Wirtschaft

Wohnungsbau: So viele Sozialwohnungen fehlen Deutschland | ABC-Z

Wer wenig Einkommen hat und eine Wohnung sucht, ist vor allem in Großstädten schnell in einer verzweifelten Lage: Sozialwohnungen gibt es kaum. Der Wohnungsmarkt in Deutschland hat in nur zehn Jahren nahezu jede vierte Sozialwohnung verloren – bundesweit sind es nicht mal mehr 1,1 Millionen Wohnungen. Es müssten aber mindestens doppelt so viele sein, zeigt eine neue Studie, die das Pestel Institut zusammen mit dem Wohnungsbauinstitut des Landes Schleswig-Holstein für die Soziale Wohnraumförderung (Arge) im Auftrag des Bündnisses Soziales Wohnen erstellt hat. Die Untersuchung zeigt erstmals Daten nach Bundesländern und prognostiziert den Bedarf an günstigem Wohnraum bis ins Jahr 2030.  

Als Sozialwohnungen gelten staatlich geförderte Wohnungen, die zu einem günstigeren Preis vermietet werden. Um eine solche Wohnung zu mieten, benötigt man einen Wohnberechtigungsschein, der belegt, dass das Haushaltseinkommen unter einem Grenzwert liegt. Die Miete ist preisgebunden, sodass sie die Mietpartei vor plötzlichen Erhöhungen schützt und nur die Kosten des Vermieters deckt. 

Während es in der alten Bundesrepublik Ende der 1980er-Jahre noch rund vier Millionen Sozialwohnungen gab, waren es im Jahr 2010 noch etwa 1,66 Millionen, 2020 wurden noch 1,13 Millionen Sozialwohnungen gezählt. Bereits 2023 hatte die Linke auf den Mangel aufmerksam gemacht. Damals antwortete die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei, dass der Bestand noch bei über 1,1 Millionen liegen müsse, die Regierung aber keine Informationen über auslaufende Miet- und Belegungsbindungen habe. Im Klartext: Wie viele es genau sind, weiß sie nicht.  

Diese sogenannte Sozialbindung, die nach einer bestimmten Zeit zwischen 15 und 40 Jahren ausläuft, ist der Hauptgrund für den Rückgang: Entfällt die Bindung, können die Wohnungen ohne staatliche Auflagen frei am Markt vermietet oder verkauft werden. Hinzu kommt: Die Zahl der Wohnungen, die aus der Sozialbindung fallen, ist derzeit höher als die Zahl neu entstehender Sozialbauwohnungen. So fielen im Jahr 2020 rund 56.000 Wohnungen aus der Sozialbindung, neu errichtet wurden in dem Jahr etwa 23.000 Sozialwohnungen.

Länder mit den größten Lücken

Die Situation in den Ländern unterscheidet sich dabei stark – vor allem, wenn man die Lücke zwischen dem derzeitigen Bestand und dem Bedarf in fünf Jahren betrachtet. So gibt die Arge beispielsweise für Schleswig-Holstein einen aktuellen Bestand von 46.701 Sozialwohnungen an, während sie bis 2030 einen Bedarf von 63.700 Wohnungen prognostiziert. In Niedersachsen müsste der aktuelle Bestand bis 2030 sogar fast verdreifacht werden. Besonders hoch war der prozentuale Rückgang an Sozialwohnungen den Daten zufolge in Rheinland-Pfalz: Zwischen 2017 und 2023 ist die Zahl fast um die Hälfte gesunken.

Was absurd klingt, ist leicht erklärbar: Wohnungsbau ist sehr viel teurer geworden. Für das Bündnis Soziales Wohnen steht Deutschland vor einem Dilemma, denn der Wohnungsbau stockt seit Langem. Auch die Ampelregierung hatte es nicht geschafft, das selbst gesteckte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen und davon 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu erreichen. 2024 zum Beispiel könnten es rund 250.000 Wohnungen gewesen sein, abschließende Daten liegen noch nicht vor. Der Bedarf liegt der Arge-Studie zufolge aber bei 550.000, bis 2030 wird sogar ein Bedarf von zwei Millionen Sozialwohnungen erwartet.     

Hoher Bedarf, sinkendes Angebot

Grund für den wachsenden Bedarf sind einerseits die steigenden Mieten in Ballungsräumen, die sich viele Menschen mit geringem Einkommen nicht mehr leisten können. Druck entsteht auch, weil wegen der steigenden Mieten, hohen Baukosten und Preisen von Eigentumswohnungen weniger Menschen sich den Umzug in andere Wohnungen oder Eigentum überhaupt leisten können. Sie verharren in ihren günstigen Wohnungen – Lock-in-Effekt nennen das die Fachleute. Fallen zudem immer mehr bezahlbare Wohnungen aus der Mietpreisbindung, verringert sich das Angebot. Und auch Zuwanderung spielt eine Rolle: Besonders Geflüchtete haben es auf dem Wohnungsmarkt schwer und sind auf Sozialwohnungen angewiesen. 

Der Staat müsste eigentlich handeln und in den sozialen Wohnungsbau investieren. Aber die Wohnungsbaupolitik des Bundes und der Länder ist nicht einheitlich. Statt klarer Regeln, die bundesweit gelten, unterscheiden sich die Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten. Zwar gibt es viele Förderprogramme, aber diese miteinander richtig zu kombinieren, ist selbst für große Baukonzerne komplex, lautet ein Ergebnis der Studie. Hinzu kommt: Vor allem der Neubau wird stark gefördert – über 3.200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche investiert der Staat. Das sei zu hoch, um wirklich viel Wohnraum neu zu schaffen, finden die Autorinnen und Autoren der Studie. Nötig sei stattdessen, die Fördermittel abzusenken, um den Bau von Sozialwohnungen wirtschaftlicher zu gestalten. Masse statt Klasse also.

Klar ist: Durch Neubau allein werden bis 2030 keine eine Million neue Sozialwohnungen zu schaffen sein. Die Empfehlung der Fachleute lautet daher, dass vorhandene Wohnungen modernisiert werden und Kommunen etwa Belegrechte ankaufen müssten. Und das wiederum sei nur machbar, wenn die Mittel dafür durch Bund und Länder deutlich erhöht würden. Eine kluge Kombination aus Markt und Staat also, so das Fazit der Studienautorinnen und -autoren. Dann klappt vielleicht doch noch der Wandel auf den Wohnungsmärkten.   

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