jenem Appell, den Ono und ihr Ehemann John Lennon seit 1969 regelmäßig mithilfe von Massenmedien an die Welt richten und den die Nationalgalerie ebenfalls präsentiert: In ganzseitigen Zeitungsanzeigen, auf denen groß „War is over!“ und darunter klein „If you want it“ steht, oder „Imagine all the people living life in peace“, bringt Yoko es knapp und deutlich auf den Punkt.

Der Aufmacher einer Standard-Ausgabe vom März 2003 über die Irakkrieg-Großoffensive „Schock und Furcht“ zeigt das Foto einer monströsen Explosion am Nachthimmel, „Bombenhagel auf Bagdad“ lautet die Schlagzeile. Die Antwort auf die Not, die Aggression, die Verluste erfährt man auf der gegenüberliegenden Seite: „IMAGINE PEACE“ prangt in der Mitte, in Versalien, fetter als die übrigen Fonts. „Vorschlag: Nehmen Sie diese Seite heraus und verwenden Sie sie als Poster, oder übertragen Sie die Message auf ein T-Shirt Ihrer Wahl“, hat die Künstlerin klein darunter drucken lassen.

Onos Überzeugung, dass Worte sich festgesetzt haben müssen, um Taten folgen zu lassen, dass Sprache Denken generiert, findet sich überall – der Titel der Ausstellung im Gropius-Bau lautet „Music of the mind“. Es ist der Kopf, in dem der Frieden beginnt – und wenn man diesen Frieden nicht kennt, so wie die Menschen, die in okkupierten Gebieten aufwuchsen, dort täglich Kämpfe erleiden, dann rückt er weiter in die Ferne.

Was Männer, die überall auf der Welt Kriege führen und eh schon brüchige Staatsbeziehungen durch Provokation und Druck noch weiter gefährden, angesichts Yoko Onos Aufruf wohl denken? Fühlen sie sich ertappt, weil sie keinen Frieden wollen? Brummeln sie „Kokolores“? Lassen sie sich von der schlichten Schönheit und Wahrheit berühren? Oder werden sie nicht berührt, weil sie keinen Frieden kennen?

Angebote gegen maskulin-aggressive Strukturen

Der Tatsache, dass es Männer sind, die die Gewalt anwenden, entgegnet die Feministin Yoko Ono pragmatisch und unermüdlich. Sie setzt den maskulin-aggressiven Strukturen konsequent neue Versöhnungsangebote entgegen – und ihre Zusammenarbeit mit Lennon, dem sie auf Augenhöhe begegnet, ist ein Beispiel von „Best Practice“.

Wie sie wohl der aktuellen Debatte über das „Messerverbot“ begegnen würde – vielleicht mit dem Vorschlag, stattdessen ein „Männerverbot“ zu diskutieren? Damit schlüge man mehrere Fliegen mit einer Klappe.

„Dream together“

Am 14. September, dem letzten Tag von „Dream Together“, sind alle Menschen aufgefordert, mit Glocken zur Neuen Nationalgalerie zu gehen, um dort gemeinsam den Frieden einzuläuten. Die Aktion erinnert an den „Exorzismus im Weißen Haus“, den die Aktivisten und The-Fugs-Musiker Tuli Kupferberg und Ed Sanders angesichts des Vietnamkriegs gemeinsam mit Un­ter­stüt­ze­r:in­nen 1967 in Washington performten, gegen die dort ansässigen warmongers, die Kriegstreiber. Der Krieg ging noch acht Jahre. Wahrscheinlich waren sie damals nicht laut genug.

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