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Wie viel Lärm dürfen Haustiere zeugen? – Stil | ABC-Z

Der im Juni dieses Jahres verstorbene, so wunderbar kindsköpfig-philosophische Liedermacher Fredl Fesl hat einmal ein Lied „Für die Katz“ gedichtet. In dem geht es im weiteren Sinne um den süddeutschen Grant und im engeren Sinne um die Lärmbelästigung durch Vierbeiner, nämlich Katzen, die nachts partout nicht ihre Schnauze halten wollen. Irgendwann schaltet sich in seinem Song schließlich der Nachbar ein, mit den Worten: „A Rua ist, sonst kummt’ Polizei!“ (Für Nichtbayern: „Nun ist Ruhe oder ich rufe den Wachtmeister.“)

Stellt sich die Frage: Wie viel Lärm darf so ein Haustier eigentlich machen? Urteile zum Thema „laute Tiere“ gibt es einige. Eine gewisse Komik besitzt beispielsweise jener höchstrichterliche 16-seitige Entscheid des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1992 zu den „nachbarrechtlichen Folgen von Froschquaken in einem künstlich angelegten Gartenteich.“ Gleich im ersten Satz heißt es da: „Wer einen Gartenteich anlegt und unterhält, an dem sich Frösche ansiedeln, ist Störer hinsichtlich der durch sie verursachten Lärmeinwirkung.“

Allerdings musste der Nachbar, der das Trockenlegen des Teichs verlangt hatte, klein beigeben. Der BGH kam – mit Verweis auf den Artenschutz – zu dem Schluss, dass der Nachbar das Quakkonzert dulden muss (Az. V ZR 82/91). Ob es sich dabei um einen künstlich angelegten oder natürlich entstandenen Teich handele, spiele keine Rolle.

Sehr schön liest sich auch das Urteil des Landgerichts Zwickau zum „Unterlassungsanspruch gegen Lärmbelästigungen durch Papageien in einer Gartenvoliere“: Werden in der Voliere im Garten Exoten wie Papageien oder Kakadus gehalten, kann der Nachbar eine zeitliche Beschränkung des Aufenthaltes der Vögel im Freien verlangen (Az. 6 S 388/00). Noch aufschlussreicher ist jene erst im vergangenen Jahr vom Amtsgericht Spandau abgewiesene Klage zur „Mietminderung wegen Geräuschbelästigung durch Katzen eines Mitmieters“ (Az. 4 C 1/22).

Denn merke: Eine Katze ist anders zu beurteilen als ein Frosch und ein Kakadu anders als ein Hahn. „Hunde oder Katzen sind klassische Haustiere. Deren Lärm muss man in gewissen Grenzen hinnehmen“, sagt die Chefjustiziarin von Haus und Grund Deutschland, Inka-Marie Storm. Miauen und Bellen zählen also – anders als etwa das Knurren eines Bengal-Tigers – zur mitteleuropäischen Geräuschkulisse wie schnurrende Rasenmäher oder jaulende Motoren. Im Spandauer Urteil zum Katzenrabatz heißt es dazu, solche gelegentlich auftretenden Lärmbeeinträchtigungen seien „als sozial adäquat hinzunehmen“.

Bei gar zu viel Krach sieht das Bürgerliche Gesetzbuch jedoch sogenannte „Abwehr- und Unterlassungsansprüche“ gegen Nachbarn vor. Voraussetzungen sind hier laut Storm „wesentliche Beeinträchtigungen“. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich und wann sie unwesentlich ist, hängt freilich nicht nur von Lautstärke, Dauer und Häufigkeit einer Lärmstörung ab, sondern auch vom persönlichen und damit subjektiven Empfinden. Beurteilt werden die Tiergeräusche im Streitfall daher „aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsmenschen“, so Storm; üblicherweise sei dies der Richter mit Unterstützung eines Sachverständigen. Storm empfiehlt Betroffenen zudem, ein Lärmprotokoll zu führen und Zeugen wie andere Nachbarn benennen zu können. Werden die Beeinträchtigungen als unzumutbar bewertet, hat der Tierhalter Maßnahmen zu ergreifen. „Im Zweifelsfall kann die Folge sein, dass etwa der Hund wegmuss.“

Fredl Fesl steckt am Ende seines Lieds übrigens im Knast – allerdings nicht wegen des lauten Viechs, das zudem noch sein eigenes ist. Sondern, weil er das Getöse unbedingt mit Gegenlärm und einem vollen Kübel Wasser, mit dem er allerdings die anrückende Polizei einnässt, abstellen wollte. Was zu dem nicht so abwegigen Schluss verleiten könnte: Die meisten Nachbarn sind bei Tiergeräuschen womöglich nachsichtiger als bei Menschengebrüll.

Der Autor findet nächtliches Löwengebrüll in Afrika wesentlich spannender als Hundegebell aus des Nachbars Garten. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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