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Wieduwilts Woche: Die Zeitenwende hat die Ampel gefressen | ABC-Z

Die Koalition ist nicht an Lindner oder Scholz gescheitert. Es sind die historischen Fliehkräfte. Der Kanzler verantwortet nur das besonders würdelose Ende.

Die Ampel ist zerbrochen und die Öffentlichkeit jagt den Schuldigen: Lindner habe eine Exit-Strategie verfolgt, um seine Partei vor dem weiteren Zerbröseln in einer linken Koalition zu retten, sich aus der Verantwortung gestohlen, sagen die einen. Der Bundeskanzler habe mit seinen grünen Partnern die Rettung der deutschen Wirtschaft verschleppt, lautet die Erzählung der Liberalen.

Es sind kleine Gedanken im politischen Orkan. Die Ampel ist nicht an Personen gescheitert. Sie scheiterte an der Zeitenwende. Der Begriff bezeichnet nicht nur ein Sondervermögen für die Bundeswehr. Zeitenwende steht für die tiefgreifende historische Umkehr, die wir im globalen Maßstab beobachten können, zuletzt am klaren Sieg der Trump-Republikaner.

Die Zeitenwende im großen Maßstab ist der Siegesritt des Autoritarismus, einer enthemmten Maskulinität, einer Rückkehr zu politischen Mustern, die manche Beobachter noch vor ein paar Jahrzehnten für überwunden hielten. Männer wie Putin und Trump prägen diese Zeit. Sie stützen sich auf und werden umjubelt von kampflustigen und kompromisslosen Traditionalisten. Es ist “eine Zeit der Wölfe”, wie es der Bundesjustizminister Marco Buschmann in seinem Rücktrittschreiben ausdrückte.

Linke Werte in der Krise

Die Werte vor allem postmoderner Linker, etwa Postkolonialismus, Identitätspolitik, Klimapolitik und Multilateralismus, stecken tief in einer Krise. Transsexuelle sind zur Projektionsfläche rechter Parteien weltweit geworden. Klimapolitik verschwindet von den Agenden und Elektroautos will kein Mensch.

Die Vereinten Nationen und Teile ihrer Institutionen finden keine klare Position zum Terror der Hamas – und haben auch in der Ukraine versagt, den Frieden zu sichern. Der Antisemitismus brennt sich durch die ganze Welt und rückt Migrationsfragen in grelles Licht.

Das ist das Gelände, auf dem sich Politik heute bewegt. Das sind die Fliehkräfte, die an praktisch allen deutschen Parteien zerren und Raum für neue schaffen, wie dem BSW. Die deutsche Rezession war der Turbolader für diese gewaltige Zentrifuge. Das ist die Zeitenwende, die die Ampel auseinandergerissen hat.

Sag, wie hältst Du es mit dem Westen?

Die FDP war stets Fremdkörper in einer linken Koalition, aber zu Beginn bestand Hoffnung: Eine austarierte Ampel, Geldpflaster für Bruchlinien, die Lust am Aufbruch, das könnte schon werden, dachte man nach auslaugenden Merkel-Jahren und einer beliebig wirkenden Union. Fenster auf, Frischluft rein! So hätte es was werden können mit der Fortschrittskoalition.

Die Großereignisse leiten den Wechsel ein: Die Pandemie transformierte die teils linksliberale FDP in eine überwiegend liberal-konservative Partei. Das Murren blieb zunächst leise, doch dann drehten Männer wie Wolfgang Kubicki die Lautstärke auf. Die Spannung stieg.

Der Überfall Russlands stellte dann die politische Gretchenfrage: Sag, wie hältst Du es mit dem Westen? Die Friedensbewegten in der SPD fanden keine Antwort, auch daran litt die FDP (und die Grünen ebenso) – man musste nur Anton Hofreiter oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann zuhören.

Scholz’ doppelt vergifteter Vorschlag

Dann beging die Hamas das Massaker vom 7. Oktober. Hier blieben die Grünen vage: Das Auswärtige Amt kuschelte mit Organisationen, die sich strategische Prozessführung gegen Israel auf die Fahnen schrieben, ihre postkoloniale Anhängerschaft haderte mit der Existenz Israels – und auch die SPD-Spitze, niemand so klar wie Aydan Özoguz, mochte sich nicht eindeutig zur westlichen Demokratie im Nahen Osten bekennen. Sag, wie hältst Du es mit dem Westen?

Die Koalition zerbrach wie eine ganz ordinäre Beziehung: Durch monatelange Spannungen, die sich schließlich in Banalitäten entladen, also die falsch ausgedrückte Zahnpastatube – oder eben die Aufstellung eines Haushalts.

Ja, Lindner hat mit seinem Wirtschaftsprogramm eine Scheidungsurkunde eingereicht. Ja, der Scholzsche Vorschlag einer Ukraine-Notlage war doppelt vergiftet. Scholz wollte den Finanzminister zwingen, einen Notlagen-Haushalt zu stricken, der sich auf ein mehrere Jahre andauerndes Ereignis bezieht, den Ukraine-Krieg. Genausogut könnte Lindner eine Handvoll Reißzwecken essen und schauen, was passiert. Das Bundesverfassungsgericht hat einen engen Korridor für solche Tricks belassen – zweimal sollte ein liberaler Haushaltswächter diese Aufgabe nicht verbocken.

Hilft nur ein linkes Bündnis gegen Trump?

Indem er den Vorschlag mit der Ukraine-Hilfe verknüpfte, wollte Scholz die Zentrifugalkräfte für sich nutzen: Schaut, Ihr seid doch sonst die Ersten, die Hilfen für die Ukraine fordern! So macht man das, wenn man eine Trennung fest im Blick hat. Es war geschickt – und der Auftakt in einen schmutzigen Wahlkampf.

Überrascht vom Knall wurden wohl die Grünen: Sie dachten offenbar, nach der Wahl Donald Trumps bleibe die FDP in der Koalition, schon aus staatspolitischer Verantwortung. Was für eine Vermessenheit! Als könne nur ein linkes Bündnis gegen den rechten Trump helfen.

Wer sich die kindischen Beiträge des von Annalena Baerbock geführten Außenressorts auf X anschaut, sollte dankbar sein, wenn die diplomatischen Kontakte künftig nicht in grünen, anti-amerikanischen Händen liegen.

“Christian Lindner”, “Christian Lindner”, “Christian Lindner”

Wie eine ordinäre Beziehung kann eine Koalition in Würde enden oder im Rosenkrieg. Scholz hat sich für letzteres entschieden. In seiner Abrechnungsrede über sein Kabinettsmitglied spricht er nicht über Differenzen, Auseinanderleben oder auch die Ansichten “des Bundesfinanzministers”.

Er arbeitet sich am Liberalen ab, als wäre er ein enttäuschter Liebhaber. Scholz nennt “Christian Lindner” drei mal “Christian Lindner”. Den Sound kenne ich von überforderten Lehrern, die Störenfrieden eine Standpauke halten. Robert Habeck, der nicht unbedingt als Busenkumpel des Liberalen verschrien ist, machte das um Längen staatstragender.

Die Emotionalität des Kanzlers wurde freilich gefeiert: Flammen-Emojis, Applaus in der Fraktion. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge sagte, auf dem Trümmerhaufen der Ampelkoalition stehend: “Wir sind alle sehr zufrieden mit dem Kanzler.” Die Selbstzufriedene Partei Deutschland (SPD) ist ganz bei sich. Endlich wächst der Kanzler! Und sei es dadurch, dass er andere vor den Bus zu werfen versucht.

Kanzler nach dem Peter-Prinzip

Die Kleinheit des Kanzlers zeigt sich darin, dass er nur dann wie ein wütender Mensch redet, wenn man seine Autoritätslosigkeit entblößt. Ob es Zwischenrufe auf Demos sind, Angriffe der Opposition oder Widerstand in den eigenen Reihen. Das Einzige, was Scholz wirklich zur Führung treibt, sind Verletzungen seines Egos. Das sind Führungsqualitäten eines Angestellten, den das Peter-Prinzip auf einen zu großen Stuhl gehoben hat. Dieses besagt, dass Individuen in Hierarchien so lange aufsteigen, bis sie auf einem Posten ankommen, der sie überfordert.

Gut, dass es vorbei ist. Der nächsten Koalition muss man zwei Dinge wünschen: Einen klaren Wertekompass für die Zeitenwende. Und einen Kanzler, der führen kann – und zwar nicht erst auf Bestellung.

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