„Würde mir wünschen, dass wir Ehrenamtler überflüssig werden“ | ABC-Z
Berlin. Der Verein ‚Schenk doch mal ein Lächeln‘ hat fünf soziale Aktionen etabliert und hilft jungen und alten Berlinern in Krankheit und Not.
An Heiligabend, wenn die Kinder ihre Geschenke in den Händen halten, die Familie gemeinsam gegessen und im Regelfall die Besinnlichkeit eingesetzt hat, fällt ein Teil des Vorweihnachtsstresses von den Schultern aller ab – auch von den Verantwortlichen und Helferinnen und Helfern des Vereins „Schenk doch mal ein Lächeln“ (SDMEL) aus Tempelhof-Schöneberg. Allein in diesem Jahr haben 7000 Jungen und Mädchen ein Weihnachtsgeschenk erhalten, die sonst vermutlich keins bekommen hätten. Das soziale Engagement des Vereins beginnt und endet aber nicht mit der Weihnachtszeit.
Ehrenamt: Das Ziel ist es, überflüssig zu werden
„Ich würde mir wünschen, dass wir eines Tages überflüssig werden. Die Politik überträgt leider viel zu viele Aufgaben auf das Ehrenamt und verlässt sich darauf, dass es immer genügend Menschen gibt, die etwas machen. Aber der Bedarf ist viel höher“, sagt der Vereinsgründer Fayez Gilke, der Ende 2014 die erste Wunschbaum-Aktion ins Leben gerufen hat. Inspiriert von einer ähnlichen Aktion aus dem ländlichen Bereich, klapperte der Schöneberger einige Kitas im gleichen Ortsteil ab und es kamen schnell 50 Wünsche zusammen. Der erfolgreichen Aktion und dem Willen sie fortan Jahr für Jahr zu wiederholen, folgte die Gründung von ‚Schenk doch mal ein Lächeln‘.
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Das Engagement rund um die Wunschbaum-Aktion hat sich schnell herumgesprochen, sodass sich immer mehr Einrichtungen gemeldet haben und Jahr für Jahr mehr Bezirke an der Aktion partizipieren wollten. 2024 wurden Bäume mit Wunschzetteln in 22 Rathäusern und Bibliotheken sowie knapp 70 Unternehmen aufgestellt. Die 7000 Geschenke haben nach Schätzungen von SDMEL 20.000 Berlinerinnen und Berlinern ein schöneres Fest beschert, wenn man nicht nur die beschenkten Kinder bedenkt, sondern auch die entlasteten Eltern und Erzieher sowie Sozialarbeiter einrechnet. Anfang 2015 haben sieben Freunde und Familienmitglieder von Fayez Gilke den Grundstein gelegt, heute hat der Verein über 70 Mitglieder in seinen Reihen.
Verein möchte das ganze Jahr lang Menschen helfen
„Unser Verein hat Zukunft. Wir wollen in das Bewusstsein der Menschen gelangen und sie aus ihrer eigenen Bubble holen. Man kann mit uns wirklich viel bewegen“, berichtet Antonia Gammelin, die alle Projekte des Vereins tatkräftig unterstützt und organisiert. Für die 31-Jährige sind strahlende Kinderaugen ein großes Geschenk, das es nicht nur an Weihnachten geben soll: „Die neuen Projekte sind teilweise zeitlos oder auf andere Monate im Jahr verteilt.“ Neben den Wunschbäumen gibt es auch die „Schultüten-Aktion“, „Wärme schenken“, „Freizeit schenken“ und „Der letzte Tropf“.
Letzteres Projekt unterstützt Chemotherapie-Patienten. Fayez Gilke hat selbst im Alter von nur 27 Jahren eine Krebsdiagnose erhalten und ist spätestens seitdem besonders motiviert, krebserkrankten Kindern Hoffnung zu schenken. In Kooperation mit der Berliner Charité hat SDMEL den letzten Tropf vor zwei Jahren eingeführt: „Wir werden die Welt nicht retten können, aber wir versuchen unseren Beitrag zu leisten, um sie etwas besser zu machen.“ Auf der Station 30i in der Charité werden Kinder und Jugendliche onkologisch behandelt – überwiegend mit Leukämie, bösartigen Tumoren oder gutartigen Erkrankungen des blutbildenden Systems. Am Tag der letzten Infusion der Chemotherapie wird der Tropf besonders schön geschmückt, „damit das Ende der Krebstherapie eingeläutet werden kann.“
Berlin: Reich und arm zugleich
Ein in diesem Jahr ganz neu eingeführtes Projekt ist die „Schultüten-Aktion“. „Manche Kinder kommen mit randvollen Tüten zur Einschulung, andere ohne gar nichts. Besonders der erste Tag ist prägend und kann eine Schülerin oder einen Schüler nachhaltig darstellen“, sagt Antonia Gammelin. Die Nachfrage von verschiedenen Einrichtungen sei bereits so hoch gewesen, dass bei der Erstauflage über 300 mit Scheren, Stiften und weiteren schulalltagstauglichen Dingen gefüllten Tüten angefragt und besorgt worden sind. Dabei seien besonders die Sommermonate keine guten Spendenmonate, da die Spenderinnen und Spender selbst für den Jahresurlaub sparen würden.
„Wir leben in Berlin, einer der reichsten Hauptstädte, die es gibt und trotzdem ist hier jedes dritte Kind von Armut betroffen“, berichtet Fayez Gilke. SDMEL unterstützt aber nicht nur Kinder beim Schulstart – ebenfalls in diesem Jahr startete die Aktion „Freizeit schenken“. Die Zielgruppe sind Mütter und Väter, die unter anderem Schicksalsschlägen oder Gewalt ausgesetzt waren und aufgrund verschiedenster Entwicklungen keine Mittel besitzen, um sich und ihren Kindern einen Ausflug ermöglichen zu können. Beispielsweise wurde eine Jahreskarte für den Berliner Zoo an eine Mutter und ihr Kind ausgegeben, die vor ihrem gewalttätigen Mann fliehen musste.
Armut, Krankheit und Co: Sogar der Nachbar kann betroffen sein
Der „zweite Winter“ in Berlin beginne im März, wenn die Kälteeinrichtungen schließen. Bei der Aktion „Wärme schenken“ werden Schlafsäcke, die bis zu einer Temperatur von minus zehn Grad Celsius warmhalten, an obdachlose Menschen ausgegeben. 2024 wurden 75 Stück verteilt, für das kommende Jahr sind noch mehr eingeplant.
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Die Spendenbereitschaft sei vor allem um die Weihnachtszeit besonders groß. Fayez Gilke ist eine Sache, aber ganzjährig wichtig: „Man schenkt mit uns den Menschen vor seiner eigenen Tür etwas, in seiner eigenen Stadt, seinem eigenen Bezirk und vielleicht sogar in der Wohnung nebenan. Wir können nicht immer sehen, ob es vielleicht sogar den Nachbarn schlechter geht als uns selbst.“
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