Wolfgang Joop wird 80: Wunderkind für immer | ABC-Z
War er das? Dicker Pelzmantel, sanfter Blick, an der Seite eines weiblichen Models, von dem nicht einmal mehr bekannt ist, ob sie Engländerin war oder Schwedin. Ja, das war er, aber er konnte es selbst kaum glauben. Als F. C. Gundlach das Werbefoto für einen Pelzmodehersteller aus seinem Archiv herausgesucht hatte und das F.A.Z.-Magazin das Bild zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert veröffentlichte, glaubte Wolfgang Joop seinen Augen nicht zu trauen: „Das war ich? Wir sind ja ausstaffiert wie die Neandertaler!“
Ja, das war er: ein junger Mann, der die Modewelt erobern wollte. Vielleicht konnte sich Joop auch deshalb nicht mehr an die Aufnahmen erinnern, weil er als Model sehr erfolgreich war. Er war Anfang der Siebziger in „L’Uomo Vogue“ und „Harper’s Bazaar“ zu sehen und verdiente auch für kommerzielle Jobs gutes Geld. „Ich erreichte Tageshonorare von bis zu 1000 Mark“, sagte er. Das entsprach damals schon fast dem Monatsgehalt eines Arbeiters.
Die Szene steht symbolisch für einen der drei größten Modeschöpfer, die Deutschland hervorgebracht hat. Er hat alles durchgemacht, als Zeichner, Maler, Model, Redakteur, Essayist, Designer, Stilvorbild, Unternehmer, ähnlich wie Karl Lagerfeld und Jil Sander, die ebenfalls viel lasen, sahen, dachten, schrieben, durchmachten, bis sie ihren Stil zur Vollkommenheit entwickelt hatten – nicht so wie junge Modemacher heute, die nach einem Designstudium die Modewelt neu erfinden wollen. Wie seine alten Freunde Karl und Jil wollte er der erbärmlichen Nachkriegszeit entkommen. Die deutsche Schuld ließen sie hinter sich, indem sie nur in die Zukunft schauten, jede Saison aufs Neue.
Der „Provinzheini“ wurde zum Mode-Redakteur
Wolfgang Joop, der an diesem Montag 80 Jahre alt wird, wurde in Potsdam geboren, bekam also schon im Mutterleib und dann in der Wiege die Luftangriffe mit. Traumatisch war jedenfalls die späte Rückkehr des Vaters aus Krieg und russischer Haft, der den verzärtelten Jungen in die Spur bringen wollte. Es wurde nicht viel besser, als die Familie 1954 in den Westen übersiedelte, nach Braunschweig, wo Gerhard Joop bei „Westermanns Monatsheften“ arbeitete, zuletzt als Chefredakteur.
Dem Vater zuliebe studierte Wolfgang Joop Kunstpädagogik. Aber auch seine Freundin Karin träumte sich aus Braunschweig in die große Mode fort. Mit Tochter Jette, 1968 geboren (Florentine folgte 1973), lebten sie in Klein Schöppenstedt, in der Souterrain-Wohnung des Elternhauses. Aber die beiden Hippies, abenteuerlustig und modebewusst, wollten sich selbst entwerfen. 1970 gewannen sie mit Zeichnungen einen Modewettbewerb der Zeitschrift „Constanze“. In der Jury saß Konfektionär Hasso Arendt aus Kulmbach, der die jungen Talente verpflichtete. Also arbeiteten sie ein halbes Jahr lang in der oberfränkischen Provinz und beantworteten das Motto „Hallo Hasso, was gibt’s Neues?“ immer wieder mit Neuem.
Über seine Modelzeit sagte Joop später: „Gundlach war schon weltberühmt, und ich kam aus Kulmbach.“ 1971 zog die junge Familie nach Hamburg, und er, der „Provinzheini“, wie er sich später nannte, wurde Redakteur der Zeitschrift „Neue Mode“. Hamburg hatte auf sie gewartet, Paris auch. Yves Saint Laurent zog sie mal persönlich in seine Modenschau. Und mit Lagerfeld verbrachten sie ein denkwürdiges Wochenende in der Bretagne. Die Modelkarriere war da schon vorbei. „Zuerst denkt man als Model: Die Fotografen werden ja immer schlechter“, sagte Joop einmal. „Bis einem eines Tages die Lampe aufgeht: Ich sehe ja scheiße aus.“ Am Ende wurde er Model für seine eigene Marke. Im Nebenberuf erfand er dann auch noch das Ausrufezeichen neu: Joop! Fragezeichen kamen nicht infrage.
Die besten Entwürfe seines Lebens
Ein Ausrufezeichen war auch der Verkauf. Die Markenrechte brachten ihm Ende der Neunziger angeblich 150 Millionen Mark ein. Mit der Jahrtausendwende brach eine neue Zeit an. Am Heiligen See lebte er in der Villa Wunderkind und arbeitete in der Villa Rumpf. Nun war er frei. Ein Mann am Zoll in Amerika hatte ihn „Wunderkind“ genannt, weil ihn der Vorname Wolfgang an Mozart erinnerte. Das passte. Mit seiner Marke Wunderkind schuf Joop im preußischen Kernland die besten Entwürfe seines Lebens, mit phantastischen Drucken, mehrlagiger Coolness, militärisch strenger und doch ätherischer Mode, flüssig und schlüssig, brandenburgisch traumverloren. Mode muss sich in Schönheit verzehren – das tat sie dann leider auch geschäftlich.
Eine zweite späte Genugtuung: seine Rolle als Juror in Heidi Klums unterkomplexer und überlanger Sendung „Germany’s Next Topmodel“. Auf dem Höhepunkt seines späten Ruhms hörte er sogar Gekreische, wenn er in Potsdam zum Blumenladen oder zum Friseur radelte. In Richtung Massenmarkt gingen die drei großen Deutschen am Ende auch modisch: Lagerfeld bei H&M, Jil Sander mit ihrer Linie „+J“ für Uniqlo, Joop mit „Looks by Wolfgang Joop“.
So richtig in seinem späten Leben angekommen ist er aber im Gut Bornstedt am Park von Schloss Sanssouci. Die Zeit der Villen ist vorbei, „das Überrenovierte hatte mir den melancholischen Zauber der Erinnerung geraubt“. Nun lebt er in der Erinnerung, auf dem Bauernhof seiner Großeltern, wo er die ersten zehn Jahre seines Lebens verbracht hatte. Dort ist er wieder zum Familienmenschen geworden. Mit Edwin, seinem Partner. Neben Karin, seiner ehemaligen Frau. Und mit Florentine und ihren drei Kindern, seinen Enkeln.