Wie sich die Ukraine mit Abfangdrohnen gegen Shaheds wehrt | ABC-Z

Man habe die Bedrohung lange unterschätzt, sagt der ukrainische Kommandeur Oleksandr Yarmak. Die Shahed-Drohnen, die Russland derzeit massiv gegen die Ukraine einsetzt, seien technisch simpel. Durch ihre große Anzahl und das Tragen verschiedener Submunitionen könnten sie aber „erheblichen Schaden“ anrichten.
Yarmak leitet die Abfangeinheit „Darknode“, sie ist Teil der 412th Unmanned Systems Brigade. Auf einer Rüstungsmesse im westukrainischen Lemberg im September erzählt er, worauf sein Kommando spezialisiert ist: Abfangdrohnen. Diese sind so konzipiert, dass sie schnelle Angriffsdrohnen wie iranische Shahed oder deren russische Weiterentwicklung Geran zerstören können.
Seit diesem Jahr setzt Kiew immer häufiger auf Abfangdrohnen, um Moskaus Angriffen Paroli zu bieten. Zuletzt teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem großen russischen Angriff mit, dass so an einem Tag 150 feindliche Drohnen abgewehrt wurden.
„Wir sind auf dem richtigen Weg“
Yarmak sagt, das gehöre zum Tagesgeschäft seiner Einheit. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt er über die Verteidigung mit Abfangdrohnen. Seit November sei „Darknode“ in der Ukraine aktiv; diesen September habe seine Gruppe den tausendsten Treffer einer Shahed erzielt, erzählt der Soldat. Schwierig sei es, ganze Drohnenschwärme abzuwehren. „Du kannst sie nicht alle eliminieren.“
Wichtig seien insbesondere kostengünstige Lösungen: „Abfangdrohnen müssen weitaus billiger sein als die Shahed-Produktion.“ Vom ukrainischen Militär heißt es, dass eine Abfangdrohne der Einheit 5000 Dollar koste, während sich die Produktion einer feindlichen Kamikazedrohne auf ein Vielfaches davon belaufe.
An der Front werden schon lange unbemannte Fluggeräte eingesetzt, um etwa langsame Aufklärungsdrohnen zu bekämpfen. Meistens sind das mit Sprengsätzen ausgerüstete FPV-Drohnen. Das sind Fluggeräte, die in Echtzeit die Aufnahmen ihrer Kamera etwa per virtueller Brille an den Piloten übertragen. Nun werden ukrainische Varianten entwickelt, die mit den viel schnelleren russischen Angriffsdrohnen mithalten können.
Shaheds abfangen, ist Teamwork
Oleh Huit, Kommandeur der Drohneneinheit „Rarog“, erklärt in Lemberg, wie die Verteidigung mit den neuen Abfangdrohnen abläuft: Ein Kommandoposten sei für die Aufklärung zuständig; gemeinsam mit den Missionsplanern und dem Drohnenpiloten arbeite man eng in einem Team. Dabei sei ein effizientes Radarsystem von „entscheidender“ Bedeutung. Sobald eine feindliches Fluggerät erfasst wird, wird eine Abfangdrohne gestartet. Der Pilot steuert diese dann so nah heran wie möglich, bevor er sie zur Explosion bringt oder die andere Drohne rammt.
Huit betont, dass seine Einheit allein an diesem Tag fünf russische Drohnen zerstört habe. Sie hätten Antipersonenminen mit sich getragen. Es habe eine Weile gedauert, bis die Soldaten sich an die Steuerung der Abfangdrohnen gewohnt hätten. Mittlerweile laufe das ganz gut. Vom ukrainischen Rüstungsunternehmen Wild Hornets heißt es gegenüber der F.A.Z., dass die Steuerung von so schnellen Abfangdrohnen viel Training brauche. Die Bedienung sei komplex; es benötige ein ganzes Team und nicht nur den Piloten.
„Wir suchen Frauen, die sie abschießen“
Doch wie so oft gibt es einen Mangel im ukrainischen Militär. „Wir haben nicht genug Abfangdrohnen, um alle Shaheds abzuschießen“, sagt Drohnenkommandeur Huit. Und es fehle an ausgebildeten Soldaten. In Lemberg startet er einen Aufruf, sich seiner Einheit anzuschließen – und schließt dabei ausdrücklich Frauen mit ein: „Wir suchen Frauen, die Shaheds abschießen.“
Abfangdrohnen sollen die Antwort auf zwei Probleme geben, die derzeit eine effektive Luftverteidigung erschweren. Zum einen können mobilen Einheiten, also Pick-up-Trucks, die mit montierten Maschinengewehren ausgerüstet sind, die russischen Drohnen offenbar teils nicht mehr erreichen.
„In letzter Zeit schickt die Russische Föderation Drohnen in einer Höhe von etwa zwei Kilometern“, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, zuletzt der Deutschen Welle. „Deswegen wird es für unsere mobilen Gruppen immer schwieriger, die Shahed-Drohnen abzufangen.“ Das Feuer auf sie zu eröffnen, sei nur dann effektiv, wenn die Drohne unter einem Kilometer Höhe fliege.
Zum anderen sind Waffensysteme wie der deutsche Flugabwehrpanzer Gepard oder das Flugabwehrsystem IRIS-T, die in dieser Höhe operieren können, viel zu knapp, um auf die vielen Angriffsdrohnen zu reagieren.
Kiew will 1000 Abfangdrohnen im Monat einsetzen
Dagegen sollen die Abfangdrohnen helfen. Deren Entwicklung nahm einige Zeit in Anspruch. So berichtet es der Sprecher des Drohnenherstellers Wild Hornets, Alex Roslin, der F.A.Z. Die Idee für eine Abfangdrohne sei von einer ukrainischen Luftverteidigungseinheit gekommen, die im Herbst 2024 Kontakt mit dem Unternehmen aufnahm. Es habe dann mehrere Monate und eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen den Entwicklern und den Soldaten gebraucht, bevor sie im Mai ihre ersten Abschüsse auf den sozialen Medien präsentieren konnten. Der ukrainische Staat habe mit der Entwicklung wenig zu tun gehabt.
Die ersten Erfolgsmeldungen scheinen jedoch Wirkung zu zeigen. Die ukrainische Regierung will die Produktion von Abfangdrohnen steigern. Künftig sollen mindestens 1000 pro Monat gegen russische Angriffe eingesetzt werden, kündigte der ukrainische Verteidigungsminister an. Er könne nicht sagen, mit wie vielen Abfangdrohnen die Armee derzeit kämpfe, so Denys Schmyhal. „Aber in naher Zukunft werden wir dieses Level erreichen.“
Die Produktion an sich sei kein Problem. Die Herausforderung liege bei fehlenden Bodenkontrollsystemen, Radaren und anderen Komponenten, die auch KI für eine präzise Zielerfassung nutzten. „Es gibt ein ganzes Abfang-Ökosystem, das nicht nur aus Abfangdrohnen besteht – diese sind nur die Spitze des Eisbergs in diesem großen, koordinierten System.“
Von einem „Ökosystem“ zur Verteidigung gegen russische Drohnen spricht auf der Rüstungsmesse in Lemberg auch EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius. Teil des Drohnenabwehrschildes, den er für Europa fordert, sollen Abfangdrohnen nach ukrainischem Vorbild sein. Es sei an der Zeit, von der Ukraine zu lernen, betont er.





















