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Wut auf Rennradfahrer im Münchner Süden: Reißzwecken und Nägel auf Radweg gestreut – Landkreis München | ABC-Z

Gegenüber der Nußbaum Ranch im Perlacher Forst hängt seit einiger Zeit ein großes Banner am Zaun. Dort heißt es: „In Bestzeit dein Bike verkaufen.“ Zwei Rennradfahrer sind darauf abgebildet und bei flüchtigem Betrachten könne man meinen, dass hier die Gemeinde Oberhaching für ein gemäßigtes Tempo und mehr Rücksichtnahme wirbt. Eine solche Aktion hat sie nämlich angekündigt, um den schwelenden Konflikt zwischen Rennradlern und Anwohner zu entschärfen.

Doch das Werbeplakat hat eine ganz andere Botschaft. Und die Auseinandersetzung zwischen den sportlichen Fahrern und allen anderen auf und an der Radhauptverbindung hat am vergangenen Sonntag offenbar eine neue Eskalationsstufe erreicht.

An der Nußbaum Ranch flitzen die Rennradler direkt an den Bierbänken vorbei. (Foto: Claus Schunk)

„Alle Münchner: aufpassen Einfahrt Perlacher Forst, Reißzwecken und kleine Nägel ausgelegt, 5/15 Räder aktuell betroffen.“ So lautete ein Post, der vergangenes Wochenende unter Rennradfahrern im Internet geteilt wurde. Auch an der Nußbaum Ranch, ein Kiosk mit kleinem Biergarten unweit der nördlichen Ortsgrenze von Oberhaching, hat man davon gehört.

Einer der Stammgäste, der an diesem ruhigen Morgen unter der Woche gerade der Chefin hilft, die Sonnenschirme aufzuspannen, hatte das auch mitbekommen. „Ja, eine Radfahrerin aus einer Gruppe hat uns am Sonntag zugerufen, dass da Nägel liegen“, sagt er. Und schüttelt den Kopf. Dass es nun so weit kommen musste. Klar ärgere er sich auch über die Rücksichtslosen unter den Rennradlern. Über diejenigen, die noch mal ordentlich in die Pedalen treten, wenn sie auf die Bahn-Unterführung zusteuern. Über diejenigen, die knapp an den Biertischen vorbeirasen. Richtig gefährlich sei das. Aber Nägel!

Der Konflikt zwischen den sportlich ambitionierten Rennradgruppen und den Anwohnern der Linienstraße in Oberhaching hat sich mit dem Boom des Radsports arg zugespitzt. Die Gemeinde selbst hatte einst den Ausbau der Radhauptverbindung mit ihrem glatten Asphalt angeschoben, der Landkreis München hat ihn verwirklicht. Man wollte damit die Menschen zum Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad bewegen, schließlich war Oberhaching eine der ersten zertifizierten fahrradfreundlichen Kommunen in der Region.

Doch neben denjenigen, die hier zur Arbeit radeln, sind inzwischen hauptsächlich Rennradgruppen anzutreffen. Die Strecke ist stark frequentiert, Überholmanöver oft gefährlich. Denn so breit wie ein echter Radschnellweg ist diese Route durch den Perlacher Forst nicht. Und wem es mitunter wichtiger als die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer ist, das Tempo zu halten und nach der Trainingsrunde ein gutes Ergebnis auf der App ablesen zu können, zieht schnell den Unmut und inzwischen sogar den Zorn auf sich.

Das Polizeipräsidium München weiß von dem Vorfall mit den verstreuten Nägeln

Julian Certain, Rennradfahrer und Anwohner in Oberhaching, kennt das Problem schon lange. Am vergangenen Sonntagmorgen wartete er wie so oft an der Kugler Alm auf seine Gruppe, die stets in Giesing am Waldrand startet, und der er sich dann nahe dem bekannten Biergarten anschließt, um weiter ins Oberland zu fahren. Diesmal hatten seine Trainingskollegen Verspätung. Der Grund waren offenbar die Nägel auf der Fahrbahn. So zumindest haben seine Mitfahrer ihm berichtet. Die Polizei sei da gewesen. Er selbst aber hat die Nägel nicht gesehen.

Im Polizeipräsidium München weiß man von dem Vorfall. Es liege eine Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auf der Oberbiberger Straße vor – so heißt die Radverbindung offiziell –, teilt ein Sprecher mit. Mehrere Fahrräder sollen betroffen sein. Die Kollegen der Polizeiinspektion 23 in Giesing seien rausgefahren, Nägel haben sie aber keine mehr gefunden. Eine Lappalie ist ein derartiges Delikt nicht. Laut des Strafgesetzbuchs muss jemand, der durch eine solche Handlung „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“, mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe rechnen.

Das Landratsamt München, das für den Weg durch den Forst zuständig ist, hat bisher keine Information über Nägel auf der Straße. „Wir kehren dort turnusmäßig dreimal im Jahr, die nächste Kehrung ist für kommende Woche geplant“, sagt Behördensprecherin Christine Spiegel. Wenn das Landratsamt wüsste, dass dort Nägel herumlägen, würde es sofort reagieren.

An der Kugler Alm wollen die Oberhachinger Kommunapolitiker den Rennradlern am Samstag ins Gewissen reden.
An der Kugler Alm wollen die Oberhachinger Kommunapolitiker den Rennradlern am Samstag ins Gewissen reden. (Foto: Claus Schunk)

Klar ist aber, dass solche Meldungen die Stimmung anheizen, ausgerechnet eine Woche, bevor die Gemeinde an der Kugler Alm einen Aktionstag geplant hat. Mit dem Motto „Mehr Rücksicht – gemeinsam statt gegeneinander“ ist die Veranstaltung am Samstagvormittag, 28. Juni, überschrieben. Bürgermeister Stefan Schelle (CSU), Gemeinderäte, Vertreter von Polizei und Radsportvereinen wollen die rasenden Radler abpassen und ihnen ins Gewissen reden.

Eine Demo soll das nicht sein. „Es geht nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger zu mahnen, sondern um einen respektvollen Dialog, der zu mehr gegenseitigem Verständnis führt“, teilt die Gemeinde mit. Man will nicht mehr hinnehmen, dass einige Radler mit großer Geschwindigkeit unterwegs sind, auf Gehwegen fahren oder durch Nebeneinanderfahren so viel Platz auf der Straße einnehmen, dass Autos kaum vorbeikommen. Es geht um riskante Situationen an Ausfahrten, gefährliche Situationen für Kinder und ältere Menschen sowie den allgemeinen Verlust an Sicherheit und Rücksichtnahme. Und weil man überzeugt ist, dass Reden allein wohl nicht hilft, werden gerade drei Fahrbahnschwellen zur Temporeduzierung auf die Linienstraße geschraubt.

Es ist ein weiterer Versuch, das Problem in den Griff zubekommen, mit dem man sich im Rathaus immer mehr überfordert fühlt. Julian Certain, der Rennradler aus Oberhaching, findet, Verbote und Blockaden seien nicht der richtige Weg. Es müsse ein echtes Lösungskonzept her, etwa mit einer westlichen Umfahrung der Oberhachinger Wohngebiete durch den Wald. Daran arbeitet man in der Gemeinde schon länger. Die jüngste Machbarkeitsstudie hat allerdings überhaupt nichts gebracht.

Certain fährt schon seit vielen Jahren in einer Gruppe, er weiß, dass das viel Konzentration und Rücksichtnahme verlangt. Man müsse das üben und einer das Kommando übernehmen. Aber er stellt fest, dass es immer wieder Fahrer gibt, die das entweder nicht beherrschen, oder die durch Fehleinschätzungen brenzlige Situationen herbeiführen. Die überholen, wo es zu eng ist, die zu dicht vorbeifahren.

Heinz hatte genau durch ein solches Fehlverhalten vor zwei Jahren einen schweren Fahrradunfall. Ein Rennradler war an der Unterführung bei der Nußbaum Ranch nahezu ohne Abstand an ihm vorbeigezogen, sodass er gegen seine Schulter stieß. Der damals 61-Jährige stürzte von seinem Fahrrad. Heinz will nicht, dass sein Nachname in der Zeitung steht, aber er zeigt Fotos der Folgen seines Sturzes auf seinem Handy: Gehirnerschütterung, Jochbeinbruch, Schlüsselbeinbruch, Halswirbelbruch, zahlreiche große Blutergüsse – um nur die schlimmsten Verletzungen aufzuzählen. Früher ist er viel Mountainbike gefahren, auch schwierige Trails. Nach dem Unfall hat er sich lange nicht aufs Rad getraut. Jetzt macht er wieder regelmäßige Ausflüge zur Nussbaum Ranch. Aber auch heute sagt er noch: „Die Angst fährt immer mit.“

Gebrauchte Fahrräder will ein Händler aufkaufen, der dieses Banner aufgehängt hat.
Gebrauchte Fahrräder will ein Händler aufkaufen, der dieses Banner aufgehängt hat. (Foto: Claus Schunk)

Der Aufforderung des Banners auf der anderen Straßenseite möchte er trotzdem nicht nachkommen. Dort heißt es: „In Bestzeit dein Bike verkaufen.“ Das ist kein Scherz der Oberhachinger, die jetzt die Räder einfach wegkaufen, um die Fahrer zu reduzieren. Es handelt sich vielmehr um zielgruppenorientierte Werbung eines Händlers für gebrauchte Fahrräder. An dieser Stelle kann er gewiss sein, dass seine Kundschaft vorbeikommt. Wie viele Radler genau, das will der Landkreis jetzt wissen, der am Freitag hier die seine erste Fahrradzählstation installiert.

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