Gefahren durch Mikroplastik: Langsam fahren hilft – aber nur freiwillig | ABC-Z

In Berlin kennt die Politik nicht nur dieses Gefahrenpotenzial, es ist auch ziemlich genau belegt, was die größten Emissionsquellen sind: In ihrer Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux verweist die scheidende Umwelt-Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) auf Reifenabrieb als wichtigsten „Eintragspfad“ von Mikroplastik in die Berliner Gewässer.
Das, was – hauptsächlich motorisierte – Fahrzeuge auf den Straßen hinterlassen und anschließend den Weg in die Kanalisation findet, mache rund drei Viertel des Mikroplastikeintrags in Gewässer aus. Daneben sind es allerdings auch unsere Schuhsohlen, von denen beim Gehen ständig feinste Kunststoffteilchen in die Umwelt gelangen. Auch die Besen von Kehrmaschinen und Fahrbahnmarkierungen leisten einen Beitrag.
Letztere enthalten tatsächlich Plastik und werden natürlich auch wieder durch Fahrzeuge in ihre kleinsten Bestandteile aufgerieben. Und schließlich sind das Waschen von Textilien aus Synthetikfasern oder die Anwendung bestimmter Kosmetika und Reinigungsmittel lokale Mikroplastik-Quellen.
Mechanismen durch Studien belegt
Belegt sind all diese Mechanismen unter anderem durch mehrere in Berlin durchgeführte Studien. So präsentierte die TU Berlin im Jahr 2021 die Ergebnisse einer Untersuchung zum Reifenabrieb. Dabei wurde auch beobachtet, wie viele Partikel bei der Straßenreinigung wieder aufgenommen werden können: im Falle der besonders problematischen Kleinstteilchen immerhin 55 Prozent.
Allerdings fanden die Versuche unter idealen Bedingungen in einer Halle statt. Weil Straßenoberflächen weniger glatt sind und Kehrmaschinen wegen parkender Autos normalerweise nicht die gesamte Fahrbahn reinigen können, dürfte das Ergebnis in der Realität deutlich schlechter ausfallen.
Um den Eintrag von Mikroplastik in Gewässer zu reduzieren, hat das Land laut Noch-Staatssekretärin Behrendt schon verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehörten etwa Retentionsbodenfilter wie der am Halensee: Hier muss das Niederschlagswasser von der Stadtautobahn erst durch einen künstlich angelegten Schilfgürtel fließen.
Im Rahmen des Gewässergütebauprogramms seien weitere Maßnahmen geplant, unter anderem „Hochleistungssedimentationsanlagen“ im Einzugsgebiet der Wuhle. Zudem unterstütze der Senat die Ausrüstung von Gullys mit speziellen Schlammfängen. Dazu fänden Gespräche mit den Berliner Wasserbetrieben und der BSR statt, heißt es in der Antwort an Lux.
Ein Monitoring gibt es nicht
Einen Nachweis über etwaige Auswirkungen dieser Maßnahmen kann die Senatsumweltverwaltung aber „aktuell nicht erbringen“ – ein Monitoring findet nicht statt. Für Benedikt Lux, den umweltpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, steht deshalb angesichts der Risiken fest: „Berlin muss Mikroplastik messen.“
Es sei wichtig zu wissen, wie hoch die Belastung im Wasser, aber auch in den Böden ausfalle, was die konkreten Ursachen seien und wie diese vermieden werden könnten, sagt Lux zur taz.
Apropos Vermeidung: Auf Lux’ Frage, ob der Senat die Einschätzung teile, dass bei Tempo 30 weniger Mikroplastik durch Reifenabrieb entstehe als bei Tempo 50, räumt die Umweltverwaltung ein, dass dieser Zusammenhang erwiesen sei. Für die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen seien allerdings „das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung maßgeblich“. Dass die StVO auch den Gewässerschutz als möglichen Grund für Verkehrsbeschränkungen aufführt, wird offenbar nicht als ausschlaggebend angesehen.
Auch eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild, nach der Lux fragt, sieht die Senatsverwaltung nicht als zielführend an: Laut Untersuchungen aus den vergangenen Jahren betrage der Abrieb von Kunststoffverpackungen in Deutschland jährlich rund 99,1 Gramm pro Einwohner. Auch wenn man den Zerfall von Plastikmüll in der Umwelt hinzurechne, für den keine Schätzungen vorlägen, „dürften diese Werte deutlich unter dem Verursacher Nr. 1, dem Reifenabrieb“ liegen. Der schlage mit 1.228,5 Gramm pro Einwohner und Jahr zu Buche.
Praktische Haushaltstipps aus der Umweltverwaltung
Schließlich gibt Staatssekretärin Behrendt, die zum 1. September ins Bundeskanzleramt wechselt, den BerlinerInnen noch ein paar Haushaltstipps mit auf den Weg: Sie sollten beim Kauf von Kosmetikprodukten oder Waschmitteln auf mikroplastikfreie Alternativen achten und anstelle von Kleidung aus Synthetikfasern wie Fleece-Jacken lieber Baumwollprodukte nutzen.
Und auch wenn es in diesem Zusammenhang kein Tempolimit gibt: „Zur Reduzierung der Emissionen können die Bürgerinnen und Bürger beispielsweise durch den Verzicht auf das Auto beziehungsweise eine ruhigere Fahrweise einen individuellen Beitrag leisten.“