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Wolfram Weimers Weimatar: der Kulturstaatsminister als KI – Kultur | ABC-Z

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat sich digital klonen lassen. Es soll ihn fortan als Avatar geben, also als virtuelles Ebenbild, kaum zu unterscheiden vom echten Menschen. Weimatar heißt der. Die britische Firma Synthesia hat die Technik geliefert. In einem Internetvideo hat Weimers digitaler Stellvertreter sein Debüt gegeben. Er spreche hundert Sprachen und räuspere sich nie, sagt er. Der Effekt ist verblüffend. Künstliche Intelligenz kann einen Menschen inzwischen so perfekt simulieren, dass man selbst beim mehrmaligen Hinschauen keinen Unterschied bemerkt. Deswegen auch der Hinweis des Weimatars, er sei kein Deepfake. Die Pressestelle bestätigt, dass alles seine Ordnung hat.

Der digitale Weimer erzählt in Folge, was den echten Weimer derzeit beschäftigt. Die destruktive Wirkung der chinesischen Videoplattform Tiktok zum Beispiel, die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres israelischen Dirigenten Lahav Shani vom Festival in Gent, der Dialog mit Polen, die Rolle des Europasenders Arte beim Kampf gegen Desinformation. Zu jedem Thema ein Statement in der Sprache der Adressaten. Der Weimatar spricht perfektes Mandarin, Flämisch, Polnisch und Französisch.

Ein Experiment soll das sein, heißt es aus Berlin. Neue digitale Kommunikationsräume sollen eröffnet werden. Man zeige aber vor allem, „Deutschland mischt im Rennen um eine verantwortungsvolle KI-Zukunft ganz vorne mit“. Das ist technisch schlüssig. Wer einen KI-Avatar aufsetzt, kann ihn auch kontrollieren, bestimmt, mit welchen Datensätzen und Texten er gefüttert wird. Weil der Weimatar vor allem Statements verlesen und interne Schulungsvideos betexten soll, ist er zunächst einmal passives Werkzeug. Er ist eine gesteuerte Simulation, keine KI, die frei entscheidet oder handelt.

Das erfüllt den alten Traum, sich bei der Arbeit von einem Klon ersetzen zu lassen. Weimer ist da nicht der Erste. In der Ukraine experimentierte das Außenministerium mit einer digitalen Sprecherin namens Viktoria Schi. Die britische Sängerin FKA Twigs nutzt einen KI-Avatar, um mit ihren Fans zu kommunizieren.

Die Grenzen zwischen Realität und digitalem Raum verwischen

Das Problem dieser digitalen Zwillinge ist nicht, dass Inhalte entgleisen, wie bei Deepfakes. Es ist der Gewöhnungseffekt. Wenn glaubwürdige Institutionen wie der Kulturstaatsminister unglaubwürdige Medienphänomene wie KI-Avatare normalisieren, verwischen die Grenzen zwischen Realität und digitalem Raum. Das ermöglicht den Schritt zur Automatisierung der Demokratie. Die treibt in den USA beispielsweise die Regierungsstelle Doge voran, ursprünglich mal für Trumps Kumpel Elon Musk eingerichtet, um den Staatsapparat kleinzusparen. Die Digitalisierung des Staates ist allerdings nichts anderes als die Perfektion der Kontrollmechanismen.

In Albanien hat Premierminister Edi Rama in dieser Woche einen Chatbot namens Diella zur „Ministerin für öffentliche Aufträge“ ernannt. In Zukunft sollen alle staatlichen Aufträge über die KI vergeben werden. Das soll Korruption eindämmen. Doch jede Entscheidung, die an KI ausgelagert wird, ist eine Entmachtung des Menschen und der Institutionen der Demokratie. Das beginnt schon beim falschen Ebenbild.

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