„Wir stehen für einen gemeinsamen Kampfjet in petto“ | ABC-Z

Wir haben unsere Abschreckungsfähigkeit aufgebaut und die Munitionslager besser gefüllt. Aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Wir brauchen bessere Raketenabwehrsysteme und müssen den Fokus noch stärker von klassischen Systemen wie Panzern und Lenkwaffen hin zu neuen Technologien verschieben. Verschiedene Länder nehmen die Dringlichkeit sehr unterschiedlich wahr. In Südwest- und Südosteuropa wird weniger getan. Andere fahren ihre Produktion wirklich hoch – ich denke an die Länder in Skandinavien und im Baltikum, an Polen und Deutschland.
Viele finden, es geht noch zu langsam voran mit der Aufrüstung – auch der deutsche Verteidigungsminister, der die Industrie hierfür kritisiert. Hat er einen Punkt?
Die Industrie ist es gewohnt, viel Zeit und wenig Geld zu haben. Wir müssen dezentraler führen, um wachsen zu können. Ich sage meinen Mitarbeitern: Geht raus, und übernehmt Risiken. Wenn ihr scheitert – okay, dann lernt daraus, und versucht es noch mal. Es braucht einen kulturellen Wandel dahin gehend, dass Geschwindigkeit das Wichtigste ist. Das gilt für das gesamte System. Auch die Mitarbeiter in den Streitkräften und Beschaffungsämtern sind völlig andere Prozesse gewöhnt. Diese Strukturen aufzubrechen und Dinge wirklich zu beschleunigen, ist ziemlich schwierig.
Was müsste passieren, damit neue Techniken schneller in die Truppe kommen?
Es wäre zum Beispiel bei Drohnen sinnvoll, auf eine umfassende und „perfekte“ Fähigkeitsdefinition, wie sie bisher am Anfang des Beschaffungsprozesses steht, zu verzichten. Stattdessen könnte man mehrere Unternehmen parallel antreten lassen, die in Etappen ihr Können unter Beweis stellen. Dann bekommen die Streitkräfte deutlich schneller etwas, das sie auch nutzen können. Dazu brauchen wir mehr Nähe zwischen Militär und Industrie, damit die Endnutzer in die Entwicklung eingebunden werden. Früher galt eine solche Nähe als problematisch, aber die Ukraine hat gezeigt, dass sie für moderne Fähigkeiten notwendig ist.
Sie sprechen mit dem schwedischen Verteidigungsministerium über neue Beschaffungswege für Drohnen. Wie würde das in der Praxis aussehen?
Der Staat würde eine monatliche Gebühr zahlen für unsere Bereitschaft, die Produktion auf Knopfdruck hochzufahren. Das wäre quasi ein Abonnement für Drohnen. Wir würden uns außerdem verpflichten, die Technik fortlaufend zu modernisieren. Die Truppen bekommen zunächst etwas, das „gut genug“ ist, wenn man so will, und dann entwickeln wir das Produkt schrittweise weiter – wie bei einem iPhone. Das kann Software betreffen, aber auch neue Sensoren oder Bewaffnung. So könnten die Streitkräfte tatsächlich mit den Drohnen üben und Einsatzkonzepte erarbeiten.
Deutschland ist für uns ein Schlüsselland in Europa. Wir sind seit mehr als 40 Jahren stolzer Partner der deutschen Streitkräfte, haben dort Produktionsstätten und arbeiten eng mit Unternehmen wie Diehl Defence zusammen. Wir wollen in Deutschland weiter wachsen. Der Wettbewerb durch die deutsche Rüstungsindustrie ist allerdings stark, und die deutsche Armee beschafft viel im eigenen Land. Für Saab heißt das: Wir müssen vor Ort noch präsenter sein und Technologie übertragen, Fähigkeiten aufbauen, Arbeitsplätze schaffen und so weiter.
Es könnte sich eine weitere Chance ergeben, falls Frankreich und Deutschland vom FCAS-Projekt Abstand nehmen und keinen gemeinsamen Kampfjet entwickeln. Stünde Saab als Partner für Airbus Defence zur Verfügung?
Saab hat definitiv die nötigen Fähigkeiten. Gerade deshalb sehen wir möglichen Kooperationen gelassen entgegen, wir sind nicht auf einen Partner angewiesen. Gleichwohl verschließen wir keine Türen. Wir stehen bereit für einen gemeinsamen Kampfjet mit den Deutschen – wenn es ein klares politisches Bekenntnis beider Regierungen gibt. Voraussetzung ist zudem, dass wir weiterhin Kampfflugzeugsysteme eigenständig bauen können und nicht die Hälfte dieser Kompetenzen an ein anderes Unternehmen abgeben. Ich bin sicher, dass man das in Deutschland ähnlich sieht: Eine Kooperation darf nicht bedeuten, dass man vollständig voneinander abhängig wird.
Ist nicht genau das ein Problem früherer Projekte – dass Länder die Führung beanspruchen und ihre eigene Technologie abschotten?
Es geht nicht darum, protektionistisch mit Technologie umzugehen, sondern transparent. Wer welche Fähigkeiten einbringt, müsste sich klar daran orientieren, worin Saab und Airbus Defence ihre Stärken haben – jeder bringt ein, was er gut kann. Wenn beide Unternehmen Zugang zu diesem Wissen haben, dann behalten beide ihre vollwertigen Fähigkeiten.
Wie schnell könnte so ein Projekt vorankommen?
Bei einem vollwertigen neuen Kampfflugzeug bräuchten wir sicher zehn Jahre für die Entwicklung, bis zur Einsatzbereitschaft wären wir wahrscheinlich Ende der 2030er-Jahre. Der erste Schritt für eine Zusammenarbeit sollte eine unbemannte Fähigkeit sein, hier sprechen wir eher von vier bis fünf Jahren bis zur Auslieferung. Ich halte diese Fähigkeit für extrem wichtig, um den Gripen-Jet von Saab und den Eurofighter künftig zu ergänzen. Hierzu sind wir bereits in Gesprächen mit Airbus Defence.
Wie weit sind diese Gespräche?
Wir haben Konzepte erarbeitet und eine Vorstellung davon, welche Fähigkeiten ein solches System haben sollte. Aber bisher ist das eher die Vorarbeit, um unsere Regierungen von dem Projekt zu überzeugen. Es wäre gut, wenn Deutschland und Schweden gemeinsam vorangehen. Aber eine klare politische Zusage fehlt bisher.
Ist es besser, wenn am Anfang eines solchen Projekts die industrielle Zusammenarbeit steht – und nicht der politische Wille?
Es kann in beide Richtungen funktionieren. Aber es kann nicht sein, dass Politiker eine Kooperation beschließen, während die Unternehmen kein Interesse daran haben, weil sie sich zu sehr als Wettbewerber sehen oder nicht bereit sind, Technologie miteinander zu teilen. Diese Schwierigkeit ist schon mal ausgeräumt, wenn das Projekt von der Industrie ausgeht.
Saab erstellt im Auftrag Schwedens bereits eine Studie über die nächste Generation von Kampfflugzeugen. Wie wahrscheinlich ist es, dass daraus ein Programm wird?
Es wird definitiv ein Programm geben, das aus dieser Studie hervorgeht. Es kann gut sein, dass wir so weitermachen wie bisher – mit vielen Partnerfirmen, aber unter schwedischer Führung. Dann hätten wir unser eigenes FCAS-Programm. Oder wir tun uns mit einem anderen Land zusammen und schaffen einen größeren Markt, wobei Schweden auch dann seine technologische Unabhängigkeit wahren muss, wie gesagt. Ich gehe davon aus, dass Schweden 2028, spätestens 2030, einen dieser Wege einschlägt.
Anders ausgedrückt: Wenn Deutschland sich mit Schweden zusammentun will, sollte es sich schleunigst entscheiden.
Wenn Deutschland das vorantreiben will, ja, absolut.
Saab hat sein erstes Kampfflugzeug 1937 entwickelt, weil die Amerikaner ihre Flugzeuge plötzlich lieber selbst behalten wollten. Wie verlässlich ist der amerikanische Partner heute?
Die USA haben in ihrer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie bekräftigt, dass Europa souveräner werden muss. Ab 2027 sollen wir selbst die Verantwortung für die NATO-Säule in Europa übernehmen. Das gibt uns einen klaren Zeitrahmen, der zeigt: Europa muss sich beeilen. Aus meiner Sicht gehört dazu auch eine andere Beschaffungsstrategie. Wir sind viel zu abhängig von Amerika. Wir können nicht einerseits sagen, wir übernehmen mehr Verantwortung, und andererseits alles in den USA einkaufen. Das widerspricht sich.
Das Triebwerk Ihres Gripen-Jets kommt allerdings auch aus den USA. Trump könnte sogar Einfluss darauf nehmen, in welche Länder Sie Ihr Flugzeug exportieren. Wieso sichern Sie sich nicht ab mit einem weiteren europäischen Lieferanten?
Ich bin zuversichtlich angesichts der Tatsache, dass es für die USA gut ist, wenn wir den Gripen verkaufen – zumindest ist es für sie die zweitbeste Lösung, wenn sie selbst den Wettbewerb nicht gewinnen. Und die US-Exportpolitik ist nicht restriktiver als die schwedische. Für den Gripen ist das derzeit die günstigste Lösung. Ein anderes Triebwerk in einem Kampfflugzeug zu verbauen, wäre ein großer Aufwand und ganz sicher kein kosteneffizienter Weg.
Saab stellt für Boeing den hinteren Teil des Ausbildungsflugzeugs der Airforce her. Bietet diese gegenseitige Abhängigkeit etwas Sicherheit?
Wie alle Standorte ausländischer Verteidigungsunternehmen unterliegt auch unsere amerikanische Tochterfirma einem besonderen Sicherheitsabkommen. Der Einfluss des Saab-Konzerns auf diese Firma ist also begrenzt. Eine gewisse wechselseitige Abhängigkeit besteht, schließlich haben wir Einfluss auf die Fertigung. Aber ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem wir davon Gebrauch machen. Grundsätzlich sprechen Sie einen wichtigen Punkt an: Wir reden oft darüber, wie abhängig wir von den USA sind, aber Amerikas Rüstungsindustrie braucht auch Europa, wir liefern Komponenten für ihre Systeme. Es heißt oft, die USA könnten alles – aber so ist es in Wirklichkeit nicht.
Wo ist Europas Rüstungsindustrie den USA voraus?
Es gibt Bereiche, in denen wir mindestens auf Augenhöhe sind. Wir haben exzellente Raketen- und Sensortechnologie in Europa und ausgezeichnete Fähigkeiten in der elektronischen Kampfführung. Wir sind sehr gut im Bau von Schiffen und U-Booten und haben eine luftgestützte Frühwarnfähigkeit, die die Amerikaner in dieser Form derzeit nicht herstellen. Ich glaube, wir unterschätzen die europäische Rüstungsindustrie.
Warum schaffen wir es in Europa nicht, diese Karten auszuspielen?
Wir laufen Gefahr, das ganze Geld nur in die heimischen Industrien zu stecken. So würden wir die Fragmentierung lediglich auf ein höheres Niveau heben, statt unsere Kräfte wirklich zu bündeln. Wir sollten stattdessen große Leuchtturmprojekte aufsetzen, an denen drei oder vier Länder gemeinsam arbeiten. Ein gutes Beispiel ist der Lenkflugkörper-Hersteller MBDA. Wir könnten viel stärker zusammenarbeiten – gerade bei Munition, Sensoren und unbemannten Fähigkeiten. Eine solche Koalition der Willigen ist entscheidend, um global wettbewerbsfähig zu sein und zugleich in einem Kriegsfall über genügend Durchhaltefähigkeit zu verfügen.





















