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“Wir sterben grundlos”: Israels Armee hat ein Problem | ABC-Z


“Wir sterben grundlos”

Israels Armee hat ein Problem

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Die israelische Offensive gegen die Stadt Gaza beginnt. Dafür muss die Armee erneut eine große Menge Reservisten einberufen. Doch der Gegenwind aus der Bevölkerung wird immer größer. Die Menschen halten den Krieg für sinnlos und üben scharfe Kritik an ihrer Regierung.

Nach der Einberufung von 60.000 Reservisten für die geplante Offensive gegen die Stadt Gaza im Norden hat die israelische Armee jetzt mit der ersten Mobilisierungswelle begonnen. Inzwischen seien jedoch weniger Reservisten dazu geneigt, sich erneut zum Dienst zu melden, berichtete die “Times of Israel”. Die Reservisten sollen in den kommenden Tagen ausgebildet und vorbereitet werden. Einige sollen im Westjordanland und im Norden reguläre Truppen ersetzen. Letztlich plane die Armee, vier Divisionen in die Stadt zu verlegen, berichtete die Zeitung weiter.

Nach fast zwei Jahren des Kampfes an mehreren Fronten sind viele Reservisten erschöpft und stellen Medienberichten zufolge den Sinn des Krieges infrage. “Ich weiß, dass Sie einen hohen Preis gezahlt haben – bei der Arbeit, im Studium und zu Hause”, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Videobotschaft an die regulären Soldaten, Reservisten und ihre Familien. “Jetzt stehen wir vor der entscheidenden Phase. Ich glaube an Euch. Ich vertraue auf Euch und das gesamte Volk Israel steht hinter Euch.”

Umfragen zeigen jedoch, dass drei Viertel der Bevölkerung ein Abkommen mit der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas wollen, damit der Krieg beendet wird und die letzten Geiseln in Gaza freikommen. Viele Angehörige der Geiseln werfen Netanjahu vor, den Krieg aus politischen Gründen unnötig zu verlängern. Seine rechtsextremen Koalitionspartner, von denen sein politisches Überleben abhängt, lehnen ein Abkommen für eine Waffenruhe kategorisch ab.

Eine Gruppe von knapp 400 Reservisten kündigte laut Medienberichten an, einer Einberufung nicht Folge zu leisten. “Wir weigern uns, an Netanjahus illegalem Krieg teilzunehmen, und sehen es als patriotische Pflicht an, dies zu verweigern und von unseren Führern Rechenschaft zu verlangen”, wurde einer von ihnen zitiert.

Die geplante Einnahme der Stadt Gaza gefährde nicht nur das Leben der Soldaten, sondern auch das der Geiseln in der Gewalt der Hamas. Im Gazastreifen befinden sich nach israelischen Angaben noch 48 Geiseln, von denen 20 am Leben sein sollen.

Armeechef soll vor Offensive gewarnt haben

Die Armee werde die Angriffe intensivieren, “und genau deshalb haben wir Euch einberufen”, sagte Generalstabschef Ejal Zamir vor Reservisten. Die Hamas werde sich nirgendwo verstecken können. “Wir werden den Krieg nicht beenden, bevor wir diesen Feind besiegt haben”, sagte Zamir. Trotz dieser Äußerungen hatte jedoch auch er laut dem israelischen Nachrichtenportal “ynet” zuvor erneut vor einer Einnahme der Stadt Gaza gewarnt und sich für einen Deal zur Freilassung weiterer Geiseln ausgesprochen.

Die Befehlshaber hätten inzwischen Schwierigkeiten, genügend Reservisten für die geplante Einnahme der Stadt Gaza zu mobilisieren, schrieb das “Wall Street Journal”. Viele Reservisten erzählten der britischen Zeitung “Guardian”, sie stünden aus persönlichen und ideologischen Gründen vor “einer schweren Entscheidung”. Nur wenige wollten die Einberufung jedoch ablehnen, hieß es.

“Wir sind bereit, unser Leben zu geben (…), aber die offensichtliche Wahrheit ist, dass wir jetzt grundlos sterben”, zitierte das Blatt einen Sanitäter, der kürzlich in Gaza war. Militärisch gebe es nichts mehr zu gewinnen, sagte er der Zeitung. Andererseits scheine es auch keine gute Entscheidung zu sein, den Krieg zu beenden, während die Hamas noch einen Teil der Macht im Gazastreifen ausübe und Geiseln festhalte.

“Ich habe [dieser Regierung] nie vertraut”, sagte ein Soldat demnach. “Jedes Mal, wenn ich seit März 2024 zum Dienst zurückgekehrt bin, habe ich das mit schwerem Herzen getan.”

“Es gibt einen Konflikt zwischen dem, was die Regierung will, und dem, was die Menschen wollen”, berichtete ein anderer Reservist, der seinen Dienst verweigert. “Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen, und ich hoffe, dass eine öffentliche Ablehnung etwas bewirken wird”, sagte der 30-Jährige. “Ich bin kein Pazifist. Wir wurden angegriffen, und ich bin zur Armee gegangen, und ja, man sollte Befehle befolgen, aber manche Befehle sind illegal, und es ist deine Pflicht, sie zu verweigern.”

In den Tagen nach dem Massaker der Hamas und anderer extremistischer Terroristen am 7. Oktober in Israel, die mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt hatten, meldeten sich viele Reservisten freiwillig zum Kampf. Doch die Anforderungen des Krieges, für den Hunderttausende mobilisiert wurden, sind extrem. Medienberichten zufolge zerbrachen viele Ehen von Reservisten, und auch die wirtschaftlichen Kosten für Israel sind hoch.

Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn mehr als 63.600 Palästinenser getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern. Unabhängige Studien gehen von höheren Zahlen aus.

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