Wieduwilts Woche: Iron Merz und Captain Söder verpatzen die Show | ABC-Z
Friedrich Merz macht’s, aber niemand lächelt. Die freudlose Präsentation des Kanzlerkandidaten der Union lässt Schlimmes befürchten für das kommende Wahljahr. Die größte Freude an der Personalwahl von CDU und CSU dürften andere Parteien verspüren.
Man muss Friedrich Merz einige Dinge zugutehalten, besonders dann, wenn man ihn ein paar Zeilen später hart kritisieren will. Also: Merz hat Niederlagen weggesteckt und ist weitergerollt wie ein Kohlebagger. Unaufhaltsam. Er hat Markus Söder gebändigt und er hat den missgünstigen Männerhaufen Union geeint.
Die CDU ist außerdem, das verdankt sie wohl wesentlich ihrem General Carsten Linnemann, programmatisch auf Kurs. Sie hat sich von den Merkel-Jahren emanzipiert und damit passt sie derzeit besser in die Machtarithmetik als eine CDU unter AKK, Armin Laschet, Daniel Günther oder auch Hendrik Wüst. Wer noch mehr Gründe braucht, die für Friedrich Merz sprechen, findet vier davon beim Kollegen Wolfgang Weimer.
Reicht das? Um den amtierenden Kanzler aus dem Amt zu jagen, vermutlich schon. Die Ampel ist eine bekennende “Übergangsregierung” (Omid Nouripour), niemand hat mehr Lust auf sie. Fakten sind in dieser Kolumne wie immer zweitrangig, daher an dieser Stelle keine politische Bilanz. Das Land hat genug. Das bestimmt die Lage.
Die CDU strahlt nicht. Kein bisschen.
Für Olaf Scholz, sollte die SPD nicht doch endlich Boris Pistorius einwechseln, reicht es ebenfalls. Scholz ist das Resultat parteiinterner Dynamik und einer falschen Kandidatenwahl der Union – so wie Merz das Kontrastbild von Angela Merkel ist.
Reicht das? Auch fürs Land? Für die kommende Legislatur wünscht man sich stabile Verhältnisse, weil die Umgebung sich bis auf Weiteres recht instabil verhält: Krieg, Klima, Konjunktur, dies, das. Da wäre eine satte Mehrheit und ein bisschen Aufbruchstimmung prima. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Die CDU wird sich durch den Wahlkampf schleppen und knapp siegen. Für einen sicheren Erfolg fehlt ihr etwas: Strahlkraft. Die CDU strahlt nicht. Kein bisschen.
Der Aufbruch in einen Wahlkampf ist ein neuralgischer Moment, eine frühe Weichenstellung. Was die Herren Wüst, Merz und Söder aufgeführt haben, war ein Cringe-Festival wie aus Zeiten, als man sich im Kampf gegen blauhaarige Youtuber blamierte. Noch vor der offiziellen Verkündung zog Wüst seine stille Kandidaturkandidatur zurück, was womöglich leicht intrigant war: Er verkündete eilig den Rückzug, um sich selbst als Königsmacher zu inszenieren. Wüst ist 49, da hat man noch was vor im Leben.
“Fein damit”
Dann folgte die Pressekonferenz, in allem der radikale Gegenentwurf zur Neuerfindung der amerikanischen Demokraten: deprimierend dilettantisch. Söder spricht, sagt “Merz macht’s” und er sei “fein damit”. Söder bemüht auf großer Bühne und später auf Instagram mit “fein damit” absichtlich gottloses Denglish, tote Sprache wie aus einem Zoom-Meeting. Inhaltlich ist es ein Ausdruck, der letztlich nur “na gut”, “passt schon” oder “was soll’s” meint – keineswegs aber “fein” oder “super”. Söder setzt die Tonart sofort auf moll.
Und in moll geht es dann weiter: Merz spricht seinen Text, er lächelt kein einziges Mal. Dann sagt er “herzlichen Dank”, lächelt wieder nicht, lässt seine Rede nicht eine Sekunde wirken, sondern ruckt stattdessen sofort den Kopf zu Söder, denn er weiß, was nun Schreckliches verabredet ist: Nun soll er mit Söder einen Sarkophag über dessen geschmolzenen Egoreaktor schieben und hoffen, dass im Wahlkampf keine Strahlung austritt.
Und so kommt’s: Merz gibt Söder verabredungsgemäß die Hand, legt, zweifellos geplant, unbeholfen die Hand an die Schulter des Franken. Söder lächelt sein strahlendes Medienlächeln. Merz lächelt nicht. “Alles Gute”, sagt Merz tonlos. Es klingt, als verabschiedete er Söder in den Krieg. Dann, auch tonlos: “Auf gute Zusammenarbeit.” Jetzt erst, eine ewige Sekunde nach Merz, greift auch Söder Merz an den Ellenbogen. “Ja, danke.”
Captain Amerika und Iron Man
Der Moment ist endlich vorüber. “So”, stößt Merz aus, beide drehen sich nun synchron voneinander ab. Die Blicke gesenkt, verschmitzte Mimik, als hätten die Männer grad auf der Tanzfläche geknutscht und auf einmal geht das Licht an.
Wo, zum Teufel, sollen Konservative in Deutschland nach diesem Auftritt Hoffnung schöpfen? Wo ist die Zuversicht, die Zukunft? Zwei sich hassende Männer verbünden sich zum Kampf gegen die Ampel! Was für eine Story! Wie Iron Man und Captain America, die können sich auch nicht leiden, aber kämpfen gegen Bösewicht Loki! Aber Iron Merz und Captain Söder haben nicht performt.
Ich erwarte ja keinen Fistbump, kein Konfetti und es muss auch nicht Angela Merkel mit gereckten Däumchen aus einer Torte springen. Auch für ein Taylor Swift-Endorsement ist es ein Tickchen zu früh. Aber ein Lächeln wäre ein Anfang. Enthusiasmus ist keine Zierde, sondern Führungsqualität.
Wichtiger als tausend Wahlplakate
In der Union wusste das mal einer, noch vor Facebook und Tiktok, aber der ist schon gestorben: Norbert Blüm. “Politiker, die nicht lachen können, bei denen hat das Volk nichts zu lachen”, sagte der frühere Arbeitsminister und spätere Kabarettist einmal. Zuversicht und Vision sind die einzigen Mittel gegen Populismus und Volksdepression. Und in von sozialen Medien dominierten Zeiten ist Emotionalität wichtiger als Tausende Wahlplakate.
Eigentlich weiß das auch Merz. Auf die Frage nach seiner Hauptaufgabe sagt er: “Ich muss dafür sorgen, dass die Stimmung in Deutschland wieder besser wird.” Und: “Zuversicht, nicht Trübsal.” Vom Gefühl, dass alles schlecht ist, nähern sich Extremisten. Das wiederum hat Hendrik Wüst gesagt, der grad ein bisschen auf Medientour geht, Stichwort “noch etwas werden”. Das Wissen ist da, die Umsetzung hapert.
Das Auftreten der CDU versprüht derzeit so viel Zuversicht wie eine aus der Kabinendecke fallende Sauerstoffmaske. Enthusiastische Konservative, das wäre gut, für das ganze Land. Aber da ist nichts, gar nichts: Was ein Merz denn sage, wenn er es geschafft hat, fragt den baldigen Kanzlerkandidaten Pinar Atalay. Vielleicht “Tschakka”? “Verantwortung”, sagt Merz.
Wann beginnt das Training?
Auf einen Wahlkampf ist der Politik-Rückkehrer offensichtlich nicht vorbereitet, aber man fragt sich, wann das Training denn beginnt. Das zeigt sich, als Atalay fragt, ob Merz nicht Volksnähe fehle. Er komme aus einem kleinen Stadtteil und gehe zum Bäcker, sagt Merz, als hörten er und seine Berater diesen Vorwurf zum allerersten Mal. Merz guckt zufrieden, als habe er endlich den Verdacht abgeräumt, er wohne in einem freischwebenden Goldwürfel und lasse sich jeden Morgen auf einer Sänfte in die Boulangerie tragen.
Man wünscht Friedrich Merz mehr von den Qualitäten seines alten Förderers: Wolfgang Schäuble war konservativ von Kopf bis Fuß, aber lernte Offenheit – und zeigte gerade in angespannten Zeiten eine feine Heiterkeit. Er war nicht arm an Arroganz und konnte sie doch mit Selbstironie ablöschen, jedenfalls im höheren Alter. Merz ist 68. Selbstironisch ist er nicht.
Na, egal: Für Scholz reicht‘s. Dem wiederum ist Merz bekanntlich “recht”. Deutschlands Zukunft entscheiden also ein Duell im Mittelmaß. Alice Weidel und Sahra Wagenknecht sind vermutlich “fein damit” – sie sind wahrscheinlich sogar richtig enthusiastisch.