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Kfz-Versicherungen: Wenn Treue der Kunden bestraft wird – Bafin will das ändern – Wirtschaft | ABC-Z

Alfred Müller und Berthold Meier fahren das gleiche Auto, sind derselbe Fahrertyp, haben dieselbe Fahrleistung und wohnen am selben Ort. Eigentlich müsste die Kfz-Versicherung für die beiden Kunden beim selben Versicherer ähnlich teuer sein. In der Realität findet sich aber ein Preisunterschied von 30 Prozent und mehr.

Der Grund? Müller hat gerade den Versicherer gewechselt, und der neue Anbieter hatte ihn mit einem Super-Rabatt angelockt. Meier dagegen ist schon viele Jahre bei eben diesem Versicherer. Die jährlichen Preiserhöhungen nimmt er klaglos hin, ein Wechsel ist ihm zu mühselig. Der treue Kunde Meier zahlt viel mehr als Wechsler Müller.

Wegen solcher Unterschiede hat die Finanzaufsicht Bafin Zweifel, dass die Tarife in der Kfz-Versicherung aus Kundensicht immer ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Jetzt will die Behörde die Kfz-Versicherer genauer unter die Lupe nehmen. „Wir werden uns mit einigen Preisdifferenzierungen näher auseinandersetzen müssen“, sagte Julia Wiens, Chefin der Versicherungsaufsicht bei der Bafin, auf der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht im alten Bundestags-Plenarsaal in Bonn.

Viele Preisrabatte der Versicherungen seien „sehr subjektiv vergeben und nicht nachvollziehbar“

Im Branchenjargon heißt die Praxis Price Walking: wiederholte Prämienerhöhungen, die ihre Ursache weder in Änderungen des versicherten Risikos noch bei den Kosten des Versicherers haben. „Eine solche Praxis ist mit den Grundsätzen der Wohlverhaltensaufsicht nicht vereinbar“, sagte Wiens. In deren Rahmen muss die Bafin sicherstellen, dass die Versicherer ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.

Die britische Finanzaufsicht hat das Price Walking schon Anfang 2022 verboten. Dass es sich auch in Deutschland um ein reales Problem handelt, hat die Aufsicht in einer Abfrage unter Versicherern herausgefunden. „Über das Ergebnis waren wir überrascht, insbesondere über das Ausmaß, in dem Schaden- und Unfallversicherer ihre Prämien differenzieren“, berichtete Wiens. So haben 85 Prozent der Unternehmen angegeben, dass sie bei ihren Kfz-Verträgen Preisdifferenzierung betreiben, die Hälfte davon in erheblichem Umfang. „Und das bei Produkten, deren Prämienberechnung ohnehin auf sehr vielen Tarifmerkmalen beruht.“

Besonders häufig räumen Versicherer ihren Vertrieben die Möglichkeiten ein, Rabatte zu vergeben. „Hier haben wir festgestellt: Die gewährten Rabattmöglichkeiten sind nicht immer risikobasiert“, so Wiens. „Viele der Preisrabatte, die wir in der Erhebung gesehen haben, waren sehr subjektiv vergeben und nicht nachvollziehbar“, kritisierte Bafin-Experte Axel Oster. „Manche Versicherer gaben die Auskunft, dass sie bestimmte Rabatte nur auf Nachfrage vergeben oder an Neukunden. Da läuft was schief.“ Es sei nicht fair und nicht transparent, weil vor allem weniger technikaffine oder loyale Kundengruppen benachteiligt würden.

Die Bafin betont, es gehe ihr nur um die Ausreißer

Seit einiger Zeit bereits beobachtet die Bafin die Lebensversicherer, um sicherzustellen, dass Kunden eine angemessene Leistung für ihr Geld bekommen. Dass sie jetzt auch die Kfz-Versicherung ins Visier nimmt, sorgt in der Branche für Ärger. Bafin-Chefin Wiens betont, es gehe nicht um eine flächendeckende Überwachung, sondern um die Ausreißer, die schwarzen Schafe.

„Wir haben vor allem im Bereich Kfz-Versicherung einen wettbewerbsintensiven Markt, in dem ich es voll okay finde, wenn Wettbewerber mit Kunden unterschiedlich umgehen“, sagte Karen Bartel vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Sie warnte davor, neue bürokratische Vorgaben zu errichten.

Andreas Jahn, Vorstandsvorsitzender der SV Sparkassenversicherung, stimmte zu: „Wenn es der Aufsicht darum geht, die sogenannten schwarzen Schafe zu identifizieren, sehe ich das genauso wie Frau Wiens, da muss die Bafin tätig werden“, sagte er. Aber es sei keine gute Lösung, dass eine neue Regulierungsmaßnahme umgesetzt werde, weil die eigentlich nötigen Überwachungsmaßnahmen gegen die schwarzen Schafe nicht funktionieren.

Verbraucherschützer finden die Bafin-Initiative dagegen gut. „Wir haben bald November, die Rabattschlacht in der Kfz-Versicherung fängt an“, sagte Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. „Wenn ich den Begriff risikobasierte Versicherungsprämienkalkulation ernst nehme, habe ich Probleme mit Rabatten von 30 Prozent.“ Das habe mit risikobasierter Kalkulation nichts zu tun. Besonders schlimm findet er Neukundenrabatte: „Darin geht es nur um den Vertrieb und nicht darum, risikobasiert zu kalkulieren.“

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