Wirtschaft

Wohnungspolitik: Schluss mit den Preisexzessen | ABC-Z

Das Wohnen ist eine der drängendsten sozialen Fragen. Viele
Menschen haben in den vergangenen Jahren nicht nur unter der hohen Inflation
gelitten, sondern auch unter stark gestiegenen Wohnkosten und fehlendem angemessenem
Wohnraum. Das vertieft die wirtschaftliche und soziale Kluft und verschärft den Fachkräftemangel. Die neue Bundesregierung sollte sich das Thema Wohnen als
eine zentrale Priorität setzen und klügere Lösungen wählen als bisher.

Wohnen ist aus drei Gründen zu einer der zentralen sozialen
und wirtschaftlichen Herausforderungen für Deutschland geworden. Der erste
Grund sind die stark gestiegenen Wohnkosten. Eine Studie
des DIW Berlin
zeigt, dass sich der Anteil der durchschnittlichen
Mietkosten an den verfügbaren Einkommen der Haushalte stark vergrößert hat: von 17 Prozent
Anfang der 1990er-Jahre auf heute 25 Prozent. Darin sind Nebenkosten wie für
das Heizen noch nicht enthalten. Sie sind in den vergangenen Jahren für viele
besonders stark gestiegen.

Noch gravierender ist, dass bei der Entwicklung der Wohnkosten die Ungleichheit zugenommen hat. Die Schere zwischen Arm und Reich ist dadurch deutlich größer geworden. Für die ärmsten
Haushalte sind die Mietkosten am stärksten gestiegen: von knapp 20 Prozent des verfügbaren Einkommens vor 30 Jahren auf heute 36 Prozent. Und auch der Anteil der Haushalte mit einer
sogenannten Überlastung, die also mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren
Einkommens für die Miete ausgeben, ist gestiegen. Er beträgt heute knapp 15 Prozent
aller Haushalte.

Selbst die Einführung des Mindestlohns 2015 und signifikante
Erhöhungen bei den Löhnen, auch im Niedriglohnbereich, haben es nicht
geschafft, den Anteil der Mietkosten am Einkommen für die meisten Menschen zu
reduzieren. Mit anderen Worten: Die Eigentümerinnen und Eigentümer von
Immobilien und Wohnungen haben es geschafft, einen erheblichen Anteil der
höheren Wirtschaftsleistung und des Wohlstands der Mieterinnen und Mieter für
sich selbst zu vereinnahmen.

Auch bei anderen Faktoren besteht eine beträchtliche Ungleichheit bei den Mietkosten. So zahlen vor allem
Alleinerziehende und ihre Kinder wie auch Singles deutlich mehr ihres
monatlichen Einkommens für die Miete als Familien. In Ostdeutschland liegen die
Mieten deutlich niedriger als im Westen, in den Städten deutlich höher als auf
dem Land. Diese Unterschiede spielen eine Rolle, wenn manche klagen, Einkommen
und Löhne in ländlichen Regionen seien zu gering im Vergleich zu den Städten.
Unterm Strich zählt für den Wohlstand der Menschen, was und wie viel sie
sich von ihrem Einkommen leisten können.

Der Mangel an Wohnraum schwächt den sozialen Zusammenhalt

Das zweite zentrale Problem ist der Mangel an Wohnungen, vor
allem passenden Wohnungen. Insbesondere in den großen Städten gibt es nicht
ausreichend Wohnraum für junge Menschen und junge Familien, die nicht selten jahrelang nach einer geeigneten Unterkunft suchen. Der Mangel an Wohnraum reduziert
die Mobilität, da Menschen ihre alte Wohnung nicht verlassen, wenn sie keine
neue finden können. Ältere Menschen wohnen nach dem Auszug der Kinder oder dem
Tod des Partners deutlich länger in zu großen Wohnungen, da sie häufig keine preislich
angemessene Alternative finden.

Umgekehrt bedeutet der Mangel vor allem für junge Menschen, die Familien gründen, eine erzwungene Mobilität, da größere Wohnungen im
eigenen Kiez nicht verfügbar sind, sodass sie in günstigere Viertel ziehen
müssen. Dies verschärft die Gentrifizierung und schwächt den sozialen
Zusammenhalt und die Teilhabe.

Der massive Abbau von Sozialwohnungen in den vergangenen 30 Jahren verschärft diese Entwicklung. Waren Anfang der 1990er-Jahre noch 18 Prozent der Wohnungen Sozialwohnungen, so sind es heute
lediglich knapp sechs Prozent.

Dass Wohnraum fehlt, reduziert nicht
nur die Mobilität innerhalb Deutschlands. Es ist auch eine der wichtigsten
Hürden für den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland. Eine Studie
von InterNations
zu hoch qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland zeigt,
dass Deutschland beim Zugang zu Wohnungen international schlecht abschneidet. Viele hoch qualifizierte Fachkräfte kommen unter anderem deswegen nicht nach
Deutschland oder verlassen das Land schnell wieder. Beide Faktoren – die geringere
Mobilität innerhalb Deutschlands und der reduzierte Zuzug von Fachkräften – verschärfen den Fachkräftemangel für Unternehmen. Auch über
diesen Mechanismus entsteht somit ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden für
Deutschland.

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