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WM-Vergabe an Saudi-Arabien: “Fußball soll schlechtes Image übertünchen” | ABC-Z

Stand: 11.12.2024 18:37 Uhr

Wieder geht die Fußball-WM an ein Land, in dem Minderheitenrechte kaum zählen: Hinrichtungen sind in Saudi-Arabien an der Tagesordnung, Arbeitsmigranten werden ausgebeutet. Die WM-Vergabe für 2034 stößt auf Kritik.

Die Saudis lieben Fußball, sagt Taha al-Haji. Gerade die Jugendlichen fieberten auf die WM im eigenen Land hin. Doch dann kommt sein großes Aber: “Die Ausrichtung der Weltmeisterschaft in Saudi-Arabien darf nicht dazu genutzt werden, Menschenrechtsverletzungen zu verschleiern und das Image des Landes aufzupolieren.”

Taha al-Haji ist Menschenrechtsanwalt – er lebt in Deutschland im Exil. Nur deswegen kann er sein Heimatland so scharf kritisieren. Vor allem die hohe Zahl der Hinrichtungen empört ihn: “Saudi-Arabien bricht in diesem Jahr alle Rekorde. Bis heute wurden 340 Personen hingerichtet, darunter 117 Ausländer und drei Frauen.” Ähnliche Zahlen vermeldet auch die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf das saudische Innenministerium.

Die Organisation Amnesty International kommt bei ihrer Zählung “nur” auf 200 Hinrichtungen im Jahr 2024 – aber sie kritisiert ebenso scharf wie al-Haji, dass Gerichtsprozesse unfair seien und dass den Angeklagten während der Ermittlungen Geständnisse abgepresst würden.

Repressionen dauern an

Der Anwalt al-Haji sagt, die saudische Fußballoffensive mit der WM-Ausrichtung im Jahr 2034 diene vor allem dazu, das schlechte Image des Landes zu übertünchen: “Saudi-Arabien investiert enorme Summen, um Sport- und Filmstars sowie Social-Media-Influencer ins Land zu holen, und führt riesige Projekte durch, die von Offenheit und Reformen sprechen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Repressionen und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen dauern an.”

Hammad al-Balawi kennt diese Kritik. Er war für die saudische WM-Bewerbung zuständig und sagt im ARD-Interview: “Die Kritiker können uns besuchen, ihre Haltung an Fakten überprüfen und sich mit Saudis unterhalten.” Dann würden sie feststellen, dass Saudi-Arabien sich wandele.

Wandel durch Kronprinz?

In der Tat hat der junge Kronprinz Mohammad bin Salman, kurz MbS, im Rahmen seiner Vision 2030 massive Veränderungen angestoßen: Frauen sind nicht mehr verpflichtet, sich zu verschleiern, das Land hat sich für ausländische Touristen geöffnet und veranstaltet Filmfestivals, Musikevents und bald auch die Fußball-Weltmeisterschaft.

Freier sei Saudi-Arabien dadurch nicht geworden, sagen Kritiker wie Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International: “Die glitzernde Fassade, die Muhammad bin Salman gerne nach Außen trägt, spiegelt mitnichten wider, was sich in Saudi-Arabien in Sachen Menschenrechten tut. In der Tat haben wir sogar dokumentiert, dass sich seit Amtsantritt von MbS die Menschenrechtslage erheblich verschlechtert hat.”

Das betreffe die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Folter in Gefängnissen und auch die Rechte der Gastarbeiter: Diese hätten unter überlangen Arbeitszeiten zu leiden, ihr Lohn werde ihnen oft vorenthalten oder gleich ganz gestohlen.

“Lage der Menschenrechte war FIFA egal”

Damit, dass sich das bis 2034 bessert, rechnet Müller-Fahlbusch nicht – bei der Bewerbung für die Ausrichtung der WM hätten diese Fragen kaum eine Rolle gespielt und das liege nicht nur an Saudi-Arabien selbst. “Es gibt in der Bewerbung keinerlei Strategien oder Garantien, die Menschenrechtslage im Land zu verbessern. Saudi-Arabien hat das nicht aufgeführt. Die FIFA hat es nicht nachgefragt. Der FIFA – das muss man wohl so sagen – war das relativ egal.”

Bis 2034 sind es noch zehn Jahre – die Augen der Welt werden auf Saudi-Arabien gerichtet sein. Das Nachbarland Qatar, Gastgeber der WM 2022, hatte unter Druck wenigstens einige Reformen zu Verbesserung der Situation der Arbeitsmigranten durchgeführt. Ob das in Saudi-Arabien auch der Fall sein wird, ist unsicher.

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