Gesundheit

Wo Kuscheltiere Kindern den Arztbesuch erleichtern |ABC-Z

Rund zwanzig Medizinstudenten in weißen Kitteln und mit Mundschutz eilen in Richtung Behandlungsraum. Die kleine Lilly hat sich ein Bein gebrochen – sie kann nicht mehr laufen. „Das Auge ist auch ausgefallen“, berichtet die sechs Jahre alte Mira. Sie begleitet Lilly, ihre beste Stofftierfreundin. „Was ist denn genau passiert?“, fragt Nicole Riske, Medizinstudentin im städtischen Klinikum in Darmstadt, während sie sich zu Mira hinunterbeugt. „Ich hab nicht aufgepasst, und dann ist Lilly vom Baum gefallen“, antwortet Mira leise und besorgt. Lilly selbst bleibt stumm – denn sie ist ein rosafarbener Teddybär.

Mira ist eines von acht Vorschulkindern der Darmstädter Kita Rasp Nuri, die das „Teddykrankenhaus“ besuchen. Dort werden Stofftiere behandelt, um Kindern die Angst vor Ärzten und Krankenhäusern zu nehmen. In einem großen, hellen Raum, unterteilt durch Stellwände, beginnt die Behandlung, die so realistisch wie möglich nachgestellt wird. Es gibt mehrere Untersuchungsstationen, eine Röntgenabteilung, einen kleinen Operationssaal und sogar eine Miniapotheke – das alles zusammen wirkt wie ein echtes Krankenhaus, nur im Kleinformat.

Das Besondere sind die Patienten: ein Wal mit Bauchschmerzen, ein Bär mit einem gebrochenen Bein und ein Dinosaurier, dem der Kopf wehtut. Überall wuseln Kinder mit ihren Kuscheltieren umher, jedes mit einer eigenen Geschichte und Diagnose. Drei Tage lang spielen Medizinstudenten, die sich in ihrem praktischen Jahr befinden, die Rolle der „Teddydoktoren“.

Hohe Nachfrage zur spielerischen Arztsimulation

Spielerisch und einfühlsam, in der Begegnung auf Augenhöhe, wollen sie Kindern die Angst vor Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten nehmen, wie Bettina Brandt, Koordinatorin des ärztlichen Studiums, erläutert, die das Projekt mitorganisiert. „Das Besondere ist, dass die Kinder nicht selbst Patienten sind, sondern als Begleitpersonen ihres Stofftieres das Ganze durchlaufen und kennenlernen“, sagt Brandt. Nach ihren Worten wird die Veranstaltung, die in ähnlicher Form in vielen Kliniken angeboten wird, sehr gut angenommen, die Anmeldelisten sind voll, die Tendenz steigend.

Während die Erzieher draußen warten, begeben sich die Kinder allein auf die Reise durch das Teddykrankenhaus. Der Ablauf ähnelt einem echten Arztbesuch, nur eben kindgerecht. Los geht es im Wartezimmer, das als Malstation gestaltet ist. Von dort werden die kleinen Patienten in Behandlungszimmer geführt, wo sie in einer Eins-zu-eins-Betreuung von einem Studenten versorgt werden.

Die Diagnostik: Mit einem Scanner angefertigte „Röntgenbilder“Stefan Nieland

Im Aufnahmegespräch schildern die Kinder, was ihren Stofftieren fehlt. Dann beginnt die Untersuchung. Gewicht und Größe werden erfasst, der Herzschlag abgehört, Fieber gemessen. Dabei kommen echte Stethoskope und Spritzen zum Einsatz. Die Kinder dürfen an jeder Station selbst mithelfen. „Dadurch, dass wir echte Instrumente verwenden, wirkt alles sehr real“, sagt Medizinstudentin Riske. „Das kommt bei den Kindern an.“ Je nach Diagnose bekommen die Patienten sogar ein Rezept, das in der hauseigenen Apotheke eingelöst werden kann. Dort überreicht eine Pharmaziestudentin die Medikamente.

Bei Verletzungen, zum Beispiel beim Verdacht auf einen Knochenbruch, geht es zur Röntgenstation. Dort machen gebastelte Schablonen die Verletzungen sichtbar. „Lilly hat sich tatsächlich ein Bein gebrochen“, sagt Riske und zeigt Mira das Röntgenbild, auf dem ein klarer Bruch zu erkennen ist.

„Manche Kinder erzählen noch Wochen später davon“

Gleich nebenan befindet sich der Operationssaal. Dort dürfen die Kinder bei einer Operation am großen Stoffbären Fridolin assistieren, der zu viele Wattepads verschluckt hat. So helfen acht kleine Hände bei dem Eingriff, während eine Medizinstudentin Schritt für Schritt erklärt, was zu tun ist.

„Am Anfang sind die Kinder oft noch schüchtern und zurückhaltend. Doch sobald sie ihren Kittel anhaben, werden sie viel offener und erzählen von sich aus“, sagt Eileen Dittmar, die das Projekt unterstützt. Das bestätigt Christian Müller, Leiter der Kita-Gruppe Rasp Nuri: „Ich war letztes Jahr schon hier. Die Teddyklinik ist ein echtes Highlight“, sagt der Erzieher. „Manche Kinder erzählen noch Wochen später davon.“

Die Aktion hat nicht nur eine positive Wirkung auf die Kinder, sondern ist auch bei den Mitarbeitern beliebt. Vor allem schafft sie Verbindungen. „Seit diesem Jahr kooperieren wir erstmals mit den Pharmaziestudenten, die sich ebenfalls im praktischen Jahr befinden“, erzählt Brandt. Das bringe Studenten der verschiedenen Fachrichtungen zusammen.

Das Teddykrankenhaus hat längst Wellen im gesamten Klinikum geschlagen. Wie sehr, zeigt sich am Ende eines Behandlungstages: Plötzlich tritt ein Mann an Brandt heran und sagt: „Im Parkhaus liegt ein Teddy!“ Drei Tage lang Teddyklinik – und plötzlich ist das ganze Krankenhaus involviert.

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