“Wirtschaftliche Neuordnung”: Folgt Donald Trump dem Mar-a-Lago-Masterplan? | ABC-Z

Der plötzliche Zoll-Rückzieher des US-Präsidenten zeigt: Entweder hat er geblufft. Oder er schwingt den Zollhammer als Teil eines viel größeren Plans: die US-Wirtschaft radikal zu sanieren – auf Kosten des Rests der Welt. Sein nächstes Ziel ist womöglich der US-Dollar.
Die Märkte haben gebrüllt, und Donald Trump hat gezuckt. Nach einem der größten Börsencrashs seit dem Zweiten Weltkrieg, Massenprotesten im ganzen Land und Warnungen aus aller Welt ist der Mann, der niemals einknickt, eingeknickt. Und hat die größte Zollerhöhung seit den 30er Jahren für drei Monate zumindest teilweise ausgesetzt.
Seine Berater und Minister bemühten sich umgehend, den Zoll-Rückzieher als genialen Schachzug eines Meister-Strategen hinzustellen: “Das war sein Plan von Anfang an”, lobte Finanzminister Scott Bessent. “Viele von Ihnen in den Medien haben offenkundig noch nie was von der ‘Kunst des Deals’ gehört, Sie haben nicht verstanden, was Präsident Trump hier tut”, sekundierte seine Pressesprecherin Karoline Leavitt.
Und sein Vize-Stabschef Stephen Miller huldigte gar: “Sie haben die großartigste wirtschaftliche Meisterstrategie von einem amerikanischen Präsidenten in der Geschichte gesehen.” Doch worin dieser Geniestreich bestehen soll, verriet er nicht. Ratlos fragen sich seitdem Menschen um den ganzen Globus: Warum riskiert der mächtigste Mann der Welt ohne Not eine Rezession, steigende Anleihezinsen und damit seine politische Macht?
Es ist ziemlich offensichtlich, dass diese Story Propaganda ist und Trump sich verzockt hat. Aber dennoch könnte den Zollhammer zu schwingen für ihn mehr sein als bloße Verhandlungstaktik, um Zugeständnisse von anderen Ländern zu erpressen. Und sein plötzliches Zurückrudern nur eine vorübergehende Atempause auf dem Weg zu seinem eigentlichen Ziel: der radikalen Neuordnung des globalen Wirtschaftssystems. Die Zölle sind womöglich nur der Rammbock, mit dem Trump den Weg dorthin freizumachen versucht. Und der Dollar womöglich sein nächstes Ziel.
Masterplan zur Zerstörung der eigenen Währung
Dass Trump die derzeitige Sicherheits- und Wirtschaftsarchitektur abreißen will, hat er immer wieder gesagt. Mit den Zöllen strebe er den “Reset der Macht der USA […] gegenüber all unseren Verbündeten und all unseren Feinden gleichermaßen” an, hat sein Handelsminister Howard Lutnick bekräftigt. Und Finanzminister Bessent hatte schon im Sommer für Aufsehen gesorgt: eine “große wirtschaftliche Neuordnung” der Welt stehe bald auf der Tagesordnung, raunte er vielsagend.
Seitdem geistert unter Analysten, Experten und Reportern ein mögliches Szenario umher: das Mar-a-Lago-Abkommen, benannt nach Trumps Residenz in Florida. Den Masterplan, an dem Trump womöglich werkelt, hat sein Chefökonom Stephen Miran als “Anleitung zur Restrukturierung des globalen Handelssystems” im November 2024 aufgeschrieben.
Kernidee ist, den Dollar gezielt zu schwächen: Für Trump ist der Greenback dank seiner Rolle als Leitwährung der Welt “künstlich überbewertet”, US-Exporte im Vergleich zu Ausfuhren aus China deshalb zu teuer und nicht wettbewerbsfähig. Trump sieht darin den Hauptgrund, warum gut bezahlte Industriejobs ins Reich der Mitte abgewandert sind. Verstärkt wird das Problem noch durch Staatshilfen aus Peking. Trump glaubt demnach, dass er den Trend umkehren und Jobs aus China zurückholen kann, indem er den Dollar schwächt.
Dafür könnte er einen Deal mit den anderen Ländern machen: Vorlage ist das sogenannte Plaza-Abkommen, eine Übereinkunft der damals führenden G5-Industrieländer Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit den USA im Jahr 1985, den Dollar gezielt abzuwerten, um Washingtons Handelsdefizit zu verringern. Benannt ist der historische Deal nach dem New Yorker Plaza-Hotel, in dem das Treffen damals stattfand und das Trump ironischerweise wenige Jahre später kaufte.
Weltneuordnung mit den Methoden eines Mafia-Paten
Doch leider gibt es dabei ein Problem: Wenn heute Geldgeber der USA plötzlich massenhaft deren Staatsanleihen verkaufen würden, um den Dollar abzuwerten, könnte das die Zinsen für neue Schulden explodieren lassen – und Washington in Schwierigkeiten bringen, sein immer größer werdendes Haushaltsloch weiter zu stopfen. Deshalb sieht der Plan vor, dass die Gläubiger der USA entweder eine “Nutzungsgebühr” dafür zahlen, dass sie ihre Geldreserven in US-Staatsanleihen parken dürfen, also die Zinsen senken. Oder ihre restlichen Bestände gleich in hundertjährige Nullzins-Anleihen eintauschen – und Washington somit faktisch ein Jahrhundert lang zinsfrei Kredit geben.
Da sie das freiwillig kaum tun werden, sollen sie mit US-Militärmacht dazu gezwungen werden: Wenn ihr nicht zahlt, ziehen wir unsere Truppen und Flugzeugträger ab. Oder mit drakonischen Strafzöllen, wie Trump sie eben gerade verhängt und wieder ausgesetzt hat. Daher kommt die Befürchtung, dass sein Zollhammer nur ein Vorgeschmack darauf sein könnte, was noch kommt – und es ihm in Wahrheit um diesen Masterplan geht. Denn darin sind seine beiden Hauptvorwürfe miteinander verknüpft: dass der Rest der Welt die USA im Handel angeblich über den Tisch zieht. Und Washington gleichzeitig auch noch die Sicherheit seiner Verbündeten bezahlt.
Man muss sich keine Illusionen machen, was dieser Plan bedeuten würde: Umsetzen ließe er sich nur mit Zwang. Letztlich ginge es um die Unterwerfung von Verbündeten und Feinden gleichermaßen unter die Interessen Washingtons. Trump würde dabei zu einer Art globalem Mafia-Paten, der von den Leuten in der Nachbarschaft Schutzgeld erpresst. Mal wieder wünscht sich Trump dabei das Beste aus allen Welten zusammen: Der Dollar soll geschwächt werden und die US-Exporte ankurbeln – aber trotzdem Leitwährung bleiben. Die USA wollen globale Führungsmacht sein und alle Vorteile daraus ziehen – aber der Rest der Welt soll die Kosten tragen. Der Plan erinnert an einen anderen Plan aus Trumps erster Amtszeit: Wir bauen eine Mauer an der Grenze – und Mexiko bezahlt.
Doch genau wie damals ist all das auch diesmal kaum zu Ende gedacht. Statt um einen zusammenhängenden Plan handele es sich eher um “eine lose Sammlung unvereinbarer Maßnahmen”, sagt etwa der Analyst und Investmentberater Adrian Day. Trumps Logik besteht den Realitätscheck nicht. Denn der Dollar ist nicht deshalb so stark, weil andere Länder ihre Währungen böswillig abwerten, um den USA Jobs zu stehlen. Sondern weil die USA ein sicherer Hafen und attraktives Ziel für Investments sind, dank der Stärke ihrer Wirtschaft, der Liquidität ihrer Märkte, der globalen Dominanz ihrer Tech-Konzerne, ihrer hohen Wachstumsraten. Die Welt bringt ihr Erspartes nach Übersee, weil es dort mit guter Rendite sicher angelegt ist. Das treibt die Nachfrage nach Dollar und damit den Kurs. Es ist ein Zeichen wirtschaftlicher Stärke.
Die Gefahr ist real
Zudem profitiert Washington massiv vom Dollar als Leitwährung: Als einziges Land der Welt können die USA sich in ihrer eigenen Währung günstig verschulden. Wenn die chinesische Regierung, europäische Pensionsfonds oder japanische Banken US-Staatsanleihen kaufen, tun sie das wie selbstverständlich in Dollar. Washington muss keine Schuldscheine in Yuan, Euro oder Yen ausgeben, deren Zinsen und Wechselkurse stark schwanken. Andere Länder – Argentinien, Zimbabwe oder die Türkei lassen grüßen – würden alles für genau dieses Privileg tun.
Selbst wenn es Trump gelingen sollte, das Mar-a-Lago-Abkommen durchzudrücken, würden dadurch wahrscheinlich auch kaum neue Jobs in den USA entstehen. Denn der eigentliche Grund für die stetige Abwanderung ins Ausland liegt darin, dass durch Automatisierung in Fabriken immer mehr Maschinen und immer weniger Menschen gebraucht werden: “Der gleiche Trend ist überall auf der Welt zugange, in Ländern mit Handelsüberschüssen wie mit -defiziten, wegen der rapiden Produktivitätssteigerung”, schreiben Steven Kamin und Mark Sobel, zwei Ex-Beamte der US-Notenbank und des US-Finanzministeriums, in der “Financial Times”.
Ganz abgesehen davon, dass der Masterplan nicht funktionieren wird, weil schon die Europäer, ganz sicher aber die Chinesen nicht einfach das Knie vor Trump beugen werden: Warum sollen sie ihre Billionen-Forderungen in faktisch wertlose Dauer-Schuldscheine eintauschen? Nur weil Trump sich einen kostenlosen Schuldenerlass und ein sorgenfreies Leben auf Pump herbeiphantasiert?
Doch die Gefahr ist real, dass der US-Präsident dennoch versucht, die Kopfgeburt seines Chefökonomen Miran umzusetzen. Warnungen haben ihn schließlich auch schon bei seinen Zöllen nicht abgehalten. Nur die Märkte können ihm Einhalt gebieten. Denn als Reaktion auf seinen globalen Erpressungsversuch dürften sich Investoren massiv von den USA abwenden – und künftig andere Währungen wie Yen oder Euro als sichere Häfen ansteuern. “Unsere Verbündeten zu schinden, Handelsabkommen zu brechen und die Unterstützung für globale Institutionen zu untergraben, wie es jetzt geschieht, wird andere Länder nur ermutigen, sich Alternativen zum Dollar zu suchen”, warnen Kamin und Zobel.
Schlimmstenfalls droht dadurch eine neue Finanzkrise. Denn bisher sind US-Staatsanleihen das unerschütterliche Fundament, auf dem das globale Geldsystem ruht. Wenn Trump es zertrümmert, indem er das Vertrauen in die US-Kreditwürdigkeit zerstört, droht der Crash des Finanzsystems. Der Investmentberater Jim Bianco hat Trumps Mar-A-Lago-Masterplan so zusammengefasst: “Man muss all das nicht wörtlich nehmen. Aber man muss es sehr ernst nehmen.”