WM in Trondheim endet mit einem Skandal | ABC-Z

Trondheim. Bei der Nordischen Ski-WM sollen die Norweger ihre Anzüge systematisch manipuliert haben. Erhält Andreas Wellinger nachträglich Gold?
Es liest sich wie ein Krimi. Das Tatwerkzeug ist eine Nähmaschine. Noch bevor bei der Nordischen Ski-WM in Trondheim der Wettbewerb auf der Großschanze begann, kursierten anonyme Videos. Darauf sind zwei Hände zu sehen, die einen Sprunganzug bearbeiten. Damit ist ein riesiger Skandal ins Rollen gebracht, der den Skisprung-Kosmos in Aufruhr versetzt. Als die Norweger Marius Lindvik, Johann André Forfang und Kristoffer Eriksen Sundal aus den Ergebnislisten gestrichen sind, ist der WM-Sieg des Slowenen Domen Prevc längst nur noch Nebensache.
Österreich, Polen und Slowenien legen Protest ein
Die norwegische Mannschaft muss sich den ungeheuerlichen Vorwurf gefallen lassen, ihre Anzüge systematisch zu manipulieren. Als die ominösen Videos den anderen Mannschaften zugespielt wurden, legten Österreich, Polen und Slowenien Protest ein. Sie forderten den Ausschluss der norwegischen Springer. Lindvik und Forfang durften zwar noch auf die Plätze zwei und fünf springen, wurden Minuten nach dem Wettbewerb jedoch disqualifiziert.
Sandro Pertile, Skisprung-Renndirektor des Weltverbandes Fis, hat Auffälligkeiten an den Sprunganzügen der Norweger festgestellt.
© Daniel Karmann/dpa
Sandro Pertile, der Renndirektor des Weltskiverbandes Fis, zeigte sich schockiert und sprach von Auffälligkeiten. „Die Naht war das Problem. Es war ein anderes Material, das mehr Spannung hatte“, sagte der Italiener. Die verbotene Nachbearbeitung der Anzüge sorgt für eine zusätzliche Stabilität – und letztlich dazu, dass die Flugfähigkeit verbessert wird. Warum es bei der Materialprüfung vor dem Springen zunächst keine Beanstandungen gab, ist eine der offenen Fragen. Laut Material-Kontrolleur Christian Kathol seien alle Anzüge regelkonform gewesen.
Die Konkurrenz derweil schäumt vor Wut. „Es ist für mich eine Verarschung. Es ist eine klare Manipulation und klarer Sportbetrug, ähnlich wie Doping“, sagte Polens Trainer Thomas Thurnbichler. Die unter Verdacht geratenen Norweger reagierten indes wenig überzeugend. „Wir haben einen Regelstoß begangen. Es tut uns leid, dass für den norwegischen Skisport so gute Weltmeisterschaften so enden“, sagte Cheftrainer Magnus Brevig, der auch auf den Videos zu sehen ist. Eine systematische Manipulation jedoch wiesen die Norweger um Sportdirektor Jan Erik Aalbu vehement zurück.
DSV-Sportdirektor Hüttel wütend über Norweger
Er erklärte, dass man die Anzüge bereits für die am kommenden Donnerstag in Oslo beginnende Raw-Air-Serie auf dem Holmenkollen vorbereitet habe. Diese Aussage brachte Horst Hüttel so richtig auf die Palme. „Als die Techniker der anderen Nationen das gehört haben, hat es sie zerrissen. Das ist ja, als ob hier jemand unerlaubte Medikamente nimmt und sagt, die nimmt er ja für nächste Woche“, sagte der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV).
Dass nun sämtliche WM-Ergebnisse der norwegischen Skispringer annulliert werden und Andreas Wellinger nach Silber auf der Normalschanze hinter Lindvik nachträglich womöglich auf Rang eins vorrückt, ist unwahrscheinlich. „Wir haben ein System – wenn die Kontrolle fertig ist, ist der Wettkampf auch fertig“, sagte Renndirektor Pertile.
Aktuelle Nachrichten zur Ski-WM aus Trondheim:
Der Skandal von Trondheim wird die Skispringer wohl lange beschäftigen. TV-Experte Sven Hannawald, der von einer schwarzen Stunde sprach, brachte die Überlegung ins Spiel, die Anzüge künftig von einer Maschine kontrollieren zu lassen. Sportdirektor Hüttel nimmt den Weltverband in die Pflicht: „Wir fordern die Fis ganz klar zur Aufklärung auf.“ Am Sonntag teilte die Ethikkammer der Fis mit, dass sie eine Untersuchung eingeleitet hat.