Woher die Ukraine Geld zum Überleben bekommt | ABC-Z
Es dauerte lange, bis die militärische Hilfe für die Ukraine aus Deutschland anlief. Mittlerweile erfolgen Lieferungen von Waffen, Munition und Ausrüstung aus Beständen der Bundeswehr und der Industrie in erheblichem Umfang. Gleichwohl ist es nicht gelungen, den russischen Vormarsch zu stoppen. Deutschland hat sich im Rahmen der Helferallianz in Ramstein besonders der Luftverteidigung verpflichtet, denn russische Drohnen, Marschflugkörper und Bomben zerstören in großem Umfang die kritische Infrastruktur des Landes.
Deutschland trägt vor allem mit drei Waffensystemen zur Verteidigung der Städte und dem Schutz der Infrastruktur bei: dem Flugabwehrpanzer Gepard, dem Raketenabwehrsystem Iris-T und mehreren Patriot-Einheiten, die Flugkörper in großer Höhe abfangen können. Bei allen Systemen ist der Verschleiß erheblich und der Munitionsbedarf enorm. Ob sich daran in nächster Zeit etwas ändern könnte, etwa durch den Präsidentenwechsel in den Vereinigten Staaten, ist ungewiss.
Unterstützer der Ukraine in der Bundesregierung und im Bundestag drängen daher darauf, dem Land auch perspektivisch Lieferungen von Waffen und Nachschub zu finanzieren. In der Debatte wird immer wieder auf 50-Milliarden-Töpfe verwiesen – davon gibt es zwei, doch kommt nur einer überhaupt für Waffenkäufe in Frage.
Der Streit um das deutsche Drei-Milliarden-Euro-Paket
Zudem haben Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich für ein weiteres Paket in Höhe von drei Milliarden Euro des Bundestages starkgemacht, das der Haushaltsausschuss nach ihrer Auffassung auch ohne einen vorliegenden Bundeshaushalt 2025 beschließen könnte. Andere, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), sehen dafür nur dann die Möglichkeit, wenn die Schuldenbremse ausgesetzt wird oder es zu Kürzungen bei Renten und der Finanzierung für Kommunen kommt. Nach Darstellung des Landesgruppenvorsitzenden der CSU, Alexander Dobrindt, ist die Ukraine „nicht dringend“ auf diese Mittel angewiesen.
Tatsächlich gibt es andere Finanzierungsmöglichkeiten, die aus Sicht der Verteidiger zusätzlich kommen müssen. Zudem existiert zwischen der Ukraine und Berlin ein gängiges Verfahren, um Kiew die Bestellung, Lieferung und Bezahlung hochwertiger Rüstungsgüter zu ermöglichen. Sofern das notwendige Geld vorhanden ist, kann die Ukraine direkt etwa Flugkörper für Iris-T bestellen. Der deutsche Hersteller, die Firma Diehl Defence, liefert dann quasi direkt aus der Produktion, die Rechnung geht nach Berlin.
Was im Einzelnen benötigt wird, prüft gegebenenfalls der Ukraine-Stab im Verteidigungsministerium; mit den Angelegenheiten befasste Abgeordnete werden unter Geheimhaltung unterrichtet. Deutschland kann damit einen direkten Beitrag zu der von Scholz und anderen versprochenen Hilfe leisten. Pistorius hatte erst in der vergangenen Woche bei einem Besuch in Kiew weitere Hilfe zugesagt und abgestritten, dass es bei dem Drei-Milliarden-Euro-Paket eine Blockade gebe.
Worum handelt es sich beim G-7-Darlehen?
Von dem Darlehen der G-7-Staaten kann Kiew tatsächlich Waffen beschaffen, allerdings unterliegen die insgesamt 50 Milliarden Dollar für das laufende Jahr unterschiedlichen Auflagen. So darf der 20-Milliarden-Anteil der USA nur für Wirtschafts- und Budgethilfe verwendet werden. Ursprünglich sollte die Hälfte davon für Militärhilfe reserviert sein, doch gelang es der Regierung von Joe Biden nicht mehr, dafür die nötige Zustimmung im Kongress zu gewinnen. Die Kreditsumme wurde vom US-Finanzministerium an die Weltbank übertragen, die auch Kreditgarantien von Japan und dem Vereinigten Königreich bekam und die erste Rate von zwei Milliarden Dollar im Dezember freigab – für zivile Zwecke.
Der EU-Anteil von ebenfalls 20 Milliarden Dollar kann dagegen auch für Waffen verwendet werden. Er soll der Ukraine, wie es in der Begründung der entsprechenden Verordnung heißt, „finanziellen Spielraum verschaffen, damit sie bei ihren Ausgabeentscheidungen den dringendsten Bedarf berücksichtigen kann, darunter die Wiederherstellungs- und Wiederaufbaumaßnahmen sowie Selbstverteidigung gegen Russland“. Das schließt ausdrücklich „den Wiederaufbau und die Modernisierung der Verteidigungsindustrie der Ukraine“ ein.
Selenskyj: Geld für Waffen, die in der Ukraine produziert werden
Als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die europäische Zusage im September in Kiew enthüllte, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, er wolle das Geld zum einen für die Energieinfrastruktur und den Zivilschutz aufwenden, zum anderen für „Waffen, die in der Ukraine hergestellt werden“. So seien die selbst entwickelten Drohnen günstiger als die Modelle der Partner. Man werde aber auch Luftverteidigungssysteme im Ausland beschaffen, fügte er hinzu, weil man darauf dringend angewiesen sei. Anfang Januar hat die EU die ersten drei Milliarden Euro freigegeben. Im Prinzip könnte Kiew damit bei Diehl einkaufen gehen. Allerdings ist das die Entscheidung Selenskyjs und seiner Berater.
Die Zinsen und Tilgungsraten des 50-Milliarden-Dollar-Kredits werden aus den Zinseinkünften bezahlt, die auf russische Vermögenswerte anfallen, die nach dem Überfall auf die Ukraine in den G-7-Staaten eingefroren wurden. Das Gros davon liegt mit 210 Milliarden Euro in der EU, und zwar beim belgischen Zentralverwahrer Euroclear. Die jährlichen Zinsen betragen bis zu drei Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr flossen die Erträge direkt Kiew zu und wurden zu 90 Prozent für Waffen verwendet. Etwa ein Drittel der Summe kam direkt der ukrainischen Verteidigungsindustrie zugute.
Neben dem 50-Milliarden-Dollar-Kredit der G 7 gibt es noch eine 50 Milliarden Euro schwere Ukraine-Fazilität der EU. Sie besteht zu einem Drittel aus Zuschüssen und zu zwei Dritteln aus Krediten. Von diesem Geld darf Kiew jedoch keine Waffen kaufen. Vielmehr dient das Geld dazu, Gehälter und Pensionen zu bezahlen, Schäden in der Infrastruktur zu reparieren und den Wiederaufbau anzuschieben. Im Gegenzug hat sich Kiew mit Brüssel auf Reformziele verständigt. Diese Makrofinanzhilfe, deren Auszahlung im vergangenen Jahr begann, läuft bis 2027.