Wiesn für alle und mit allen: Wie Inklusion auf dem Oktoberfest gelebt wird | ABC-Z
München – Das Musikantenzelt auf der Oidn Wiesn ist gut gefüllt, die Musiker auf der Bühne beenden gerade ihren Soundcheck, gleich beginnt ihr Auftritt vor den vielen hundert Wiesn-Besuchern. Eigentlich ist an diesem Tag der Deutschen Einheit alles wie immer – und doch nicht ganz.
Nur ein kleines Symbol und der dezente Schriftzug “Selbstverständlich Inklusion” im Programmheft der Boandlkramerei verrät, dass sich diese Gruppe ein bisschen von den anderen unterscheidet: Denn hier spielen auch Musiker mit Handicap mit.
Selbstverständlich Inklusion: Boandlkramerei auf der Wiesn spielt mit Menschen mit Behinderung
Die Idee, auch Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung die Möglichkeit zu geben, auf der Wiesn aufzutreten, stammt von Winfried Frey, dem Künstlerischen Leiter des Zelts. Der Schauspieler und Musikkabarettist engagiert sich, wie er erzählt, schon lange im Charity-Bereich und es sei ihm ein Bedürfnis gewesen, auch Menschen mit Handicap zu integrieren.
“Ich finde, für Inklusion ist jeder zuständig und das sollten wir alle miteinander machen”, sagt er im Gespräch mit der AZ.
Den Auftritt der Inklusionsgruppen kündigt er nicht separat an – für ihn ist er eine Selbstverständlichkeit. “Sie sind ein normaler Programmbestandteil wie alle anderen auch, eine vollwertige Gruppe”, sagt Frey.
In Sachen Inklusion habe sich auf der Wiesn in den letzten Jahren schon einiges zum Positiven verändert, wie Frey beobachtet hat. “Viele Zelte stellen sich auf Inklusion ein, indem sie Rollstuhlplätze anbieten und Rampen geteert werden. Aber im künstlerischen Bereich sind wir glaube ich die ersten”, sagt er.
Für die Musiker des ABM-Orchesters, die nun mit einer deutschen Version von “Ring of Fire” auf der Bühne loslegen, ist es definitiv die Premiere auf der Wiesn. Die Inklusionsband der Stiftung Attl bei Wasserburg gründete Ben Leinenbach 2002 mit einem Kollegen.
Heute spielen 14 Personen im ABM-Orchester mit, acht von ihnen haben ein Handicap, sechs von ihnen sind Betreuer. Vor dem Auftritt in dem großen Festzelt ist die Vorfreude und die Aufregung der Bandmitglieder deutlich zu spüren. “Das ist riesig für unsere Verhältnisse”, sagt Leinenbach der AZ. Doch spätestens als einige Gäste schon nach den ersten Takten über die Tanzfläche wirbeln, dürfte jegliche Sorge verflogen sein.
“Mir gefällt das, wenn das Zelt voll ist”, sagt Keyboarder Bernd Crellwitz mit leuchtenden Augen anschließend zur AZ. “Ohne Zuschauer geht’s nicht.” Und davon gibt es im Musikantenzelt einige: ganz kleine, die vorne auf der Tanzfläche herumhüpfen, aber auch ältere, die das Geschehen schunkelnd von den Bänken aus verfolgen.
Ein buntes Publikum und eine diverse Musikerschaft auf der Wiesn – auf der wirklich jeder herzlich willkommen ist, wie sich spätestens an diesem Donnerstagnachmittag zeigt.