Kultur

„Wunderschöner“: Nach dem Ernst ist vor dem Klamauk | ABC-Z

Der Film Wunderschöner von und mit Karoline Herfurth ist im Grunde wie eine sehr gut erzogene Frau, die ein hervorragendes Gespür dafür hat, wann sie ein bisschen zu doll war und besser etwas Lustiges oder mindestens Niedliches folgen sollte. Damit sich alle wieder beruhigen können und nicht durch die Vortragsweise vom Inhalt abgelenkt sind. Immerhin geht es um Frauenthemen – Körper, Sexualität, Machtverhältnisse, Selbstbestimmung –, die sorgsam und unter Berücksichtigung etwaiger Ermüdungserscheinungen vorgetragen werden müssen. Dementsprechend sichert sich der Film nach jeder feministischen Power-Message mit etwas Klamaukigem ab, mit einem explodierenden Riesenbaby zum Beispiel.

Um das alles besser verstehen zu können, muss man leider den ersten Teil des Films Wunderschön aus dem Jahr 2022 gesehen haben, ein Riesenerfolg mit 1,7 Millionen Zuschauern. Der ist deutlich schlechter, aber hier eine kurze Zusammenfassung, dann geht es möglicherweise auch so: Die zentrale, von Herfurth gespielte Figur ist die zweifache, durch Vernachlässigung entmutigte und durch Überforderung verbitterte Mutter Sonja. Der Vater Milan (Friedrich Mücke) sieht in ihrem Familienalltag keine Probleme, da er sich auf seine Karriere konzentrieren kann und will. Dass sie in den offenen, mit Spielzeug verrümpelten Wohnräumen eher keinen Sex mehr haben, begreifen hingegen beide als Problem. Das liegt natürlich an den Kindern und deren Bedürfnissen, dem Haushalt, der Zeit, der Müdigkeit, und außerdem fühlt sich Sonja in ihrem veränderten Körper unwohl. 

Zum erweiterten Familienkreis des episodisch erzählten Films gehören außerdem Milans Eltern, die eine langanhaltend unglückliche Ehe führen, sowie seine Schwester Julie. Sie arbeitet als Model, ihr „Typ“ ist jedoch nicht mehr so gefragt. Es folgen Bulimie, Medikamentenmissbrauch, Drogen und Zusammenbruch. Sonjas beste Freundin ist die Lehrerin Vicky, gespielt von Nora Tschirner. Sie gibt ihre Beziehungsunfähigkeit für den Sportlehrer Franz (Maximilian Brückner) auf; er repariert ihr Auto. 

Im zweiten Teil hat Franz eine Sinnkrise, die er von der Filmhandlung größtenteils abwesend in den Bergen verbringt. Vicky schaut sich unterdessen erneut im Kollegium um. Julie beginnt einen neuen Job als Produktionsassistentin bei einer TV-Show; dort werden ihre gerade erst neu definierten körperlichen Grenzen bereits am ersten Tag von ihrem Chef überschritten, womit sie wiederum vorwiegend allein umgehen muss. Milan und Sonja haben sich getrennt. Engmaschig von einer Therapeutin betreut, betreiben sie seither Co-Parenting im Nestmodell und unternehmen jeder für sich eher unerfolgreiche Datingversuche. 

Der wichtigste Neuzugang, der den thematischen Schwerpunkt des ersten Films von Körper und Selbstoptimierung auf Sexualität ausweitet, ist eine Familie. Unter dem ordentlich deutschen Namen Hansen und dem Dach eines repräsentativen Anwesens versammeln sich Nadine (Anneke Kim Sarnau), Phillipp (Godehard Giese) und die beiden schwerst pubertären Kinder Lilly (Emilia Packard) und Julian (Albert Lichtenstern). Die von Botox und hochwertigem Kaschmir in ihrer selbstbewussten Weiblichkeit gestärkte Unternehmermutter muss leider herausfinden, dass ihr Finanzsenatormann seine Freizeit mit einer Prostituierten (Bianca Radoslav) verbringt. Schwierig!, auch weil bei dem Versuch, sich selbst, ihre Kinder und die Prostituierte zu schützen, ihr Mann Kollateralschutz erhält, wofür die Tochter sie wiederum verachtet. 

Es gibt dann diesen großen Barbie-Film-Moment, in dem ein sehr trauriger Song von Billie Eilish eingespielt wird und an die Hauptaufgabe erinnert: weibliche Solidarität. Und anstatt daraufhin so richtig erwartbar, platt und doof zu werden, formuliert der Film diese Solidarität erfreulicherweise nicht als unhinterfragbaren Imperativ. Karoline Herfurth, offenbar die deutsche Greta Gerwig, und die Co-Drehbuchautorin Monika Fäßler lassen anhand ihrer Figuren unterschiedliche Wellen des Feminismus gegeneinander laufen. Jede zulässige Haltung bekommt ihr Gegenüber, das nicht notwendigerweise mehr recht hat, aber zumindest einen Punkt. Beispielsweise in der Frage, ob es sich bei der Prostituierten nun ein verbrauchtes Miststück, eine Heldin im Kampf gegen sexualisierte Übergriffe oder doch nur ein armes Kind handelt. Dabei wählen sie die erzählerischen Mittel weise – die verstörenden inneren Verletzungen der Prostituierten werden beim Frauenarzt von einer unbeteiligt kalten Computerstimme ins Rumänische übersetzt – und legen als einzig sinnvolle Antwort „alle der oben genannten“ nahe. 

Nur haben die Frauen, während es in dem Film viel um AUGENHÖHE geht, abgesehen von einander kein vernünftiges Gegenüber. Die männlichen Figuren sind beklemmend unbeholfen und größtenteils ahnungslos (der Finanzsenator will die Prostituierte – natürlich! – einfach freikaufen). Was nicht weiter schlimm wäre, würden die Männer nicht ihren großen Moment bekommen, sobald sie „es verstanden“ haben, also auch mal weinen oder von ihren Posten zurücktreten, um einer Frau Platz zu machen. Sie verkommen zu Statisten, die von starken Frauenperspektiven und ihren Botschaften, ohne die ein Film ja kaum mehr auskommt, überzeugt werden müssen. Herfurth selbst sagte in einem Interview hingegen, dass der Film gar nicht feministisch sei, was einigermaßen verwunderlich ist, nachdem es darin dauerhaft um übergeordnete Systeme und Strukturen geht. Aber vielleicht war das auch nur der dringend notwendige Klamauk nach so viel Ernsthaftigkeit.

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