Britische Band begeistert die Fans in Berlin | ABC-Z

Am Ende des Radiohead-Konzerts am Montagabend verwandelt der Chor der 17.000 in der Uber Arena die Refrainzeile von „Karma Police“ von einer Drohung in eine feierliche Verheißung: „This is what you get/ when you mess with us“ singen die Fans gemeinsam mit Thom Yorke. Frei übersetzt: Das hast du davon, wenn du dich mit uns anlegst! Und weiter:
„Karma Police“, der letzte von 25 Songs, ist der emotionale Höhepunkt der gut zweistündigen Show – einer Show, der die Fans der britischen Band monatelang entgegengefiebert haben, seit die Comeback-Tour Anfang September angekündigt wurde. Dem folgte eine komplexe (manche sagen: chaotische) mehrstufige Eintrittskarten-Lotterie für die 20 Auftritte in fünf europäischen Städten.
68.000 Fans sehen Radiohead an vier Abenden in der Uber-Arena
In Berlin werden noch bis Freitag 68.000 Zuschauer an vier Abenden dabei sein, und danach allen, die beim Run auf die Eintrittskarten kein Glück hatten, eine lange Nase drehen: Leute, da habt ihr was verpasst! Auch visusell setzen Radiohead mit dieser Tournee Maßstäbe: Die kreisrunde Bühne in der Hallenmitte lässt auf den ersten Blick an einen beinahe blickdichten „Ultimate Fighting“-Käfig denken, doch mit Beginn der Show um halb Neun mutiert der zu einem spektakulären magischen Würfel.
Die etwa ein Dutzend Wandelemente lassen sich einzeln ansteuern und hoch- und runterfahren. Darauf werden grobkörnige, teils verfremdete Close-ups der sechs Musiker projiziert, zwischendurch verschwimmen die Aufnahmen, als wären die Kameras kaputt.
Weil die Kameras um die Bühne herum rotieren, werden die Zuschauer schwindlig gespielt, es entsteht der Eindruck, die Bühne selbst wäre in Bewegung. Den ersten Song „Planet Telex“ performen Radiohead noch komplett hinter der virtuellen Wand, die sich während des zweiten Songs „2+2=5“ zum Zuschauerraum hin öffnet.
Radiohead nutzen die Bühne in der Hallemitte optimal – beste Sicht von allen Plätzen
Die beiden Drummer (Phil Selway und Chris Vatalaro) sitzen sich in der Bühnenmitte gegenüber, während Thom Yorke, die Brüder Jonny und Colin Greenwood sowie Ed O‘Brien im Laufe das Abends immer wieder die Plätze und Instrumente tauschen. Das sorgt dafür, dass alle Zuschauer Yorke auch mal von vorne sehen. Es gibt bei diesem Bühnenaufbau keine „schlechten“ Plätze.
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Eine Augenweide ist auch der Maschinenpark, mit dem Radiohead das eher kleine Bühnenrund vollgestellt haben, große und kleine Sequencer und Keyboards, moderne Instrumente und museale. Bei „National Anthem“ setzt Jonny Greenwood sogar einen fiependen Kurzwellenempfänger ein.
Die runde Bühne in der Hallenmitte bot spektakuläre Visuals – hier ein Schnappschuss aus dem Oberrang.
© Thorsten Keller | Thorsten Keller
„Creep“ mögen Radiohead nicht mehr, die Krautrock-Experimente von „Kid A“ schon
Radiohead, die in den frühen neunziger Jahren als Gitarrenband angefangen haben, verleugnen diese Ursprünge nicht, der Zugabenblick startet mit „Fake Plastic Trees“ vom zweiten Album „The Bends“, auch bei „Paranoid Android“ lassen sie es ordentlich krachen. Nur ihren ersten Single-Hit „Creep“, diese Hymne der unverstandenen Eckensteher, mögen sie live nicht mehr spielen, den überlassen sie den Straßenmusikern kampflos.
Dass die Band um die Jahrtsausendwende eine Zeitang überhaupt keine Lust mehr auf Gitarren hatte, und mit „Kid A“ in Elektronik- und Krautrock-Welten abdriftete, erscheint in dieser Berliner Werkschau wie ein geradezu zwangsläufiger Move. „Everything in its Right Place“, der eindruckvollste Track aus dieser Phase, ist hervorragend gealtert.
Jonny Greenwood loopt und zerhackt Thom Yorkes Stimme dabei eindrucksvoll in Echtzeit. Auch „Idiotheque“ ist ein Techno-Gewitter, das keine Gitarren braucht, und Yorkes Stimme, diesen Ein-Mann-Kirchenchor, gepflegt durch den Schredder schickt. Der Sänger nutzt den Song für raumgreifende Tanzschritte, und schüttelt sein schütteres Haar. Dass er vor einer Woche in Kopenhagen zu krank war, um aufzutreten, ist ihm in Berlin nicht anzumerken.
















