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Wie die „Zukunftsbauern“ im Berchtesgadener Land das Klima schützen wollen – Bayern | ABC-Z

Beim Berger haben sie zuletzt ziemlich in die Zukunft investiert. Der Hof liegt am Hang ein Stück oberhalb der Ortschaft Au in der Gemeinde Bad Feilnbach, direkt an der Grenze zwischen den Landkreisen Rosenheim und Miesbach. Auf praktisch allen südseitigen Dachflächen liegen Photovoltaik-Module, die Beleuchtung im Stall ist auf LEDs umgestellt und ein neuer Vorkühler sorgt dafür, dass die Milch den Tank schon mit ein paar Grad weniger erreicht. Außerdem spare die neue, intelligente Steuerung für die Hackschnitzelheizung „unglaublich viel Energie“, sagt Veronika Spann, die den Bergerhof mit ihrem Mann Marinus, den fünf Buben, Oma Annamirl und einem Azubi bewirtschaftet.

Veronika Spann ist auch sonst eine Art Vorzeige-Bäuerin der Milchwerke Berchtesgadener Land. Deswegen hat sie nun stellvertretend für alle 1600 Milchlieferanten und Genossen der Molkerei einen Vertrag mit den Milchwerken und mit der Supermarkt-Kette Penny unterzeichnet. Der Vertrag regelt, dass ein bestimmter Anteil des gemeinsamen Umsatzes in den Klimaschutz auf den Höfen der „Zukunftsbauern“ fließen soll.

Ein solches Miteinander von Milchbauern, Molkerei und Handel ist jedenfalls nicht die Regel in einer Branche, in der oft äußerst harte Preiskämpfe ausgefochten werden. In einer der wiederkehrenden Milchkrisen haben wütende Bauern 2009 lieber Tausende Liter Milch auf Äcker geschüttet, als sie zu den damaligen Konditionen an die Molkereien zu liefern.

Gerade steuere der Markt wieder auf eine Preiskrise zu, sagt Berchtesgadener-Land-Geschäftsführer Bernhard Pointner und führt das auf „eine toxische Mischung verschiedener Faktoren“ zurück, vom Krieg in der Ukraine über neue Zölle bis zu Übermengen und wachsenden Importen aus den USA.

Doch die „Zukunftsbauern“ sollen von solchen Krisen und auch von der fortschreitenden Erderwärmung nicht in ihrer Existenz bedroht sein. Ihr Mann habe ihr zwar noch mitgegeben, dass sie sich im Interesse der Bauernschaft schon auch ein bisschen beschweren müsse, sagt Veronika Spann. Aber sie sei eben „eine Bäuerin, die zuversichtlich in die Zukunft schauen kann“. So übersetzt sie für sich den Namen des „Zukunftsbauern“-Programms, der gleichzeitig eine Eigenmarke der Penny-Kette für Milchprodukte ist.

Milchwerke-Geschäftsführer Bernhard Pointner, Milchbäuerin Veronika Spann und Penny-Chefeinkäufer René Plasmann (von links) haben den „Zukunftsbauern“-Vertrag unterzeichnet.
Milchwerke-Geschäftsführer Bernhard Pointner, Milchbäuerin Veronika Spann und Penny-Chefeinkäufer René Plasmann (von links) haben den „Zukunftsbauern“-Vertrag unterzeichnet. (Foto: Matthias Köpf)

Geliefert werden diese Produkte deutschlandweit von den Milchwerken Berchtesgadener Land. Die Rewe-Konzerntochter Penny verzichtet bei diesen Produkten und auch beim normalen Berchtesgadener-Land-Sortiment auf einen öffentlich nicht genau bezifferten Teil ihrer Handelsspanne. Die Milchwerke verdoppeln diesen Betrag und zahlen die Summe in Beträgen von bis zu 10 000 Euro als Zuschüsse für Investitionen in den Klimaschutz und die Energieeffizienz auf den einzelnen Höfen aus.

Die Familie Spann hat dafür im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 60 000 Euro in ihren Bergerhof gesteckt und 8000 Euro dafür von der Molkerei wiederbekommen  – „ganz unkompliziert“ wie Veronika Spann versichert. Dazu gab es Beratung, Workshops und Exkursionen zu anderen Höfen mit passenden Muster-Anlagen.

Das Programm gibt es schon seit 2021, bisher habe man rund 2,5 Millionen Euro für 700 einzelne Vorhaben ausbezahlt, sagt Pointner. Die Landwirte selbst haben zusammen 16 Millionen Euro in die Projekte gesteckt, darunter PV-Anlagen und Stromspeicher, LED-Beleuchtungsanlagen, Vorkühler, Hackschnitzelheizungen und neue Steuerungen für Melkanlagen. Mehr als 100 Bauern stehen mit ihren Projekten auf der Warteliste.

Mit dem nun am Molkerei-Sitz in Piding unterzeichneten Vertrag zur Verlängerung des Programms würden Mindestabnahmemengen und mögliche Sonderzahlungen für weitere drei Jahre vereinbart. Erstmals säßen dabei Handel, Molkerei und Landwirte gleichberechtigt am Tisch, heißt es von Berchtesgadener Land, wobei die 1927 gegründete Molkerei selbst eine Genossenschaft und vollständig im Besitz all ihrer 1600 Lieferanten ist. Deren Höfe liegen im Alpen- und im Alpenvorland zwischen Watzmann und Zugspitze und etwa 200 davon auch im grenznahen Österreich. Für einen Liter konventionell erzeugte Milch zahlte die Molkerei ihren Bauern in diesem Jahr nach eigenen Angaben gut 58 Cent und damit deutlich mehr als im Branchendurchschnitt.

In den Milchwerken in Piding wird an fünf bis sechs Tagen pro Woche durchschnittlich jeweils eine Million Kilogramm Milch verarbeitet.
In den Milchwerken in Piding wird an fünf bis sechs Tagen pro Woche durchschnittlich jeweils eine Million Kilogramm Milch verarbeitet. (Foto: Matthias Köpf)

In Piding werden nach Angaben der Molkerei pro Tag im Schnitt etwa eine Million Kilogramm Milch verarbeitet, im Sommer etwas mehr als im Winter. Das entspreche einem Anteil von einem knappen Prozent am deutschen Milchmarkt. In Bayern ist dieser Anteil deutlich höher, denn die Milchwerke setzten ihre Eigenmarken hauptsächlich im Süden Deutschlands ab.

Für Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die selbst aus dem Landkreis kommt, ist ein Besuch bei „Berchtesgadener Land“ wie nun zur Vertragsunterzeichnung stets ein Heimspiel. Und in den vergangenen Jahren gab es in Piding einiges einzuweihen und in Betrieb zu nehmen. 2024 und 2025 seien die ersten Jahre seit sehr langer Zeit, in dem kein Baukran auf dem Molkereigelände stand, sagt der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, Andreas Argstatter.

Eine der jüngsten großen Errungenschaften ist die Energiezentrale mit einer eigenen Gasturbine und zwei gewaltigen Notstromaggregaten. Damit kann die Molkerei trotz ihres hohen Energiebedarfs im besten Fall wochenlang autark in Betrieb bleiben, auch wenn rundherum alles in einem Blackout versinken sollte.

Für Ministerin Kaniber fügt sich das genauso wie die Nachhaltigkeitsstrategie der Molkerei in ein Konzept der „Ernährungssouveränität“ auch im Krisen- oder Kriegsfall. Mächte wie Russland oder China spielten strategisch mit dem Hunger in der Welt. Diese „perfideste Waffe, die wir haben“, treibe überall Menschen in die Flucht aus ihren Heimatländern. Umso wichtiger sind für Kaniber Regionalität, Unabhängigkeit und Wertschöpfung im eigenen Land, die sie mit den „Zukunftsbauern“ vorbildlich verwirklicht sieht. Denn da könne „jeder jeden Tag Politik machen, nämlich mit dem Einkaufskorb“.

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