Stil

Wie sich die Mailänder Modewoche gegen Paris zu behaupten sucht | ABC-Z

Diese beiden haben gerade einen Lauf. Domenico Dolce und Stefano Gabbana, beide schon Mitte 60 und seit ziemlich genau 40 Jahren mit eigenen Schauen auf der Mailänder Modewoche vertreten, spielen in diesem Sommer alles aus. Erst die Männermodenschau in Mailand: weite Hosen, Pyjama-Looks, Längsstreifen, entspannte Stimmung. Und dann noch das Kleid für Lauren Sánchez Bezos am Wochenende. Über die Braut und den Bräutigam und die Feier kann man lange streiten – über das äußerst aufwendig hergestellte Kleid von Domenico Dolce und seinen Näherinnen mit Spitzen­besatz und Sanduhrsilhouette weniger.

Am Sonntag sind die Schauen für die Männermode nach zwei Wochen in Mailand und schließlich in Paris zu Ende ­gegangen. (Die Damenmode-Saison, die im September in New York beginnt, wird dagegen vier Wochen lang dauern.) Und ­Dolce & Gabbana fassten die Weite und Breite der neuen Herrenmode wohl besser zusammen als jede andere Kollektion für Frühjahr und Sommer 2026.

Mit den Highlights in Paris konnte Mailand zwar nicht mithalten: Jonathan Andersons Debüt für Dior, Jacquemus’ Reise zurück in seine Kindheit und ­Pharrell Williams’ Marketingspektakel für Louis Vuitton sind schwer zu über­treffen. Aber auch gegen die Übermacht von französischen LVMH-Marken traten die beiden italienischen Designer und Unternehmer an. Statt die Models am Ende nur eine Runde durch ihr Metropol-Theater drehen zu lassen, ließen Dolce & Gabbana sie geradewegs hinaus auf den Viale Piave gehen. Dort warteten am Straßenrand mehr als 1000 Jugendliche darauf, dass ihre Stars aus der ersten ­Reihe wieder her­aus­kamen – und machten derweil unzählige Fotos von den vielen Models, die einmal die Straße hinauf und dann wieder hinunter liefen. Auf ­Social Media war daraufhin die ­Hölle los.

Nicht mehr nur Anzüge: Corneliani
Nicht mehr nur Anzüge: CornelianiHelmut Fricke

Diese Aktion war, bemessen an den Key Performance Indicators, den KPIs, mit denen der Erfolg von Marketing­aktivitäten gemessen wird, definitiv eine bessere Strategie, als alte Autos auszustellen. Zwischendurch musste man sich in Mailand fragen: Sind wir hier überhaupt bei Modenschauen? Denn wohin man auch blickte: Oldtimer! Vor dem Showroom von Ralph Lauren stand ein uralter Bugatti, schließlich hat der Fünfundachtzigjährige eine große Oldtimer-Sammlung. Bei der Präsentation von Tod’s an der Villa Necchi lehnten sich die Männermodels an einen alten Lamborghini. Die Marke Jacob Cohën, die gerade ihr vierzigjähriges Bestehen feiert und sich vom Jeans- zum Allround-Anbieter ent­wickelt, macht aus der Autoraserei immerhin einen Gag. Bei der Präsen­tation an der Via Tortona liegt ein männ­liches Model im Denim-Overall, mit Schraubenschlüssel in der Hand, unter einem Fiat 500 und scheint etwas zu reparieren. Das setzt den deutschen Witz über italienische Autos in Szene: „Was heißt Fiat? Fehler in allen Teilen.“

Schmaler als gedacht: Prada
Schmaler als gedacht: PradaHelmut Fricke

Bei Fay steht ein Alfa Romeo TZ2 vor der Tür. Von den roten Leichtgewichten gibt es nur zwölf Stück, 1967 wurde die Produktion eingestellt. Ist die dazuge­hörige Mode etwa aus der Zeit gefallen? „Wir sind keine Modemarke, wir sind eine Life­style­marke“, sagt Fay-Chef ­Andrea Della Valle gut gelaunt. Das Auto passe zum „urbanen Casual-Chic“ der Marke. Della Valle kooperiert mit dem Rennfahrer Ronnie Kessel in einer Kollektion von Racing-Jacken, die von den Overalls der Fahrer aus den Sechzigern angeregt sind. Oldtimer zu fahren sei ­harte Arbeit, sagt Kessel und hält seine Handflächen hoch: lauter Schwielen. Bei einem einzigen Rennen, so erzählt der Fahrer, muss man 1500 Mal schalten, und es gibt keine Servolenkung.

Locker in den nächsten Sommer: Dolce & Gabbana
Locker in den nächsten Sommer: Dolce & GabbanaHelmut Fricke

Die modische Botschaft: Autofahrerhandschuhe haben zumindest bei Old­timern ihren Sinn. Und: Sportmode ist dankbar, wie man auch an den unzäh­ligen stilistischen Anspielungen auf den Tennissport sieht. Ansonsten, liebe Mode­firmen, das nur für die künftige ­Planung: Mit Autos und Technik können die meisten Modemenschen wenig anfangen. Diese Millionärs- und Milliardärs-Spielzeuge sind auch recht weit entfernt von dem, was man Trend nennt.

Ein Handyfoto als Vorbild: So einfach kann Mode sein

Näher dran an dem, was die Menschen im Alltag beschäftigt, ist da schon Massimo Giorgetti. Der Gründer von MSGM hält sein Lieblingshemd in die Kameras, das ein Mountainbike vor Berglandschaft zeigt. Wie er auf das Motiv gekommen ist? „Ganz einfach“, sagt der Designer, als er in seinem großen Laden an der Via Broletto seine Kollektion ausstellt. Er holt sein Handy hervor und zeigt ein Bild seines eigenen Mountainbikes vor Berglandschaft. Er hat es einfach aufs Hemd gedruckt. So einfach kann Mode sein.

Alle Farben auf einmal: Paul Smith
Alle Farben auf einmal: Paul SmithHelmut Fricke

So waren in Mailand wieder viele ­Details zu entdecken, die Kreativität erkennen lassen. Beispiel Brioni. Dort setzt Chefdesigner Norbert Stumpfl im Trend der Zeit auf die Stichworte „sanft, leicht, flexibel, bequem“. Einige der Muster sind durchaus witzig: Eine aufgestickte geometrische Figur auf einem Anzug ist nach dem Google-Earth-Bild der Brioni-Werkstätten gestaltet. Man will es auch bei dieser Marke, die zum Konzern ­Kering gehört, persönlich halten. Das Dinner in den Arkadengängen des Palazzo Stampa di Soncino sprach für sich.

Wildes Design ist hingegen nicht zu ­sehen. Die Marken gehen auf Nummer ­sicher, denn die geopolitischen Krisen drücken weiter auf die Konsumstimmung. „Der Handel fährt auf Sicht“, resümiert die „Textilwirtschaft“. Es werde überprüft, was immer auf Lager sein muss, ob man weiter so umfassende ­Kollektionen anbieten muss und ob die Preise nicht langsam übertrieben sind.

Über solche Fragen lächeln manche feinen Marken – die auch wegen der ­Preise so fein sind. Brunello Cucinelli und ­Kiton sind Beispiele dafür, dass sich Teures auch in der Krise gut verkaufen kann. Noch erfolgreicher ist nur noch Prada. Während der Luxusmarkt leidet und die Männermode sich an Klassiker hält oder den Trend zu Weite und Breite nachbetet, sind Miuccia Prada und ihr Ko-Designer Raf Simons schon wieder weiter. Ihre Kollektion ist so spektakulär unspektakulär, dass man vergeblich nach dem Sinn des Ganzen sucht. So viel aber war zu ­sehen: Zigarettenhosen statt „loose fit“, spitze Hüte, Shorts und ­Lederjacken mit kurzen Ärmeln sind ungefähr das Gegenteil von dem, was sonst zu sehen ist. „The trend is your friend“ heißt es. Manchmal ist es aber auch der Anti-Trend.

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