Wie Rama Duwaji die Modewelt erobert | ABC-Z

So etwas hat das Netz noch nicht gesehen. „Das ist das, was wir seit Jackie Kennedy wieder brauchen“, sagt „azzijacob“ in einem Instagram-Beitrag. Für eine Nutzerin ist sie die „style inspo 2026“. Der Modemacher Jacquemus kommentiert die Fotos mit einem Herzchen, Marc Jacobs schickt gleich drei. Einer schreibt: „Endlich!“ Als wäre man von einem bösen Fluch erlöst worden.
Dabei geht es eigentlich nur um eine Modestrecke. Das Magazin „The Cut“ hat Rama Duwaji fotografieren lassen, die Illustratorin und Keramikerin, die am 1. Januar First Lady von New York wird. Sie ist mit Zohran Mamdani verheiratet, dem Demokraten, der im November zum Bürgermeister gewählt wurde und nun sein Amt antritt, als erster Muslim in der Geschichte New Yorks. Duwaji wird mit 28 Jahren die jüngste (und erste muslimische) First Lady in der Geschichte der größten amerikanischen Stadt – und stilisiert sich nun zur Ikone der „Gen Z“, also all jener, die jünger sind als 25 Jahre.
Während sich der weit links stehende Sozialist gerne in der U-Bahn oder auf dem Fahrrad menschlich gibt, zeigt sich seine bisher in der Öffentlichkeit zurückhaltende Frau nun in einer starken künstlerischen Inszenierung. Nicht so brav wie einst die amerikanische First Lady Jill Biden auf dem Cover der „Vogue“, sondern viel cooler in „The Cut“, der Modeausgabe des „New York Magazine“. Der Titel: „The Artist in Gracie Mansion“ – die Künstlerin in der Residenz des Bürgermeisters an der Upper East Side.
Die Fotostrecke ist der letzte Höhepunkt eines bewegten Jahres in der Modeszene. Man könnte diese Modefotos sogar in eine Reihe stellen mit den umjubelten Debüts bei Dior, Chanel und Balenciaga. Denn wie die großen neuen Designer wollen Stylistin Jessica Willis und Fotograf Szilveszter Makó nicht besonders avantgardistisch wirken, sondern eher im Gegenteil: auf geradezu malerische Art konservativ. Gerade das hebt die beste Modestrecke des Jahres aus den oft kommerziell vergifteten und stilistisch unterkomplexen Produktionen für Hochglanzmagazine heraus.

Die Fotos ergehen sich nämlich in einer Fotoästhetik der Fünfzigerjahre. Dabei stehen die skulpturalen Kleider in der Tradition der Haute Couture, in der es mehr um Formen ging als darum, sich in den guten Stücken auch gut bewegen zu können. Auch die Posen wirken wie aus einer Dior-Präsentation von damals – distanziert, leicht affektiert, mit misstrauischem Blick zur Seite („side eye“). Die Wirkung ist umso stärker, weil Szilveszter Makó als Set eine kleine Guckkastenbühne aufbaut. So wirkt die Szene theatralisch, zugleich eng begrenzt und grafisch eingefasst, fast wie ein Zimmerbild aus der Malerei des Biedermeier.

Die Posen, das Setting, die Schwarz-Weiß-Malerei – all das verbindet Makó mit Irving Penn, einem der größten Modefotografen. Ein Dreivierteljahrhundert nach Penns legendären Fotos von Lisa Fonssagrives (dem „ersten Supermodel“) konfrontiert der aus Ungarn stammende und in Mailand lebende Fotograf eine neue Generation mit einer unzeitgemäß zeitlosen Inszenierung: Rama Duwaji als „lebendige Statue“ vor minimalistischer Kulisse mit surrealistischen Details – samt einer Unschuldsmiene, die an Audrey Hepburn im Film „Funny Face“ (1957) erinnert, und cartoonesk hochgezogenen Fußspitzen wie bei Julie Andrews im Musicalfilm „Mary Poppins“ (1964).
Die überkandidelte Inszenierung mit schön in Form gebrachter „Bixie“-Frisur (aus Bob und Pixie) passt auch zur Persönlichkeit der Protagonistin. Rama Duwaji, die 1997 in Houston in eine wohlhabende syrischstämmige Familie geboren wurde, ihre Jugend in Dubai verbrachte und erst 2021 nach New York kam, studierte Kunst und arbeitet als Illustratorin, unter anderem für die „Vogue“ und den „New Yorker“. Auch ihre künstlerischen Neigungen hat der Fotograf ins Bild gesetzt – indem er ihr für ein Foto selbstgemachte Keramikhände überzog, die auf ihre eigene Arbeit als Keramikerin verweisen.

Wohl weil sie für propalästinensische Äußerungen schon scharf kritisiert wurde, gibt sich Rama Duwaji in dem Porträt in „The Cut“ zahm. Sie sei „keine Politikerin“. Ihre Priorität sei es, unbekannten Künstlern in der Stadt zum Durchbruch zu verhelfen. Aber über Palästina, Syrien, Sudan zu sprechen – das sei ihr wichtig. Ansonsten hält sich die Frau, die im Oktober auf Instagram ihre Trauer über den Tod des palästinensischen Aktivisten Al-Jafarawi ausdrückte, auffällig zurück. Trotzdem ruft die Fotostrecke auch Kritik hervor. Die „New York Post“, die schärfste Kritikerin des neuen Bürgermeisters und seiner Frau, meint, sie habe in dem Interview „gejammert“, nur noch als Ehefrau von Zohran Mamdani bekannt zu sein. Sie sei „launisch und undankbar“.
Vielleicht spricht daraus auch der Ärger darüber, dass Rama Dujawi die Bilder für sich sprechen lässt und damit so erfolgreich ist. Die Vergleiche reichen von Frida Kahlo über Jackie Kennedy bis zu Michelle Obama, die ebenfalls stilbewusst auftrat und junge New Yorker Designer förderte. Nicht zuletzt erscheint die neue First Lady der Stadt als Gegenbild zur First Lady des ganzen Landes: Auch Melania Trump legt Wert auf Mode, aber oft mit ungeschicktem Styling und Timing. Im Vergleich wirkt selbst diese zeitlose Inszenierung hypermodern.





















