Wie die SPD die Bürger entlasten will – Politik | ABC-Z
Das Video zeigt, wie die SPD ihren großen Rückstand auf die Union aufholen will. Ein aus Wolken generiertes Schloss erscheint, dazu aus dem Off eine Stimme: „Während andere Luftschlösser bauen, steht unser Programm auf sicherem Fundament.“ Und nach dem suboptimalen Verlauf der Ampelkoalition und Zweifeln am Kanzlerkandidaten Olaf Scholz liegt der Fokus dieses Mal mehr auf dem Programm als auf der Person des Spitzenkandidaten.
Generalsekretär Matthias Miersch betont bei der Vorstellung des Wahlprogramms im Willy-Brandt-Haus: „Wir werden eine Kampagne fahren, die kurz und knackig ist.“ Miersch steht auf der Bühne mit den SPD-Chefs Lars Klingbeil und Saskia Esken – und natürlich ist auch Olaf Scholz da. Er will ja schließlich noch einmal zum Kanzler gewählt werden. Hinter ihnen steht auf der roten Wand der zentrale Wahlslogan: „Mehr für Dich. Besser für Deutschland.“
Aber Scholz holt hier erst mal seine flapsige Bemerkung vom Vortag ein, als er im „Heute-Journal“ von „Fritze Merz“ sprach, der „Tünkram“ über ihn erzähle. Ob das für einen Kanzler angemessen sein, will ein Journalist wissen. Scholz betont, Merz habe schlicht die Unwahrheit erzählt. Der Kanzlerkandidat der Union hatte betont, Scholz falle auf der EU-Bühne vor allem durch arrogante Auftritte oder Schweigen auf. Was denn „Tünkram“ übersetzt ins Hochdeutsche bedeute? Scholz: Na, wenn jemand frei erfundenes Zeug daherrede.
Mit Blick auf das Wahlprogramm betont Scholz, dass es für ihn um mehrere Kernpunkte gehe: Entlastungen für die Bürger; nach dem US-Vorbild des Inflation Reduction Act Investitionen in Deutschland fördern; die Renten sichern und die Bundeswehr so zu stärken, dass dies nicht auf Kosten von Rente, Gesundheit und Pflege geht. Nach Auslaufen des Sondervermögens werden ab 2028 über 30 Milliarden Euro mehr für den regulären Verteidigungsetat benötigt. Der Union wirft er vor, Antworten schuldig zu bleiben, Merz will mit Einsparungen und Umschichtungen mehr Geld für die Bundeswehr loseisen. Und Scholz legt sich klar fest: kein Taurus für die Ukraine.
Nach den Preissteigerungen durch die Folge des russischen Krieges in der Ukraine und der Inflation will die SPD nun auf mehr Entlastungen setzen, für untere und mittlere Einkommen. Standen beim letzten Mal noch Themen wie das Bürgergeld ganz oben auf der Agenda, will man sich nun viel stärker auf die Alltagssorgen der sogenannten arbeitenden Mitte konzentrieren. 95 Prozent der Steuerzahler sollen mehr netto haben. Zudem soll die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent sinken – was nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft vier Milliarden Euro im Jahr kosten würde.
Der Mindestlohn soll auf 15 Euro steigen – obwohl man nach der Festsetzung auf zwölf Euro versprochen hatte, nicht noch einmal politisch in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohnkommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern eingreifen zu wollen. Das Rentenniveau soll auf 48 Prozent des Durchschnittseinkommens stabilisiert werden. Als weitere wichtige Botschaften verspricht die Kanzlerpartei, dass das Mittagessen in Kita und Schule überall kostenlos sein soll, die Mietpreisbremse soll unbefristet verlängert werden und der Eigenanteil für Pflegekosten auf 1000 Euro gedeckelt werden.
Nach den IW-Berechnungen fallen bei der SPD die Steuersenkungen für private Haushalte kleiner als bei der Union aus, Normalverdienern blieben rund 15 Milliarden Euro mehr. Durch die Erhöhung des Spitzen- und Reichensteuersatzes, Wiedereinführung der Vermögensteuer, Verschärfung der Erbschaftssteuer und eine stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen könnten aber wiederum 19 Milliarden zusätzlich eingenommen werden. Insgesamt attestiert das IW den SPD-Plänen eine klarere Gegenfinanzierung als bei der Union. Da gebe es viele Fragezeichen. Die SPD will hingegen auch mit einer Reform der Schuldenbremse mehr Spielraum für Investitionen schaffen, vor allem in Wirtschaft, Bildung, Schienen, Brücken und Straßen. Die gerade für die Industrie zu hohen Stromkosten sollen mit Zuschüssen gesenkt werden. Um der Autoindustrie zu helfen, soll der Kauf von in Deutschland produzierten E-Autos per Steuerrabatt attraktiver werden. „Kaufen, bei der Steuer angeben, Zuschuss direkt aufs Konto“, verspricht die Partei.
In seiner Rede zur Vertrauensfrage hatte Scholz betont, die USA, China und andere Länder lockten Unternehmen mit Steuervorteilen und milliardenschweren Programmen. Arbeitsplätze, die einmal weg seien, kämen nie zurück. Mit der „Wirklichkeitsverweigerung“ müsse Schluss sein. Eine Anspielung auf das Sparen der FDP, die anderen G-7-Länder hätten eine Staatsverschuldung von mehr als 100 Prozent des BIP. „Unsere sinkt in Richtung 60 Prozent.“ IWF und OECD würden „uns beknien, endlich mehr zu investieren“, so Scholz. Der Kanzler, der die bisherige Politik bekanntlich mitzuverantworten hat, will auch einen mit 100 Milliarden gefüllten Deutschlandfonds, um mehr in Strom- und Energienetze, Wohnungsbau und künstliche Intelligenz zu investieren. Ein „Made in Germany-Bonus“ für Investitionen etwa in neue Maschinen soll mit zehn Prozent der Kosten gefördert werden.
Scholz’ Selbstvertrauen ist jedenfalls nicht erschüttert, er glaubt an seine politische Zukunft nach der Wahl am 23. Februar. Auch den Winterwahlkampf fürchtet er nicht. „Ich stelle mich auch in die Kälte.“ Er habe auch einen dicken Mantel. Am Ende wird er dann noch gefragt, ob die Bürger, die die SPD mit ihrem Slogan „Mehr für Dich“ einfach duze, auch ihn, den Kanzler, dann duzen dürften? Scholz meint, klar. „Ich unterhalte mich dann auch mit Du.“