Wirtschaft

Wie sich Anleger jetzt auf 2025 einstellen – Wirtschaft | ABC-Z

Eigentlich sollte es verboten sein, die Wörter Champagnerlaune und Börse in einem Satz zu verwenden. Zu klischeehaft, zu abgegriffen und außerdem: Stimmt es überhaupt? Zur Jahresschlussbörse ist eine Ausnahme erlaubt, stoßen die Frankfurter Börsenleute auf dem Parkett im Handelssaal gegen 14 Uhr doch traditionell mit einem Gläschen an. In die Freude über das üppige, zurückliegende Aktienjahr mischt sich bei vielen jedoch Ungewissheit: Was passiert im kommenden Jahr? Fünf Thesen für 2025.

1. Mit Trump werden die Börsen politischer

Gleich am ersten Tag wird es ernst: Der designierte US-Präsident Donald Trump will Zölle gegen die Großmacht China einführen, aber auch seine geografischen Nachbarn Kanada und Mexiko handelspolitisch an die Kandare nehmen. Während er im Falle Chinas einen Aufschlag von zehn Prozentpunkten auf alle bisherigen Zölle erheben will, erwägt Trump im Falle Mexikos und Kanadas eine Art Einheitszoll von 25ؘ Prozent – obwohl er selbst in seiner ersten Amtszeit ein gemeinsames Freihandelsabkommen mit diesen Ländern geschlossen hatte.

Derlei Ankündigungen zeigen, dass mit Trump nicht nur die Großbuchstaben-Politik wieder Einzug hält, sondern sich Anlegerinnen und Anleger erneut an eine wenig berechenbare Linie gewöhnen müssen. Ob der selbsternannte Dealmaker Trump die Zolldrohungen nur als Verhandlungsmasse nutzen will oder mit Globalisierung und Freihandel tatsächlich die Grundfeste der modernen Wirtschaftsordnung antasten möchte, ist nicht bekannt. Klar ist nur: Die ohnehin schon angeschlagene Weltwirtschaft könnte bald noch mehr Problemzonen haben.

Anfang Dezember erlebte selbst Trumps Lieblingsbörsenbarometer Dow Jones aus 30 tonangebenden US-Aktien zehn Verlusttage in Folge, so viele wie seit 1974 nicht mehr. Als dann auch noch Republikaner aus den eigenen Reihen gegen einen Haushaltsentwurf von Donald Trump rebellierten, zeigte sich beispielhaft, wie turbulent seine Amtszeit werden könnte.

2. Die großen Treiber bleiben – und ändern sich trotzdem

Nimm zwei – das schien im abgelaufenen Jahr das Motto der Weltbörsen gewesen zu sein: Dem Aufwärtsdrang der US-Börsen konnte sich niemand widersetzen, genauso wenig wie dem rasanten Aufstieg einiger Titel rund um das Trendthema künstliche Intelligenz. Während der US-Leitindex S&P 500 um mehr als 25 Prozent kletterte, bestimmen die breiten US-Börsen bereits mehr als 65 Prozent des gesamten Gewichts der Weltbörsen. Und während der Kurs der Chipfirma Nvidia allein im zurückliegenden Jahr um 180 Prozent zulegte, fragen sich viele: Kann das so weitergehen? Börsenstrategen haben darauf eine sehr salomonische Antwort: Die zwei großen Treiber der Weltbörsen werden wahrscheinlich auch 2025 bleiben – und sich trotzdem ändern.

Die US-Wirtschaft dürfte auch im kommenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent vielen anderen Ländern davonlaufen. „Damit avancieren die USA wieder zur Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft“, meint Aktienstratege Ludwig Bendel von der Privatbank M. M. Warburg. Deregulierung und Steuersenkungen könnten die Gewinne der börsennotierten Konzerne unterstützen. Dabei dürfte sich ein Aufwärtsdrang allerdings anders als bislang nicht nur in den großen Techwerten niederschlagen, sondern an Breite gewinnen. Neben Banken, Industrie- und Energiefirmen könnten in Trumps Amerika gerade die kleineren Nebenwerte reüssieren. Im Durchschnitt machen die kleinen Börsenwerte im Nebenwerteindex Russell 2000 nämlich rund 80 Prozent ihres Umsatzes im eigenen Land, während diese Quote im Leitindex S&P 500 nur bei 60 Prozent liegt. Ein Stimmungsindikator der Vereinigung der Kleinunternehmen in den USA sprang mit der Trump-Wahl nahezu senkrecht nach oben.

Analog dazu könnte sich die Börsenrally auch in Sachen künstlicher Intelligenz verbreitern. Während die KI-Lieblinge Nvidia, Meta und Amazon deutlich zulegten, könnten im kommenden Jahr Techtitel aus der zweiten Reihe für Furore sorgen. Vielen Kunden ist zum Beispiel die Dominanz der Chipfirma Nvidia ein Dorn im Auge, das Augenmerk könnte sich daher zunehmend auf Konkurrenten verlagern – zumal nicht jeder Anwender für seine KI-Ansätze tatsächlich die leistungsfähigsten Chips benötigt. Viele Anleger dürften sich auch auf Unternehmen verlagern, die mit künstlicher Intelligenz bereits jetzt ihre Produktivität steigern – wenn anstelle von Menschen zum Beispiel KI-Chatbots viele Anfragen bearbeiten. Profitieren könnten außerdem Energiekonzerne, denn der Stromhunger der KI-Rechenzentren dürfte sich laut Schätzungen bis 2030 verdreifachen.

3. Die USA sind stark, aber teuer – Europa schwach, aber günstig

An der Börse wirken Europa und USA wie Zwerg und Riese: Während die Gewinne der europäischen Börsenfirmen 2025 gerade einmal um sieben Prozent zulegen dürften, erwarten Börsenprofis bei US-Aktien ein Gewinnwachstum von satten 15 Prozent. „Dies ist ambitioniert, aber aufgrund der wirtschaftspolitischen Ausrichtung in den USA aus unserer Sicht erreichbar“, meint Aktienstratege Ludwig Bendel.

Während Trumps Politik zumindest auf kurze Sicht mit Steuersenkungen die Gewinne treiben dürfte, ist Europa gleich mit einem ganzen Problemcocktail konfrontiert: Chinas Konjunkturflaute, die eigene Strukturkrise, ein drohender Handelskrieg und der tatsächliche Krieg in der Ukraine.

Wie weit die wirtschaftlichen Erwartungen für beide Weltregionen auseinanderfallen, verdichtet sich im Grunde in nur einer Zahl: In einer Umfrage von Deutsche Bank Research unter Kapitalmarktprofis glauben lediglich zwei Prozent der Befragten, dass das US-Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 weniger als ein Prozent betragen wird. Ausgerechnet dieses eine Prozent ist jedoch die durchschnittliche Erwartung der Kapitalmarktprofis für das europäische Wirtschaftswachstum.

Doch an der Börse kommt es nicht nur auf faktisches Wachstum und Unternehmensgewinne an, sondern auch auf die Bewertungen. Wollten Anleger in Europa beispielsweise den gesamten Aktienindex MSCI Europe kaufen, müssten sie dafür rund 13-mal den aktuellen Unternehmensgewinn der Firmen zahlen. Zum Vergleich: In den USA müssten sie bereits rund 23 Jahresgewinne der Börsenfirmen aufhäufen. „Viel Optimismus ist eingepreist“, sagt Aktienstratege Bernd Meyer von der Berenberg-Bank mit Blick auf die USA.

Das könnte paradoxe Folgen haben: Sollte unter Donald Trump die Inflation in den USA ein Comeback erleben, könnte die US-Notenbank mit höheren Zinsen gegenhalten. In der Folge müssten Firmen mehr für ihre Kredite zahlen, Privatleute würden nicht so viel auf Pump kaufen und Anlageprofis würden mehr Geld in Zinsanlagen stecken. Während es in den USA also gleich dreifachen Gegenwind für Aktien gäbe, könnte Europa aufatmen: Würde Europa in einen Zollkrieg gezogen, könnte die hiesige Notenbank die Zinsen vielleicht stärker senken als derzeit erwartet. Weil mit weniger Zinsen Geld aus dem Euro-Raum abfließen würde, könnte obendrein der Euro abwerten. Das wäre jedoch eine gute Nachricht für den gemeinsamen Wirtschaftsraum: Ausländische Käufer europäischer Waren müssten dann weniger US-Dollar zahlen, um die gleiche Menge an Gütern zu kaufen.

4. Diversifikation wagen – und zwar noch mehr

Wer breit streut, rutscht nicht aus: Auf diesen Nenner ließen Anlageprofis und Verbraucherschützer ihre Anlageempfehlungen in den vergangenen Jahren stets zusammenschnurren. Wer sein Geld über Kontinente, Branchen und Einzelfirmen verteilt, muss Kapriolen bei einzelnen Firmen weniger fürchten, sondern bloß Absacker der gesamten Weltbörsen. Viele Privatleute folgen mit ihrem Geld deswegen dem Industrieländer-Index MSCI World mit rund 1400 Aktien aus 23 Ländern. Doch inzwischen hat die Rechnung einen deutlichen Schönheitsfehler: Knapp 75 Prozent des Indexgewichts entfallen auf die US-Börsen – und hängen damit künftig auch an der Wirtschaftspolitik eines irrlichternden Präsidenten.

Wer sein Depot daher breiter aufstellen will, bekommt das meistens nicht zum Nulltarif. Egal, ob Anleger Gold, einen breiten Rohstoffkorb oder Schwellenländer-Aktien beimischen wollen – all diese Anlageklassen sind für sich genommen schwankungsanfälliger als der Weltaktienmarkt. Weil sie historisch jedoch bisweilen oder gar häufig in eine andere Richtung liefen als der MSCI World, konnten sie als Beimischung mit zehn oder zwanzig Prozent die Schwankungen eines Gesamtportfolios trotzdem dämpfen. Wer angesichts der US-Dominanz mehr Breite im eigenen Depot will, wird sie künftig aber buchstäblich wagen müssen.

5. Auf niedrigere Renditen einstellen

Für viele Anleger war es ein Schock: Während sie im langfristigen Schnitt eigentlich mit jährlichen Aktienrenditen von sieben oder acht Prozent rechnen, glaubt die US-Investmentbank Goldman Sachs für die kommenden zehn Jahre an magere Renditen. Die US-Börsen dürften in dieser Zeitspanne im Schnitt nur noch eine Rendite von drei Prozent pro Jahr bringen – und da ist die Inflation nicht einmal abgezogen.

Auch wenn die Investmentbank mit ihrer Prognose im Vergleich mit rund 20 anderen Langfristprognosen von Banken, Vermögensverwaltern und Analysehäusern eher tief stapelt, zeigen fast alle dieser Prognosen denselben Trend: Sie rechnen nicht damit, dass sich die üppigen Aktienrenditen der vergangenen 15 Jahre einfach wiederholen lassen. Erstens sind US-Aktien im Vergleich zu ihren Unternehmensgewinnen bereits recht teuer, müssten aus fundamentaler Sicht künftig für dieselben Kursgewinne also umso deutlicher zulegen. Außerdem bestimmen derzeit nur eine Handvoll großer Techtitel die Weltbörsen so deutlich wie lange nicht. „Die größten Unternehmen konnten sich meistens aber nie lange oben halten“, sagt Aktienstratege Ulrich Urbahn von der Berenberg-Bank mit Blick auf die jahrhundertelange Börsengeschichte.

Wer bis zur Rente einen bestimmten Betrag aufhäufen oder sich mit dem eigenen Aktiendepot eine kleine Zusatzrente basteln will, sollte künftig konservativer kalkulieren. Wer später nicht das Nachsehen haben will, muss also vorsichtiger rechnen.

Back to top button