Wohin reisen die Deutschen am liebsten? Und was hält man dort von ihnen? | ABC-Z

Fotos: Sophie Boyer, Fabian Fiechter
FRANKREICH
Wir schauen uns gerne die Mona Lisa an
Das Fremdenverkehrsamt der französischen Hauptstadt schmückt sich mit dem vielsagenden Namen „Paris, je t’aime“. Die Liebe wird besonders von deutschen Besuchern erwidert. Allein im Olympia-Sommer 2024 verzeichnete Paris ein Besucherplus aus Deutschland von 36 Prozent. Nicht mehr nur Eiffelturm, Notre Dame und das Königsschloss von Versailles ziehen deutsche Touristen an. Dank Olympia schauten sich viele auch in der im Norden gelegenen Vorstadt Saint-Denis um, wo eine neue Sportarena, ein olympisches Schwimmzentrum und das Fußballstadion Stade de France liegen. Das wohl berühmteste Museum bleibt der Louvre: Kein anderes Museum der Welt wird so häufig besucht. Die Mona Lisa steht auch bei deutschen Touristen ganz oben auf der Must-see-Liste.
Oh, Paris! Ob auf den Champs-Elysées oder am Seine-Ufer an der frisch restaurierten Kathedrale Notre Dame, überall trifft man auf Besucherinnen mit roter, blauer, in jedem Fall farbiger Baskenmütze, die auf den Pfaden der Netflix-Serie „Emily in Paris“ wandeln. Viele von ihnen sprechen Deutsch. Am Place de l’Estrapade, wo der Serienstar vorgeblich lebt, kann man sich vor Selfie-Touristen kaum retten. Da mag Emily in Staffel vier längst nach Rom geflüchtet sein – die deutschen Fans der Serie stehen weiter im Bann der Pariser Drehorte. Sogar im überteuerten Schwimmbad Piscine Molitor sind die Tagesbesucher aus Deutschland eine feste Größe.
Foto: Picture Alliance
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Der Reiz der Hauptstadt ist ungebrochen und trägt dazu bei, dass Frankreich im Jahr 2024 auf Platz drei der liebsten Urlaubsziele der Deutschen für einen Kurzaufenthalt blieb. Bei längeren Urlauben ist Frankreich in der Gunst jedoch auf Platz sechs gesunken, so die Statistik der französischen Tourismusbehörde Atout France. Im Jahr 2024 besuchten demnach 15,1 Millionen Deutsche Frankreich. Die Einnahmen beliefen sich auf 6,5 Milliarden Euro. Im Rekordjahr 2019 waren 15,8 Millionen Aufenthalte von Deutschen verzeichnet worden (davon 8,7 Millionen Kurzaufenthalte). Korsika, die Bretagne, die Atlantikküste und die Côte d’Azur bleiben beliebte Urlaubsziele. Aber der Rückgang hat die französischen Tourismusverantwortlichen dazu gebracht, ihre Werbestrategie zu überdenken. Die Deutschen will man fortan mit dem Versprechen eines nachhaltigen, umweltbewussten Tourismus anlocken. Beim Slow-Tourismus soll auch auf die französische Lebensart und Gastronomie abgehoben werden. Die guten Bahnanbindungen in Frankreich werden in den Vordergrund gestellt. Dabei ist ein Großteil der Deutschen weit davon entfernt, wie die Franzosen mit der Bahn in den Urlaub zu fahren. Ob sich mit der neuen Direktverbindung zwischen Berlin und Paris daran etwas ändert, bleibt abzuwarten.
Auf jeden Fall stehen die deutschen Touristen in Frankreich nicht in so schlechtem Ruf wie etwa in Spanien. Für 17 Prozent der Franzosen sind sie sogar die beliebtesten Touristen, wie eine Umfrage von YouGov Deutschland ergeben hat.
Michaela Wiegel
SÜDAFRIKA
Wir fahren gern im Winter in die Sonne
Wenn die Autoschlange vor der Tafelberg-Gondel schon am frühen Morgen lang ist, wenn die Liegestuhl-Vermieter am Strand in Clifton plötzlich wieder da sind und die Eisverkäufer dort mit durchdringenden „A Grenadilla-Lolly makes you jolly“-Rufen durch den Sand stapfen, dann ist Sommer in Kapstadt. Sommer ist auch, wenn in manchen angesagten Restaurants die Preise sowohl in Rand als auch in Euro angegeben sind, wenn Autofahrer im Linksverkehr nach rechts abdriften und jeder mit einem Mal Deutsch zu sprechen scheint oder es versucht, wie die Uber-Fahrer aus Simbabwe.
Südafrika ist der Deutschen beliebtestes Fernreiseziel. Zumindest ist man am Kap dieser Überzeugung. Und unter den Touristen bilden die Deutschen die zweitgrößte Gruppe nach den Briten. Die Gründe sind offensichtlich: Mit einem Direktflug kann man innerhalb von elf Stunden dem Winter-Schmuddelwetter entfliehen. Nach der Ankunft scheint nicht nur die Sonne, man wird an der Passkontrolle auch mit einem routiniert-freundlichen „Good morning, how are you?“ begrüßt, und der Toilettenmann unweit des Gepäckbands heißt einen in seinem „Office“ herzlich willkommen. Südafrika ist schön, Südafrikaner sind freundlich, und ja, die Armut, die wirtschaftliche Lage, die Kriminalität waren und sind ein Problem, aber nach einigen Tagen und ein paar „Sundownern“ mit Blick auf Meer und Berg – also alkoholischen Kaltgetränken am Abend – rückt das in den Hintergrund.
Die Attraktivität hat freilich ihre Schattenseiten. 2023 besuchten 312.000 deutsche Touristen Südafrika – gut ein Fünftel mehr als ein Jahr zuvor. Vollständig erholt hat sich die Branche von der Corona-Pandemie noch nicht, aber Kapstadt und andere beliebte Orte fühlen sich schon jetzt ziemlich voll an. Von den schlimmsten Exzessen des Massentourismus ist Südafrika bisher verschont geblieben. Für den feucht-fröhlichen Junggesellen-Abschied oder den spontanen Wochenendtrip ist die Entfernung zu groß, und die Flugtickets sind zu teuer. Trotzdem ist die „Airbnbsierung“ auch hier ein großes Thema. Nach einer Marktanalyse von 2023 finden sich mehr Unterkünfte in Kapstadt auf der Buchungsplattform als in Amsterdam, San Francisco und Singapur zusammen. Das frustriert die einheimische Bevölkerung, die in bestimmten Vierteln keinen erschwinglichen Wohnraum mehr findet. Neue Wohnblöcke mit Mini-Luxus-Apartments schießen in der Innenstadt in die Höhe, während die außerhalb lebenden Kapstädter täglich immer mehr Stunden im Stau verbringen.
Foto: Picture Alliance
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Unter den Touristen aus aller Welt sind die deutschen recht gern gesehen. Ihnen hängt zwar der Ruf an, zuweilen überkorrekt und unlocker zu sein, sie gelten aber als aufgeschlossener als die Chinesen und haben einen amüsanteren Akzent als die Briten. Wer nicht besserwisserisch auftritt und ein gutes Trinkgeld gibt, kann sich der Sympathien sicher sein.
Die meisten Urlauber kommen allerdings kaum mit der Bevölkerung außerhalb der Tourismusbranche in Kontakt. Viele entscheiden sich für organisierte Rundreisen, um ohne größeren Planungsaufwand Nationalparks, Küsten und Weingebiete in einen Aufenthalt zu packen. Auf eigene Faust sind dann die Wiederkehrer unterwegs, die bemerkt haben, dass Südafrika neben den Top-Attraktionen noch viel mehr zu bieten hat. Und dann gibt es die berühmten „Schwalben“, so werden die Dauerpendler genannt: Pensionäre, vermögende Berufsaussteiger, digitale Nomaden, die jedes Jahr für mehrere Monate einfliegen. Hauptsache auf der Sonnenseite des Lebens, so lautet ihre Devise. Und das ganze Jahr über den Sommer genießen.
Claudia Bröll
COSTA RICA
Wir besuchen das „pure Leben“
Kaum irgendwo in Lateinamerika gibt es so viele Strände und einen solchen Naturreichtum wie in Brasilien. 7000 Kilometer Küste, Amazonas, Pantanal, Rio de Janeiro – und dann auch noch den Karneval. Man könnte annehmen, dass Brasilien vor Touristen nur so überquillt. Doch im vergangenen Jahr bereisten nur 6,6 Millionen ausländische Touristen das Land. Das war zwar ein Rekord. Im Vergleich zu anderen Zielen in Lateinamerika ist Brasilien jedoch ein touristisches Leichtgewicht. Lediglich etwas mehr als 160.000 Touristen aus Deutschland haben Brasilien im vergangenen Jahr besucht, womit Deutschland im europäischen Vergleich noch hinter Frankreich und Portugal liegt. Dabei sind die Deutschen in Brasilien recht beliebt.
In Costa Rica dagegen ergibt sich ein ganz anderes Bild. Das zentralamerikanische Land hätte 160 Mal Platz in Brasilien. Es hat rund 5,2 Millionen Einwohner, weniger als Rio de Janeiro. Doch es hat im vergangenen Jahr fast drei Millionen Touristen empfangen, rund 90.000 aus Deutschland. Die meisten Touristen stammten aus den Vereinigten Staaten. Doch auch in Europa bieten immer mehr Reiseveranstalter Charterflüge nach Costa Rica an, wo Touristen alles auf kleinem Raum finden: Pazifik, Karibik, Regenwald und Vulkane, nur wenige Fahrstunden auseinander. „Pures Leben“ lautet der Slogan der costa-ricanischen Tourismusbranche. Seine starke Position hat das Land auch während der Corona-Pandemie verteidigt. Als viele Tourismusdestinationen dicht waren, blieb Costa Rica weitgehend offen – und tauchte damit auf dem Radar zahlreicher Urlauber auf, die bisher eher einen Bogen um Lateinamerika machten.
Auch viele Prominente haben in den vergangenen Jahren in Costa Rica ein bisschen Sommer gefunden. Neben den Schauspielern Kevin Hart und Kevin Costner sowie den Sängerinnen Aitana und Shakira gönnte sich 2023 auch der deutsche Fußballprofi Manuel Neuer mit seiner Partnerin Anika Bissel einen Abstecher in das kleine Paradies. Jedes Foto dieser Promis in den sozialen Netzwerken ist eine willkommene Werbung für die Tourismusbranche in Costa Rica, die heute direkt und indirekt für einen von fünf Arbeitsplätzen verantwortlich und eine der wichtigsten Einnahme- und Devisenquellen ist.
Foto: Picture Alliance
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Umso empfindlicher reagiert man deshalb auf Nachrichten wie jene Ende 2023, als ein deutscher Tourist bei einem Raubüberfall vor den Augen seiner Freundin erschossen wurde. Selbst der frühere Sicherheitsminister schaltete sich ein. Die Touristen kämen nach Costa Rica, weil sie wüssten, dass es sich um ein Land des Friedens handle, sagte er, und forderte mehr Sicherheit. Tatsächlich galt Costa Rica lange als sehr sicher im Vergleich zur restlichen Region. Nicht einmal eine Armee hat das Land.
Doch der Frieden ist in Gefahr. Rauschgiftschmuggler und Kartelle aus Kolumbien und Mexiko haben Costa Rica als ideales Transitland und wachsenden Absatzmarkt entdeckt. Ihre Territorialkämpfe haben zuletzt zu einem Anstieg der Gewalt geführt. So waren in den vergangenen zwei Jahren nicht nur Rekorde bei den Touristenzahlen zu verzeichnen, sondern auch bei der Mordrate. Im Jahr 2023 wurden in Costa Rica mehr als 900 Morde in einem Jahr registriert – die Rate von 17,2 pro 100.000 Einwohner war die höchste Zahl in der Geschichte. Noch ist der Tourismus nicht direkt von der steigenden Gewalt betroffen. Doch das Image vom sicheren Paradies hat schon Schaden genommen.
Tjerk Brühwiller
ITALIEN
Wir waren nie beliebt, aber wir werden gebraucht
Auf die Deutschen ist Verlass. Seit inzwischen zwei Generationen gehören sie zu den treuesten Urlaubern im Belpaese. Vieles spricht dafür, dass das so bleibt. Die Italien-Sehnsucht der Künstlerseelen des 18. und 19. Jahrhunderts ist auf die Italien-Begeisterung der Massen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts übergesprungen. Und die haben sie ihrerseits vererbt, von den Eltern auf die Kinder und auf die Kindeskinder.
Italien war sogleich das bevorzugte Urlaubsziel der Deutschen, als das Wirtschaftswunder der Fünfziger- und Sechzigerjahre die Autoreise mit dem Käfer für die Mittelstandsfamilie möglich und erschwinglich machte. Zum „Teutonengrill“ nach Rimini an der Adria, der ersten Etappe des touristischen Feldzugs der Deutschen über Alpen und Dolomiten, kam in den Jahren darauf der Gardasee hinzu. Der deutscheste See Oberitaliens ist die Destination für den Campingurlauber mit überschaubarem Budget wie auch für den Pensions- oder gar Hotelgast, der sich schon richtig etwas leisten kann.
Die nächste Etappe der Übernahme Italiens durch den deutschen Urlauber war dann die Toskana. Dort übten sich die Angehörigen der nach ihr benannten „Fraktion“ in einem mediterranen Lebensstil eleganter Gelassenheit, mit Chianti, Olivenöl (kaltgepresst! ungefiltert!) und Cantucci, den es daheim so gar nicht gibt. Da die Toskana außerdem eine Hochburg des antifaschistischen Widerstands war, wissen sich die Nachfahren der einstigen Wehrmachtssoldaten und SS-Einheiten, die Italien von September 1943 bis Mai 1945 besetzt hielten und dort schlimme Massaker an der Zivilbevölkerung anrichteten, in ihrer aktuellen Sommerfrische nachträglich auf der richtigen Seite der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Zeitlose Urlaubsetappen für den deutschen Urlauber in Italien sind zudem die Kunststädte, von Venedig und Mailand über Florenz und Pisa, Rom und Neapel bis Syrakus und Palermo.
Foto: Reuters
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Heute sind deutsche Urlauber eigentlich immer und überall in Italien zu finden, zu jeder Jahreszeit und in jeder Saison, namentlich auf Südtirols Bergen, dazu an der Adria, am Tyrrhenischen und Ionischen Meer, auf den großen und auf den kleinen Inseln. Wo und wann immer man in Italien gerade unterwegs ist, einem Camper oder einer Limousine mit deutschem Kennzeichen begegnet man stets. Fast 6,7 Millionen Deutsche haben 2024 Italien besucht und 34 Millionen Mal im Land der Zitronenblüte genächtigt. Das waren 3,5 Prozent mehr als im Vorjahr, und auch für dieses Jahr wird mit einem weiteren Zuwachs gerechnet. Im Sommer machen Deutsche fast ein Drittel aller Touristen in Italien aus. Sehr beliebt mögen die deutschen Urlauber bei den Italienern nie gewesen ein. Aber sie wurden und werden immer sehr gebraucht. Seit Jahr und Tag ist das ein gutes Rezept für ein ordentliches Miteinander. Schließlich macht der Fremdenverkehr rund 13 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung aus.
Matthias Rüb
KROATIEN
Wir sind hier Marktführer
In Kroatien sind deutsche Touristen seit Langem die unangefochtenen Marktführer. Schon zu jugoslawischen Zeiten urlaubten Deutsche gern an der kroatischen Küste, und daran hat sich nichts geändert. Der kroatische Tourismusverband verzeichnete 2023 etwa 108 Millionen Übernachtungen, von denen 23,6 Millionen auf Reisende aus Deutschland entfielen. Mit weitem Abstand folgten Slowenien (10,6 Millionen) und Österreich (8,4 Millionen). Die beliebtesten kroatischen Ziele für deutsche (und alle anderen) Touristen liegen natürlich am Meer. Die istrische Küste ist laut den Zahlen des regionalen Tourismusverbands zur Hochsaison stark deutschsprachig geprägt. Im August 2024 etwa entfiel fast die Hälfte aller Übernachtungen auf Gäste aus Deutschland (37,2 Prozent) und Österreich (10,9 Prozent).
Istrien und Dalmatien mit ihren urbanen, zur Hochsaison allerdings auch überlaufenen Attraktionen wie Pula, Rijeka, Opatija, Split oder Dubrovnik sowie Hvar und anderen Inseln stellen dabei alles in den Schatten, was Kroatien sonst noch zu bieten hat. Die Hauptstadt Zagreb etwa zieht im Sommer allenfalls Tagestouristen oder Kurzzeit-Übernachtungsgäste an. Andere kroatische Landstriche, so die östliche Region Slawonien, wo der Lauf der Donau die Grenze zu Serbien bildet, sind noch weniger frequentiert. In Slawonien, das durch den Krieg der Neunzigerjahre stark zerstört wurde, haben sich elegante Weingüter und familienfreundliche Pferdehöfe etabliert. Doch die einsamen Wanderpfade der dünn besiedelten Gegend werden von Deutschen nur recht wenig genutzt – obwohl man dort in Hotels und Restaurants viel mehr für das gleiche Geld bekommt als am Meer.
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Apropos Geld: Eine besonders preiswerte Destination ist Kroatien längst nicht mehr. Zwar sind mitunter im Netz kursierende Fotos von Rechnungen über eine Kugel Eis für sechs oder eine Pizza Margherita für 30 Euro Ausnahmen – doch wer nicht aufpasst und rechtzeitig plant, kann für Extras wie Mietwagen und Strandbarcocktails schnell viel Geld los sein. Laut Daten der Nationalbank haben die Preise im kroatischen Tourismus seit 2021 um die Hälfte zugelegt. Wichtige mediterrane Mitbewerber wie Spanien und Griechenland, bei Deutschen ebenfalls beliebt, hätten dagegen nur um 15 bis 20 Prozent aufgeschlagen. Weitere Preissteigerungen könnten jetzt kontraproduktiv auf die Gesamteinnahmen wirken, warnte unlängst die Zagreber Zeitung „Novi List“.
Einstweilen ist Kroatien aber weiterhin beliebt bei den Deutschen. Der Beitritt zum Euroraum und der Schengenzone 2023 hat dazu beigetragen. Seit auch in Kroatien in Euro gezahlt wird, muss man nicht mehr mühsam umrechnen, ob man mit dem Trinkgeld gerade den Kellner beleidigt oder eine maßgebliche Spende zum Ausbau seines Wochenendhauses geleistet hat. Und da das Land nun auch in der Schengenzone ist, fallen für Autoreisende die nervigen Warteschlangen an der slowenisch-kroatischen Grenze weg.
Blicken lassen können sich Deutsche in Kroatien ohnehin. Zwar gelten gerade viele jüngere Deutsche als knauserig beim Trinkgeld, doch sind Gäste aus Deutschland insgesamt gut angesehen an der kroatischen Adria. Vielleicht auch deshalb, weil es dort keinen systematischen Sangríaeimer-Sauftourimus gibt, die unangenehmste Spezies deutscher Reisender also gar nicht erst störend auffallen kann.
Michael Martens
TÜRKEI
Wir bleiben gern in All-Inclusive-Anlagen
Wer von Istanbul nach Frankfurt fliegt, kann einen der neueren Trends im Reiseland Türkei kaum übersehen. Im Flugzeug sitzen meist auch Männer mit Kopfverband, die sich in Istanbul einer Haartransplantation unterzogen haben. Auch andere Schönheitsoperationen sind gefragt.
Die allermeisten Deutschen kommen aber nach wie vor zum Baden. Rund 6,4 Millionen deutsche Urlauber besuchten laut dem Tourismusministerium im Jahr 2024 bis Ende November die Türkei. Nur aus Russland kamen noch mehr Gäste. Das war auch schon in den Jahren vor dem russischen Angriff auf die Ukraine so. In türkischen Yachthäfen ankern viele russische Luxusyachten, von denen manche auf EU-Sanktionslisten stehen. Russen (und Ukrainer) waren es auch, die 2023 für rasant steigende Mieten in der Küstenstadt Antalya verantwortlich gemacht wurden. Von Unmut gegen Deutsche ist, anders als auf Mallorca, dagegen nichts zu vernehmen, obwohl immerhin jeder fünfte Tourist in Antalya aus der Bundesrepublik kommt.
Deutsche genießen in der Türkei generell einen guten Ruf. Das könnte daran liegen, dass die meisten Türken Verwandte in Deutschland haben. Und auch daran, dass die Deutschen vor allem Pauschalreisen in All-Inclusive-Anlagen buchen, die sie nur für Tagesausflüge verlassen. Zum Beispiel zu berühmten Ausgrabungsstätten wie Ephesus und Pergamon. Konflikte mit Einheimischen gibt es deshalb kaum. Eher schon lästern die Türken über Deutschtürken, die auch gerne hier Urlaub machen. Gegen Massen- tourismus wird in der Türkei ohnehin nicht demonstriert. Dafür sind die Tourismuseinnahmen zu wichtig.
Foto: Picture Alliance
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Ein Grund dafür, dass die Türkei zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen gehört, waren bisher die im Vergleich zu Italien und Spanien günstigeren Preise. Aus Sicht der Türken ist das schwer nachzuvollziehen. Gerade im vergangenen Sommer war die Klage einheimischer Urlauber über die extrem starken Preisanstiege groß. Viele posteten verärgert Speisekarten von Restaurants der benachbarten griechischen Inseln mit geringeren Preisen. Wer in einer All-Inclusive- Anlage bleibt, spürt das weniger.
Mit Angeboten in der Nebensaison versucht die Türkei, verstärkt deutsche Rentner anzulocken. Mit Erfolg: Die Zahl der deutschen Urlauber ist im November 2024 laut Tourismusministerium im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gestiegen. Auch jenseits der Küsten werden nun immer mehr Kultur- und Naturstätten entwickelt. Dort sind die Deutschen aber oft in der Minderheit. Nach Kappadokien reisen viele Chinesen, die gar kein Interesse an Stränden haben. An der Schwarzmeerküste mit ihren malerischen Teehügeln sind es vor allem Araber, zum Verdruss der Bewohner, die über vollverschleierte Frauen klagen. Auch an den Vansee, die Hochburg iranischer Partytouristen, verirrt sich kaum ein Deutscher. Nur in Istanbul treffen sie sich alle.
Friederike Böge
THAILAND
Wir sind gar nicht so unbeliebt
Beim Thema deutsche Urlauber in Thailand dürften die meisten zunächst an Sextourismus denken. Doch das südostasiatische Ferienziel ist auch bei mitteleuropäischen Backpackern, Pauschalreisenden und Luxustouristen sehr beliebt. Nach den von der thailändischen Tourismusbehörde gesteckten Zielen könnte die Zahl der deutschen Touristen im vergangenen Jahr zum ersten Mal fast eine Million erreicht haben. Damit sind die Deutschen mitnichten die größte Besuchergruppe. Denn die meisten Touristen kommen aus asiatischen Ländern wie China, Malaysia und Indien. Aber in der von Auswanderern geprägten Stadt Pattaya, dem Expat- und Urlauberdomizil Phuket und auf der idyllischen Ferieninsel Koh Samui sind die Deutschen oft nicht zu übersehen. Dort werden sie häufig von Einheimischen mit einem freundlichen „Guten Tag!“ und „Wie geht es dir?“ empfangen. Sie können in „Torti’s Biergarten“, „Helmut’s Schlusslicht“ und dem „German Beerhouse“ Jägerschnitzel mit Pommes essen.
Natürlich erfüllen manche Teutonen in Thailand die Klischees: Sie führen Bierbäuche und Socken in Sandalen am Strand spazieren, und sie reservieren ihre Liegen in den Morgenstunden mit Badehandtüchern. Doch sind die Deutschen – und ihre Heimat – in Thailand gar nicht so unbeliebt. Und das nicht nur, weil die wohlhabenden Deutschen als „wandelnde Bankautomaten“ gelten. Es gibt in Thailand auch ein gewisses Interesse an der deutschen Kultur und Sprache. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der thailändische Monarch Maha Vajiralongkorn jahrelang mehr Zeit in Bayern verbracht hatte als in seinem Königreich, sei es im Kempinski-Hotel am Münchner Flughafen, seiner Villa in Tutzing oder im Grand Hotel Sonnenbichl in Garmisch-Partenkirchen. Was den König betrifft, muss man in Thailand allerdings vorsichtig sein, denn dort gilt eines der strengsten Gesetze zur Majestätsbeleidigung der Welt.
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Auch deutsche Touristen benehmen sich allerdings nicht immer so, wie es sich in der toleranten, aber im Kern konservativen thailändischen Gesellschaft geziemt. Kürzlich berichtete die thailändische Presse über eine 23 Jahre alte Rucksacktouristin aus der Bundesrepublik Deutschland, die sich auf der Ferieninsel Koh Phi Phi mit ihrer australischen Freundin dermaßen betrunken hatte, dass ein Polizist die beiden fast bewusstlosen Frauen in einem Lastenkarren in ihr Hotel zurückrollen musste. In jüngerer Zeit waren es aber weniger die Deutschen, die in Thailand in Verruf geraten sind, sondern die Bürger eines kleinen Nachbarlands. Landesweit Schlagzeilen machte der Betreiber einer Elefantenauffangstation, der eine Thailänderin beschimpft und in den Rücken getreten hatte, weil sie auf einer Betontreppe am Rand seines Grundstücks saß. Der Mann, dessen Verhalten sogar Demonstrationen nach sich gezogen hatte, war Schweizer.
Till Fähnders
SPANIEN
Wir bereiten ihnen einen Rekordsommer
Die Proteste haben nicht abgeschreckt. Deutsche Urlauber halten Spanien die Treue. Auf Mallorca erwarten deutsche Reiseveranstalter 2025 einen Rekordsommer. Dabei hatten auf der deutschen Lieblingsinsel Zehntausende Einheimische auf zwei Großdemonstrationen in Palma gefordert, dem Massentourismus endlich Grenzen zu setzen. Ihr Slogan lautete: „Menys turisme, més vida“ (Weniger Tourismus, mehr Leben). Den Anfang machten 2024 die Kanaren, wohin es im Winterhalbjahr die meisten Deutschen zieht. Auch in Málaga, Barcelona, Alicante und San Sebastián gingen Einwohner auf die Straße, die sich von den Touristen überrollt fühlen. Sie wollen auch 2025 weiter protestieren, denn weder steigende Preise noch Wasserknappheit und Hitzewellen bremsen den Zustrom.
Spanien ist dabei, Frankreich als beliebtestes Urlaubsziel in Europa zu überholen. Insgesamt etwa 94 Millionen ausländische Gäste seien ins Land gekommen, teilte das Tourismusministerium nach einer ersten Schätzung mit – gut zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Bald kommen auf einen Spanier zwei ausländische Touristen. Auf den Balearen war der Rekord des Vorjahrs schon im Oktober 2024 überschritten. Mehr als 18 Millionen Urlauber zählte man auf Mallorca und den Nachbarinseln. Das waren 200.000 mehr als die Gesamtzahl 2023. Unter ihnen stellen die Deutschen auf den Mittelmeerinseln traditionell die größte Gruppe. In ganz Spanien waren sie 2024 mit mehr als elf Millionen und einem Zuwachs von gut acht Prozent die Nummer drei. Den Spitzenplatz nehmen seit Jahren die Briten (knapp 18 Millionen) ein, darauf folgen die Nachbarn aus Frankreich (mehr als zwölf Millionen).
Deutsche mögen besonders die spanischen Inseln. Nach den Balearen sind die Kanaren im Atlantik das zweitbeliebteste Reiseziel. Dann folgen auf dem Festland Andalusien, Katalonien und Valencia. In Spanien haben sich auch mehr als 100.000 Deutsche niedergelassen oder haben Ferienwohnungen gekauft. Doch mit dieser wohlhabenderen Konkurrenz aus dem Ausland kann die örtliche Bevölkerung nicht mehr mithalten.
Foto: Picture Alliance
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Das lässt sich besonders gut auf den Balearen und Kanaren beobachten. Für spanische Normalverdiener gibt es dort keinen bezahlbaren Wohnraum mehr. Das liegt aber auch an der jahrelangen Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus und besonders an den Apartments, die über Plattformen wie Airbnb vermietet werden. Insgesamt mehr als 350.000 Ferienwohnungen zählt das spanische Statistikamt; in Wirklichkeit sind es noch mehr, denn viele Vermieter haben keine Lizenz. Gleichzeitig fehlen im ganzen Land mehr als 600.000 Wohnungen für Einheimische.
„Wohnen ist ein Recht, kein Luxus“ lautete deshalb ein Slogan der Demonstranten in Palma. Die Inseln, die die Deutschen am meisten lieben, werden für Zimmermädchen, Kellner und Krankenschwestern unerschwinglich. Die Ersten von ihnen ziehen schon von den teuren Balearen auf das günstigere spanische Festland. Ärzte und Polizisten wollen nicht mehr auf Mallorca, Menorca und Ibiza arbeiten, obwohl sie dort dringend gebraucht werden. Auf den spanischen Inseln ist man sich einig, dass es so nicht weitergehen kann. Aber das blieb bisher ohne Folgen.
Hans-Christian Rößler