Wo Essen viel mehr kostet | ABC-Z
Wer von Deutschland nach Österreich zieht, merkt schnell Unterschiede in den Lebenshaltungskosten. Deutlich teurer kommt der Einkauf im Supermarkt. Eine vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) veröffentlichte Untersuchung zeigt Preisunterschiede von typischerweise bis zu 20 Prozent. Der VKI macht dafür die Marktkonzentration verantwortlich. Die vier größten Ketten teilen sich 95 Prozent des Marktes auf. Gleichzeitig gibt es in keinem anderen EU-Land eine so hohe Filialdichte.
Je nach Händler ist Österreich im Vergleich zu Deutschland im Durchschnitt um 15 bis 20 Prozent teurer. Besonders große Preisunterschiede stellten die Verbraucherschützer bei Milchprodukten fest. Naturjoghurt kostet im Billigsegment, aber auch in der Kategorie Bio, teilweise um 50 bis 70 Prozent mehr. Dabei spielt es keine Rolle, ob im Diskonter oder Supermarkt eingekauft wird. Biobutter kostet in Österreich zwar drei Prozent weniger als in Deutschland, Billigbutter aber 17 Prozent mehr. Ein Liter Vollmilch schlägt mit einem 20 bis 30 Prozent höheren Preis zu Buche.
Überdurchschnittlich ist zum Beispiel auch der Unterschied bei Teigwaren: Die Preiseinstiegsware kostet zum Teil 25 Prozent mehr als in Deutschland. In Italien ist Pasta im Durchschnitt im Vergleich zu Österreich um die Hälfte günstiger. Zu Italien konnte der VKI aber keine generelle Aussage treffen. Die Marktüberschneidung des österreichischen und italienischen Marktes sei zu gering, und es gebe zu wenig vergleichbare Produkte.
Hohe Marktkonzentration hierzulande
Für diese Analyse erhob der VKI im November die Preise von rund 200 Artikeln in Supermärkten im österreichischen, deutschen und italienischen Grenzgebiet. Die Preise verglichen die Verbraucherschützer einerseits in den jeweiligen Produktsegmenten miteinander, andererseits mit ähnlich sortierten Händlern. Lidl Österreich verglichen sie mit Lidl Deutschland, Hofer mit Aldi Süd , Spar mit Globus und Billa+ mit Edeka.
VKI sieht den Grund für die höheren Preise weniger in den Personalkosten, der Filialdichte, der Topographie oder dem Bio-Anteil, sondern in der hohen Marktkonzentration hierzulande. Diese sei zwangsläufig mit höheren Preisen verbunden. Je weniger Wettbewerb, desto höher das Preisniveau. Die Konsumentenschützer drängen auf mehr Transparenz. Würde der Handel Preisdaten an eine unabhängige Stelle melden, könnten eine Transparenzdatenbank und Apps dabei helfen, fairere Preise zu erreichen.
Eine hohe Filialdichte kann auch potentielle Mitbewerber abhalten, den Markt zu bearbeiten, und damit eine Folge der hohen Marktkonzentration sein. Nach Daten der Hagelversicherung führt Österreich mit 60 Supermärkten je 100.000 Einwohner das EU-Ranking an. In Deutschland kommen 40 Supermärkte auf 100.000 Einwohner, in Italien und Frankreich nur 28. Supermärkte am Stadtrand mit ihren Parkplätzen sind auch einer der Gründe für den hohen Flächenverbrauch in Österreich. Der Bodenverbrauch des Handels hat allerdings nicht nur Folgen für die Natur, er treibt auch die Kosten in die Höhe.
Handelsverband bezeichnete die Analyse als unseriös
Kritisch kommentierte der Handelsverband die Preisvergleiche. Die Interessensvertretung bezeichnete die Analyse als unseriös, da unter anderem Rabattaktionen, unterschiedliche Steuerniveaus in Österreich und Deutschland sowie der Bio-Anteil in den Supermärkten nicht berücksichtigt worden seien. Auch auf unterschiedliche Qualitäten müsste bei solchen Vergleichen verstärkt Rücksicht genommen werden, beanstandete der Verband. Studien, die signifikante Preisunterschiede zwischen den beiden Ländern feststellen, beziehen sich stets auf internationale Markenartikel. Diesbezüglich kritisiert die Bundeswettbewerbsbehörde BWB den „Österreich-Aufschlag“ internationaler Hersteller, die dem Lebensmittelhandel in Österreich systematisch höhere Preise verrechnen als etwa in Deutschland.
Diese Diskriminierung macht nach Angaben der Wettbewerbshüter einen Großteil des Preisgefälles aus. Weitere Einflussfaktoren seien Skalierungseffekte aufgrund der unterschiedlichen Größe der Länder, verschiedene Steuerniveaus, der Bio-Anteil des Produktsortiments sowie längere Verkehrswege aufgrund der unterschiedlichen Topographie. Darüber hinaus verwies der Handelsverband auf einen Lebensmittelbericht der BWB vom vergangenen Jahr, aus dem eindeutig hervorgehe, dass der Wettbewerb im Lebensmittelhandel in Österreich funktioniere.
Während der Corona-Pandemie stark gestiegene Lebensmittelpreise haben nach dieser Untersuchung nicht zu einem merkbaren Gewinnmargen-Plus bei Supermarktketten geführt. Die Handelsspannen seien vom zweiten Halbjahr 2022 bis zum zweiten Halbjahr 2023 nicht systematisch angestiegen. Auch in der Landwirtschaft und bei Lebensmittelherstellern sahen die Wettbewerbshüter im langjährigen Vergleich keinen auffälligen Anstieg der Gewinnmargen. Auch die Wirtschaftskammer (WKÖ) hält den Vergleich des VKI nicht für stichhaltig und führt unter anderem die Unterschiede bei den Energiepreisen, den Löhnen, den Einkaufspreisen für die Händler sowie bei der Qualität und Regionalität der Waren als Gründe an.
Einer Analyse des gewerkschafts- und arbeiterkammernahen Momentum Instituts zufolge ist das Leben in Österreich in den vergangenen fünf Jahren deutlich teurer geworden. Per Ende 2024 wurden 458 Euro im Monat mehr als zum Jahresende 2019 benötigt, um den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Davon entfielen 66 Euro auf Lebensmittel.
In Österreich war die Teuerung in den zurückliegenden Jahren höher im Vergleich zum Euroraum und im Vergleich zu Deutschland deutlich höher. Nach den rekordartigen Inflationsjahren 2022 und 2023 mit 8,6 Prozent und 7,8 Prozent dürfte die Teuerung 2024 mit rund drei Prozent deutlich niedriger ausfallen. Anfang 2025 ist aber mit einem deutlichen Anstieg der Energiepreise zu rechnen, weil eine Strompreisbremse ausläuft, die Energieabgaben für Strom und Erdgas wieder auf ihr Normalniveau zurückgeführt werden und die Ökostromförderbeiträge wieder in Kraft treten. Außerdem steigen die Netzentgelte und der CO₂-Preis.
Von politischer Seite wurde in den zurückliegenden Jahren mit umstrittenen Ausgaben nach dem Gießkannenprinzip die Teuerung eher befeuert als eingedämmt. Davon profitierte die Rechts-außen-Bewegung FPÖ bei der Parlamentswahl im September als großer Wahlgewinner. Diese politische Kraft dürfte nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos den Kanzler unter Herbert Kickl stellen. Für Kickl ist der Inflationsabstand zu anderen Euroländern der in Zahlen gegossene Beweis dafür, dass die extreme Kostenlawine durch eine völlig falsche Regierungspolitik hausgemacht ist. Aus Sicht der liberalen Partei Neos ist die verfehlte Politik von ÖVP und Grünen schuld an der deutlich höheren Inflation. (Kommentar Seite 22.)