Wofür der Nachfolger von Xabi Alonso steht | ABC-Z

Bis zurück in seine Kindheit ging Erik ten Hag, um seine Verbundenheit mit der Bundesliga zu illustrieren, in der er seit Montagnachmittag endlich angekommen ist. „Ich kenne auch das ‚Guten Abend allerseits‘“, sagte der neue Trainer von Bayer Leverkusen in Anspielung auf das legendäre Begrüßungsritual des Sportschau-Moderators Heribert Faßbender aus den 1980er-Jahren.
Der 55 Jahre alte Niederländer wird Nachfolger des Meistertrainers Xabi Alonso, spricht fließend Deutsch und war schon 2021 Wunschtrainer von Bayer-Geschäftsführer Simon Rolfes, der erklärte: „Erik lässt dominanten, technischen Fußball spielen. Das passt sehr gut damit zusammen, dass er Talente auf ein Toplevel entwickeln kann.“
Ursprünglich bemühten sich die Leverkusener in diesem Sommer auch um den Spanier Cesc Fabregas, der dem Vernehmen nach sogar als Ideallösung für die Nachfolge Alonsos galt. Fabregas war interessiert, besitzt aber Anteile an seinem derzeitigen Klub Como 1907, mit dem er im vergangenen Jahr in die italienische Serie aufgestiegen ist.
Für eine Trennung hätte er sich – wie berichtet wird – mit seinen in Indonesien ansässigen Miteigentümern überwerfen müssen, was er nicht wollte. Also rutschte ten Hag in die Pole Position. Fortan gehört er mit Rinus Michels und Peter Bosz in die kleine Reihe von niederländischen Trainern beim Werksklub.
„Gemeinsam etwas aufbauen“
Seine erste Aufgabe des Sommers wird nun darin bestehen, „in dieser Phase des Umbruchs gemeinsam etwas aufzubauen“, sagte er. Während die Werkself in den vergangenen zweieinhalb Jahren zumeist mit einer Dreierkette spielte, hat ten Hag bisher immer Viererkettensysteme bevorzugt. Außerdem eilt ihm der Ruf eines eher strengen Fußball-Lehrers voraus, während Alonso vielen Spielern in der Alltagskommunikation zumeist auf Augenhöhe begegnete.
Der 55 Jahre alte Niederländer hat bereits zwischen 2012 und 2015 in Deutschland gearbeitet, als er für die zweite Mannschaft des FC Bayern in der Regionalliga zuständig war. Über den FC Utrecht gelangte er 2017 zu Ajax Amsterdam, wo er 2019 mit dieser faszinierenden Mannschaft um Frenkie de Jong, Matijs de Ligt, Noussair Mazraoui und Hakim Ziyech das Halbfinale der Champions League erreichte.
Insgesamt gewann er sechs Titel mit dem niederländischen Traditionsverein, was Rolfes als „außergewöhnlich“ lobte. In jenen Jahren, als Ajax in der Tradition des „voetbal total“ mit viel Ballbesitz und einer hohen Flexibilität Begeisterung hervorrief, wurde ten Hag zu einem Trainer, der auch für die größten Klubs interessant ist. Anders als ten Hags Jahre in England ist jene Zeit die Referenz für Bayer 04.
2022 wechselte ten Hag zu Manchester United. Mit dem Team erreichte er zwar 2023 den dritten Platz in der Premier League, aber ständig mit den Unwuchten im Kader, mit den Launen der Klubbesitzer und der schlechten Stimmung im Klub zu kämpfen hatte. Unter diesen Umständen traf er auch Entscheidungen, die ihm als Fehler ausgelegt wurden.
Sucht nicht immer Wege der Nachsicht
Im vergangenen Herbst wurde er nach dem schlechtesten Saisonstart von Manchester United seit 35 Jahren entlassen. Ten Hag ist ein Typ, in dessen Umfeld in der Vergangenheit öfter Konflikte entstanden sind als in den von großer Harmonie geprägten Alonso-Jahren in Leverkusen. Der Niederländer ist ein Mann, der nicht immer Wege der Vermittlung und der Nachsicht sucht. Er kann auch autoritär sein.
Insofern ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass das Leverkusener Team an etlichen zentralen Stellen umgebaut wird. Jeremie Frimpong und so gut wie sicher auch Florian Wirtz wechseln zum FC Liverpool. Jonathan Tah geht zum FC Bayern, Alejandro Grimaldo soll den Wunsch nach einer Rückkehr nach Spanien hegen, auch ein neuer Stammtorhüter wird derzeit gesucht. Und Victor Boniface sollte bereits im Winter verkauft werden, was im letzten Moment scheiterte.
Weil aber allein durch den Verkauf von Wirtz und Frimpong Einnahmen zwischen 170 und 180 Millionen Euro erwartet werden, sind die Spielräume für die Weiterentwicklung des Teams groß. „Ich bin nach Leverkusen gekommen, um die in den vergangenen Jahren gewachsenen Ambitionen zu bestätigen“, sagte ten Hag, der Alonsos Werk fortführen möchte: „Der Verein hat den Umschlag gemacht, eine Siegerkultur geschaffen“, und diese Kraft sei unabhängig von Alonso auch weiterhin spürbar.
Allerdings hat ten Hag in Manchester, wo er ein gewichtiges Wort bei den Transfers mitreden durfte, kein besonders glückliches Händchen beim Entwickeln seines Teams gehabt. In den knapp zweieinhalb Jahren unter dem Niederländer investierten die Engländer rund 750 Millionen Euro in neue Spieler, hatten aber immer weniger Erfolg.
Rolfes verbreitete dennoch zunächst einmal Zuversicht. „Unsere Vorstellungen von Fußball decken sich“, erklärte der Sportchef. „Mit technisch anspruchsvollem und dominantem Fußball wollen wir auch künftig im Werkself-Stil agieren und in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League höchste Ziele anstreben.“
Interessant war am Rande der Vorstellung des neuen Trainers bei Bayer 04 im Übrigen auch der Umgang mit dem Wechsel von Jonathan Tah zum FC Bayern, der am 1. Juli ablösefrei vollzogen werden könnte. Weil die Bayern gerne schon bei der Mitte Juni beginnenden Klub-WM mit dem Verteidiger antreten möchten, wird nun doch eine Zahlung fällig, die die Leverkusener mit einer recht klaren Haltung aushandeln.