Wie Münchens Friedhöfe nachhaltiger werden | ABC-Z
München – Für viele Münchnerinnen und Münchner spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle – im Leben und auch darüber hinaus. Immer mehr Menschen wünschen sich daher, dass auch ihre Bestattung im Einklang mit der Natur steht. Doch wie lässt sich der letzte Weg grüner gestalten? Die AZ hat sich bei der Stadt und den Religionsgemeinschaften umgehört, wie sie dem Wandel der Bestattungskultur begegnen.
Biologisch abbaubare Urnen und Reerdigung: ökologische Materialien
Särge, Urnen und Grabgestaltung können die Umwelt belasten. Doch auch die Bestattungsart kann sich negativ auf die Klimabilanz auswirken. Ob dabei eine Urnen- oder Erdbestattung die umweltschonendere Variante ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Fest steht: Deutschlandweit entscheiden sich mittlerweile mehr als zwei Drittel der Angehörigen für eine Urnenbestattung. Das ist auch in München so.
„Der Trend geht in Richtung Urnenbeisetzung“, sagt eine Sprecherin des Gesundheitsreferats (GSR). Dafür muss die verstorbene Person allerdings mit hohem Energieaufwand in einem Krematorium eingeäschert und dann auf dem Friedhof beigesetzt werden.
Je nach Technik im Krematorium können für eine Feuerbestattung mehrere Kubikmeter Gas erforderlich sein. Im Gegensatz dazu erfordert eine Erdbestattung keine zusätzliche Energie für den Verbrennungsvorgang, was einen geringeren CO2-Ausstoß zur Folge hat.
Bestatter setzen auf umweltfreundliche Materialien wie biologisch abbaubare Urnen und nachhaltig produzierte Särge. Im Partnernetzwerk „Grüne Linie“ haben sich einige zusammengeschlossen, die für umwelt- und klimaschonende Bestattungen einstehen. Für sie spielt eine Rolle, ob die Särge aus nachhaltig bewirtschafteten bayerischen Forsten stammen oder ob Grabsteine ohne Kinderarbeit hergestellt wurden.
Darüber hinaus gibt es neue Ansätze, die Bestattungen klimafreundlicher machen sollen. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Reerdigung, bei der der Körper des Verstorbenen mithilfe von organischen Materialien und Mikroorganismen zu Humus zersetzt wird. In Bayern ist diese Methode, die bereits in Schleswig-Holstein erprobt wird, allerdings nicht erlaubt.
Friedwälder und naturnahe Bestattungen: ein Ort des Gedenkens in der Natur
Bei den meisten naturnahen Bestattungen, insbesondere bei der weit verbreiteten Baumbestattung, ist die Beisetzung in der Urne üblich. „In München bieten viele der großen Friedhöfe schon seit langem eine beeindruckende Naturlandschaft mit Wiesen, Bäumen und Gewässern. Bereits seit der Eröffnung des Münchner Waldfriedhofs im Jahr 1907 – dem weltweit ersten seiner Art – gibt es die Möglichkeit, Verstorbene unter Bäumen zu beerdigen,“ sagt eine Sprecherin des GSR, dem die Friedhofsverwaltung unterstellt ist.
„Damals geschah dies jedoch im Sarg, nicht in der Urne.“ Bei Baumbestattungen wird auch die Urne mittlerweile nicht mehr direkt am Baumstamm, sondern unter den Baumkronen beigesetzt, um Wetterschäden an Baum und Grab zu vermeiden.
Nachhaltige Friedhofs-Gestaltung: Bepflanzung und Klimawandel
Der Klimawandel stellt auch Friedhöfe vor neue Herausforderungen. Trockenere Sommer und extreme Wetterlagen setzen den klassischen Friedhofsbepflanzungen zu. Viele Friedhofsgärtnereien in München versuchen daher, mit hitzebeständigen Pflanzen und insektenfreundlicher Bepflanzung auf die veränderten Umweltbedingungen zu reagieren.
Auch die Stadtverwaltung hat bereits Maßnahmen ergriffen. „Viele Rasenflächen wurden in Blüh- oder Magerrasenflächen verwandelt. Dazu haben wir den Rhythmus und die Technik der Rasenmahd angepasst, um für Wildbienen wichtige Refugien zu schaffen, wie auf dem Waldfriedhof in Großhadern oder dem Westfriedhof in Gern“, heißt es aus dem GSR.
Zusätzlich wird darauf geachtet, Biotopstrukturen wie Totholz und Laub auf den Friedhöfen zu belassen, um die Biodiversität zu fördern. Dabei ist die Balance zwischen den Anforderungen des Friedhofsbetriebs und den Anliegen des Naturschutzes eine ständige Herausforderung.
Auch die jüdischen Friedhöfe in München spüren die Auswirkungen des Klimawandels. „Da der Neue Israelitische Friedhof ohnehin als naturnaher Waldfriedhof mit einem stark gemischten Baumbestand konzipiert wurde, ist hier erfreulicherweise bereits eine gewisse Robustheit gegenüber klimatischen Veränderungen gegeben“, sagt Richard Volkmann, Sprecher der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.
Nachdem der Friedhof, wie viele andere Münchner Grünanlagen auch, unter starkem Befall durch den Buchsbaumzünsler zu leiden gehabt habe, werde der Buchsbaumbestand nach und nach ausgetauscht.
„Als Ersatz kommen dabei bewusst hitzeresistentere Alternativen zum Einsatz“, sagt Volkmann. Die meisten Toten werden, eingehüllt in ein Leichentuch, in die Erde gebracht. Nur in Ausnahmefällen gibt es Feuerbestattungen, denn diese sind im Judentum eigentlich verboten.
Ähnlich ist das im Islam, auch dort sind Feuerbestattungen untersagt. „Eine muslimische Bestattung folgt einer schlichten Abfolge: Der Körper wird in ein einfaches Baumwoll-Leichentuch gewickelt und ohne Sarg in Richtung Mekka beigesetzt,“ sagt Elmedin Haskic, Sprecher des Muslimrates. Die Leichentuchbestattung in Erdgräbern als zentraler Bestandteil der muslimischen Bestattungskultur erfülle also von Natur aus viele Prinzipien der Nachhaltigkeit.
Die Bestattung ohne Sarg ist in Bayern erst seit wenigen Jahren möglich, weshalb viele Muslime verstorbene Angehörige ins Ausland überführt haben. Bayerns erste muslimische Beisetzung im Tuch und ohne Sarg fand 2021 auf dem Westfriedhof statt.
Nachhaltigkeit und Seelsorge: die Rolle der Kirchen
Die evangelische Kirche in Bayern ist sich bewusst, wie wichtig Nachhaltigkeit für Gläubige ist. Christine Büttner, Sprecherin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB), erklärt: „In der christlichen Tradition zielt ‚Nachhaltigkeit’ in der Bestattungskultur vor allem auf die emotionale Qualität ab.“ Eine würde- und liebevolle und nachhaltige Abschiedskultur, die den Verstorbenen und die Umwelt achte, sei Kernbestand der christlichen Tugenden.
„Die Feuerbestattung, die heute weit verbreitet ist, war ursprünglich ein bewusster Gegenentwurf zur kirchlichen Bestattungskultur“, sagt Christine Büttner. Obwohl es rechtlich möglich wäre, betreiben die Kirchen keine eigenen Krematorien.
In der Praxis heißt das, dass das Thema Nachhaltigkeit für die Kirchen vor allem in der Beratung eine große Rolle spielt. Die Erzdiözese München und Freising hilft ihren Gemeinden etwa dabei, nachhaltige Praktiken auf den katholischen Friedhöfen umzusetzen. „Wir beraten Pfarreien zu Themen wie Klimaresilienz und Naturschutz und bieten den Pfarreien finanzielle Unterstützung an – zum Beispiel, um eine Photovoltaik-Anlage zu installieren“, sagt Christian Horwedel, Sprecher der Erzdiözese.
Ein spezieller „Online-Stammtisch“ dient als Austauschplattform für Umweltbeauftragte und Verantwortliche der Gemeinden, auf der Erfolgsmethoden und Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität auf kirchlichen Friedhöfen vorgestellt werden.
Was wollen die Münchner?
Die Stadt geht einen Schritt weiter und bezieht ihre Bürger aktiv in die Diskussion um die Friedhöfe der Zukunft ein. Im September konnten die Münchnerinnen und Münchner bei einer Online-Umfrage ihre eigenen Vorstellungen über die Zukunft der Bestattungskultur in München äußern. „Wir wollen wissen, wie sich die Bürger ihre letzte Ruhestätte vorstellen“, heißt die Umfrage des Gesundheitsreferats. „Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema. Die Umfrage soll uns helfen, zukünftige Projekte und Angebote auf den Friedhöfen besser zu gestalten.“