Wintersport: Klimawandel bremst Skifahrer aus? „In den Alpen sieht die Sache anders aus“ | ABC-Z
Teilweise stellen Skigebiete wegen Schneemangels den Betrieb ein – weil zu wenig Schnee liegt. Umweltverbände und Grüne fordern bereits die Entwicklung von Wintersport-Alternativen. Doch solcher Pessimismus wird keinesfalls überall geteilt. Ein Besuch auf dem Sudelfeld in den bayerischen Alpen.
Jeder red’ vom Klimawandel. Aber es gibt es bei uns noch Schnee und wird es auch die nächsten zehn, 20 Jahre geben“, sagt Michael Maier, 56 Jahre alt und Geschäftsführer der Skischule „Top on Mountain“ im bayerischen Skigebiet Sudelfeld. Der Satz ist ungewöhnlich und will nicht recht zur pessimistischen Klimawandel-Stimmung passen, die in Bayern ansonsten seit einigen Jahren die Wintersport-Debatte beherrscht.
„Die Wintersportler müssen sich darauf einstellen, dass es weniger Tage gibt, an denen Skifahren und Wintersport möglich sein wird“, heißt es etwa auf WELT-Anfrage beim für Tourismus zuständigen Landwirtschaftsministerium. „Vor allem in den lukrativen Weihnachtsferien wird die Schneesicherheit vermutlich geringer.“ Pessimismus schürt auch der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk, der seit einigen Jahren immer zum Winterbeginn Ski-kritische Beiträge sendet und dabei Kritikern viel Raum gibt. „Umweltverbände und die Grünen fordern angesichts dieser Entwicklung, dass bayerische Wintersportregionen mehr Alternativen zum Skifahren entwickeln“, heißt es auf der Seite der BR-Sendung „Jetzt red’ i“.
In manchen Skigebieten herrscht darüber tatsächlich Endzeitstimmung. So wird es erstmals diesen Winter am Jenner am Königssee keine Skipisten mehr geben. Die vollständige Aufgabe des Skibetriebs ist in den bayerischen Alpen bisher allerdings die Ausnahme.
In Frankreich gehen drei – nunmehr ebenfalls ehemalige – Wintersportorte denselben Weg. Gemeinsam ist den Ski-Aussteigern, dass sie trotzdem irgendwie für den Fremdenverkehr attraktiv bleiben wollen. Statt Skisport vermarktet die Jennerbahn jetzt „Bergerlebnis“ für Familien. Die Piste bleibt als Rodelbahn nutzbar.
Dabei ist die Frage, wie sich die Schneemengen in Zukunft entwickeln werden, gerade für die Alpen nur schwer zu beantworten. Steigende Temperaturen sorgen nämlich dafür, dass die Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. Das bedeutet tendenziell mehr Niederschlag und darum bei Frostgraden mehr Schnee. Mehrere Forscherteams haben sich mit der Frage beschäftigt, was das für Schnee in den Bergen bedeutet, darunter eines des Königlich Meteorologischen Instituts der Niederlande um die Klimaforscherin Hylke de Vries.
Für flaches Land und Küsten lautet ihr Resultat, dass Schnee dort äußerst rar werden könnte. Jedoch: „In den Alpen sieht die Sache anders aus“, schreiben die Niederländer. Die Temperaturen im Winter seien dort viel niedriger. Auch unter Klimawandel-Bedingungen werde es weiter Frosttemperaturen geben. Die Schneemengen könnten sogar zunehmen, wobei die gängigen Klimamodelle nicht alle Fragen beantworten könnten. Die Kalkulation sage zwar mehr Schnee voraus, aber nicht so viel mehr, wie aufgrund der höheren Luftfeuchte zu erwarten wäre, schreiben die Forscher. Andere Studien kommen zu ähnlichen Resultaten.
Für Österreichs Skigebiete mag dieser Befund ermutigender klingen als für die deutschen. Österreich hat mehr und höhere Berge und damit auch bessere Chancen auf künftige Frost- und Skitage. Bayern hat darüber hinaus aber einen weiteren gravierenden Nachteil gegenüber Österreich, nämlich die für Deutschland typischen höheren bürokratischen Lasten. „Die bayerischen Skigebiete müssen aufpassen, dass sie nicht den Anschluss verlieren“, sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des bayerischen Gastronomieverbandes Dehoga. Bei der Modernisierung von Liften oder der Installation von Schneekanonen gebe es in Deutschland „zum Teil einschneidende Auflagen und höhere Regelungsdichten“. Investitionen würden damit verhindert oder verzögert. „In den Nachbarländern findet eine großzügigere Förderpraxis statt.“ Geppert fordert Bürokratie-Abbau, beschleunigte Visa-Verfahren für Arbeitskräfte, flexiblere Arbeitszeiten und für die Gastronomie die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent.
Auf dem Sudelfeld wird kräftig investiert
Für Endzeitstimmung muss all das trotzdem kein Anlass sein, wie das Beispiel Sudelfeld zeigt. Manchmal sind es schon Kleinigkeiten, die einen Vorteil ausmachen, auf die niemand ohne Detailwissen kommt. Etwa der Untergrund, auf dem der Schnee liegt.„Das ist bei uns Gras“, sagt Skischulchef Maier. Auf Gras würden schon ein paar Zentimeter Schnee für eine brauchbare Piste genügen. In den höheren Lagen in Österreich sei der Untergrund dagegen der nackte Fels mit Brocken und Spalten. Da brauche es deutlich mehr Schnee.
Bei der Kundschaft setzt das Sudelfeld vor allem auf Ortsansässige im Landkreis Rosenheim und Umgebung und auf Familien. Maier sagt: „Man muss Eltern, Schulen und Kindergärten motivieren, dass die ihre Kinder zum Skifahren motivieren und ihnen die Chance geben, diese wunderbare Sportart in der Natur zu erlernen.“ Konkret für seine Skischule heißt das: „Wir betreuen 68 Kindergärten. Wir fahren früh hin, holen die Kinder ab, und um 13 Uhr sind die wieder für die Eltern bereit im Kindergarten zur Abholung.“
Damit habe sein Skigebiet ein zugkräftiges Alleinstellungsmerkmal. „Viele sagen, sie bezahlen lieber ein Viertel oder Drittel weniger der Kosten und brauchen eh keine Hunderte Kilometer Pisten.“ Sein nächster Konkurrent ist eines der größten Tiroler Skigebiete im Kaisergebirge mit fast 180 Kilometern Pisten aller Schwierigkeitsgrade, Funparks für Snowboarder und Groß-Gastronomie, nur eine gute Viertelstunde Autofahrt vom Sudelfeld entfernt. Während der Saison kosten die Tageskarten auf der österreichischen Seite 73 Euro für Erwachsene und 36,50 für Kinder. Am Sudelfeld werden 51 Euro für Erwachsene und 25 Euro für Kinder fällig.
Anders als am Jenner wird am Sudelfeld auch weiter investiert und ausgebaut. Vor zehn Jahren wurde eine der großen Liftanlagen ausgebaut und die Beschneiung modernisiert. In dieser Saison pendelt erstmals ein Skibus zwischen dem Sudelfeld und dem Bahnhof Brannenburg. Dort hält die Regionalbahnlinie München-Kufstein. Das Skigebiet ist damit von der bayerischen Landeshauptstadt in einer Stunde erreichbar.
Investiert wird auch in die Hotellerie. Derzeit ist ein neues Resort in Planung. Und vor vier Jahren eröffnete ein neues Vier-Sterne-Familienhotel – finanziert von einem österreichischen Investor.
Christoph Lemmer berichtet für WELT als freier Mitarbeiter vor allem über die bayerische Politik.