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Wie die Mafia und die Ultras Mailands Kurven beherrschten | ABC-Z

Beretta weint, notieren die Polizisten, die ihn im Oktober 2024 abhören. „Du hast nicht verstanden“, sagt er. Am Telefon ist seine frühere Frau. „Ich komm hier nicht mehr raus. Ich komme tot raus.“

Andrea Beretta ist Boss der Curva Nord, der Ultras von Inter Mailand. Seit er 17 Jahre alt war, ist er dabei, meist ganz vorn: gegen die Rivalen. Gegen Juve, Napoli, Roma, mit Fäusten, Knüppeln, Steinen. Ins San Siro, das Mailänder Stadion, darf er schon seit Jahren nicht mehr. Er ist vorbestraft, weil er einem Schwarzmarkthändler das Bein gebrochen hat. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Diesmal geht es um Mord. Die Beweise sind ziemlich klar. Es gibt Videos, aufgenommen von den Überwachungskameras eines Boxgyms.

Das Mordopfer ist Antonio Bellocco. Auch er gehörte zur Führungsriege der Kurve. Am Abend vor der Tat waren die beiden noch zusammen auf dem Bolzplatz. Im Gym umarmen sie sich zur Begrüßung. Beretta ist einen ganzen Kopf größer. Belloccos Spitzname lautet „Totò ’u Nanu“, Totò, der Zwerg.

„Er hat uns unseren Sohn genommen“

Belloccos Familie kommt aus Kalabrien. Sein Vater ist im Gefängnis gestorben. Seine Mutter sitzt noch ein, verschärftes Regime, wie es in Italien für Mafiabosse vorgesehen ist. Ermittler zählen die Belloccos zu den mächtigsten Clans der ’Ndrangheta. Wenige Tage nach dem Mord berichten italienische Zeitungen von einem Gespräch, das die Polizei abgehört hatte. „Er hat uns unseren jungen Sohn genommen, ohne Grund“, sagte Belloccos Schwiegermutter zu dessen Bruder. „Du musst etwas unternehmen, weißt du was? Du musst ein Massaker anrichten.“

Andrea Beretta fürchtet um sein Leben.interclubindo/Instagram

Also hat Andrea Beretta Angst vor der Rache, als er mit seiner Ex-Frau telefoniert und die Polizei zuhört. „Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich muss diesen Weg gehen.“ Seine frühere Frau widerspricht: „Nein, nein, nein, nein“, sagt sie. Beretta mache dem gemeinsamen Sohn großen Kummer. „Werde nicht zum Verräter!“

Doch Beretta lässt sich nicht umstimmen. Er tut, was unter Ultras so verpönt ist wie bei der Mafia: Er arbeitet mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen. Um in den Zeugenschutz zu kommen, sagt er aus. Tagelang. Hunderte Seiten füllen die Protokolle, die der F.A.Z. vorliegen. Beretta beschreibt detailliert, was sonst hinter den gewaltigen Choreographien in der Nordkurve des San Siro verborgen bleibt: Rivalisierende Ultra-Gruppierungen kämpfen um Macht und Geld. Sie haben enge Verbindungen in die organisierte Kriminalität. Und handeln oft selbst wie kriminelle Organisationen.

Die Mafia und der Fußball: Schon vor Jahren warnte die Antimafia-Kommission des italienischen Parlaments vor einer Unterwanderung durch Camorra, Cosa Nostra und ’Ndrangheta. Das Einfallstor, durch das sich diese den Vereinen näherten, schrieb sie in ihrem Abschlussbericht, seien die organisierten Fans. Sie führte Dutzende Ermittlungsverfahren auf, die gezeigt hatten, wie Mafiosi in den Kurven der Ultras mitmischten – von Neapel über Lazio Rom bis Juventus Turin. Dass sich daran bis heute nichts geändert hat, zeigt das Verfahren, das die Staatsanwaltschaft Mailand schon lange vor dem Mord im Gym eingeleitet hatte. Sie nannte es „Doppia Curva“. Denn im Fokus standen nicht nur Ultras von Inter, sondern auch die Curva Sud, wo die Rivalen vom AC Mailand stehen.

Was im Stadion passiert, scheint die Bosse nicht zu interessieren

Berettas Aufstieg an die Spitze der Curva Nord beginnt an Weihnachten 2018 mit einem tödlichen Überfall. Vor einem Heimspiel gegen Neapel lauern Inter-Ultras Gästefans auf. Sie werfen Böller, stürmen auf die Straße, zerschlagen Autoscheiben. Ein Ultra aus Varese, der angereist ist, um die Mailänder zu unterstützen, wird im Chaos umgerissen. Bleibt liegen. Ein Napoli-Ultra tritt aufs Gaspedal. Er fährt mit seinem SUV über den Mann. Zertrümmert ihm das Becken. Der Neununddreißigjährige stirbt an seinen inneren Verletzungen.

Das Mordopfer hieß Antonio Bellocco.
Das Mordopfer hieß Antonio Bellocco.Picture Alliance

Der Tod stürzt die Inter-Ultras in Unruhe. Auch weil bei dem Überfall keiner aus der Führungsriege dabei war. Vittorio Boiocchi sieht seine Chance, die Macht zu übernehmen. In der Kurve nennen sie ihn „Lo Zio“: der Onkel. Schon in den Achtzigern hat er bei den „Boys-San“ mitgemischt, der ältesten Ultra-Gruppierung. Sein Vorstrafenregister: Raub, Diebstahl, Waffenbesitz, internationaler Drogenhandel, Entführung, Bildung einer kriminellen Vereinigung.

„Onkel“ Boiocchi tut sich mit Beretta zusammen, der Respekt genießt, auch weil er beim Überfall auf die Neapel-Fans wieder vorn dabei war, Seite an Seite mit dem getöteten Varese-Ultra.

Sowohl Boiocchi als auch Beretta haben Stadionverbot. Was dort passiert, scheint die neuen Bosse aber auch nicht besonders zu interessieren. „Das geht mir am Arsch vorbei“, sagt Beretta in einem abgehörten Gespräch über ein Spruchband. „Ihr wollt in die Kurve gehen und ‚Bella Ciao‘ singen? Das interessiert mich nicht. Verstanden?“ Er sagt: „Mein Leben dreht sich um Geld.“

Über einen Strohmann registriert Beretta die Marke „CN69“. Er macht einen Laden auf, an Spieltagen gibt es am Stadion Verkaufsstände für Curva-Nord-Fanartikel. Die Einnahmen, sagt Beretta später aus, hätten sie in der Führungsriege geteilt. 25.000 bis 30.000 Euro seien für jeden rausgesprungen, zweimal im Jahr. Bar und unversteuert.

Boiocchi kümmert sich um die Tickets. Die Ultras bekommen von Inter Mailand 160 Dauerkarten, ausgestellt auf alle möglichen Leute, „vielleicht auch auf den Namen meiner Tante“, sagt Beretta. Sie kosten damals 300 Euro. Die Bosse geben sie weiter, der Preis hängt vom jeweiligen Spiel ab. Für das „Derby d’Italia“ gegen Juve verlangen sie bis zu 80 Euro. Gibt es Probleme beim Einlass, weil die Tickets ja auf andere Namen ausgestellt sind, helfen die Ultras nach. Machen den Ordnern klar, dass derjenige zu ihnen gehört. Bei ausverkauften Spielen bringen sie Fans ohne Ticket ins Stadion, indem sie zu zweit durchs Drehkreuz gehen. Das kostet dann auch mal 300 Euro. Kassiert wird im „Baretto 1957“, einer Kneipe am Stadion, wo die Kassenführerin der Ultras ihr Büro aufschlägt.

Die Ultras drohen, brüllen, stoßen, schlagen. Bis alle raus sind

Die Ordner hätten bei alldem freiwillig weggeschaut, sagt Beretta. Die Ermittler zeichnen ein anderes Bild: Für sie ist die Führungsriege der Curva Nord eine kriminelle Vereinigung, der kampferprobte Kern der Ultras ihre „regelrechte Armee“. Rund ums Stadion verjagen sie Schwarzmarkthändler, die ihren Geschäften in die Quere kommen könnten. Sie bedrohen Ordner. Kassieren Parkplatzbetreiber ab. Nicht mal das Bier ist vor ihnen sicher. Das zeigen die Ermittlungen in der Südkurve. Als dort der Bierpreis auf sechs Euro erhöht wird, belagern AC-Mailand-Ultras die Verkaufsstände. Dem Caterer entgehen Tausende Euro. Und so stimmt er schließlich zu, der Curva Sud bei jedem Spiel 700 Biergutscheine zum Sonderpreis von 1500 Euro zu verkaufen. Die Führung der Kurve gibt sie weiter. Für jeweils fünf Euro. Macht 2000 Euro Gewinn pro Heimspiel.

Vittorio Boiocchi wird ermordet, die Polizei ermittelt.
Vittorio Boiocchi wird ermordet, die Polizei ermittelt.AP

Am 29. Oktober 2022 stirbt der „Onkel“. Vittorio Boiocchi wird ermordet. Zwei Männer lauern ihm auf, als er am Abend heimkommt, um das Spiel gegen Sampdoria Genua anzuschauen. Boiocchi ruft noch „Nein, nein, nein!“, so schildern es später Zeugen. Dann schießt der Killer fünfmal.

Als kurz darauf das Spiel im San Siro angepfiffen wird, hat sich die Nachricht von Boiocchis Tod schon herumgesprochen. Die Ultras wollen ihrem Boss huldigen, beschließen, für den Rest des Spiels die Kurve zu leeren. Nicht alle Fans wollen dem getöteten Kriminellen die Ehre erweisen, manche sind lange angereist und wollen einfach nur das Spiel sehen. Doch die Ultras drohen, brüllen, stoßen, schlagen. Bis alle raus sind.

Als Motiv für den Mord vermutet die Polizei Streit innerhalb der Ul­tras. Doch die Täter kann sie nicht ermitteln. Die Hintergründe bleiben im Dunkeln. Bis Andrea Beretta Kronzeuge wird.

„Wenn du dich mit Peppe anlegst, bist du im Arsch“

Begonnen, erzählt Beretta dem Staatsanwalt, habe das Misstrauen mit einer Frau, mit der erst er selbst und dann Boiocchi eine Affäre hatten. Danach hätten sie immer häufiger übers Geschäft gestritten. Boiocchi habe ihm vorgeworfen, Geld aus den Fanartikel-Verkäufen zu unterschlagen. Bei einem Treffen sei er mit Pistole aufgetaucht. Da habe Marco Ferdico, einer der Frontmänner der Ul­tras, ihm angeboten, „das Problem zu lösen“. Er selbst, sagt Beretta, habe ein Motorrad für die Killer und die Pistole besorgt. Und 50.000 Euro in einem Sportbeutel für die Durchführung des Mordes.

Nach Boiocchis Tod tauchen bei der Kassenwartin der Kurve die „Irriducibili“ auf, die Unbeugsamen, die zu den traditionsreichsten Ultra-Gruppierungen gehören. Einer ihrer Bosse ist Domenico Bosa, genannt „Mimmo Hammer“, weil er auch die Neonazi-Gruppierung Hammerskins in Mailand anführt. Die „Irriducibili“ verlangen die Herausgabe der Kasse, sehen ihre Chance, die Macht zu übernehmen. Auch zu ihm ins Sportgeschäft, sagt Beretta, seien drei Männer gekommen, darunter ein älterer Herr, den sie als Repräsentant einer kalabrischen Familie vorgestellt hätten. „Ich weiß nicht mehr, ob es die Mancuso waren, aber scheiß auf diese Kalabresen“, sagt Beretta. Eines sei klar gewesen: Es ging darum, ihn mit dem Namen eines einflussreichen ’Ndrangheta-Clans einzuschüchtern.

Der ältere Herr ist nur einer von vielen Mafiosi, die rund ums Mailänder Stadion mitmischen. Der Auftragskiller, der Boiocchi, den „Onkel“, erschießt, kommt aus einem Mafiadorf. Immer wieder tauchen Männer aus San Luca auf, das als Hochburg der kalabrischen Mafia gilt. „Wenn du dich mit Peppe anlegst, bist du im Arsch . . . Die Sanlucoti sind böse, eh!“, heißt es in abgehörten Gesprächen über einen, der Schutzgeld vom Parkplatzbetreiber am Stadion kassiert.

Ein anderer ist Boss der „Black Devils“, einer Ultra-Gruppierung vom AC Mailand, der sich anschickt, die Macht in der Südkurve zu übernehmen. Deren Führer ist damals Luca Lucci, italienweit bekannt, seit ihn Innenminister Matteo Salvini bei einer Jubiläumsfeier im Stadion herzlich umarmte. Als die Polizei ein Treffen von Lucci und Beretta beobachtet – den Ultra-Führern der beiden rivalisierenden Mailänder Klubs –, ist auch der Bruder eines Camorra-Bosses dabei.

Beretta gelingt es, die einzelnen Ultra-Gruppierungen zu entmachten

Das Stadion, sagt Ruggero Scaturro, sei die natürliche Verlängerung der Gesellschaft. Er ist Analyst der „Global Initiative against Transnational Organized Crime“ und erforscht für seine Doktorarbeit das Zusammenspiel von organisierten Fans und organisiertem Verbrechen. Ins Stadion, sagt er, gehe ein bestimmter Teil der Gesellschaft: überwiegend männlich, zwischen 15 und 50, also genau der Teil, der statistisch auch die organisierte Kriminalität repräsentiere. Gerade in Regionen mit traditioneller Mafia-Präsenz seien deshalb immer Mafiosi in den Kurven gewesen – in Catania, in Neapel und in Palermo, wo auf einem Stadionbanner schon mal die Abschaffung des strengen Haftregimes für Mafiabosse gefordert wurde.

Um die Macht in der Nordkurve nicht zu verlieren, sucht sich auch Andrea Beretta einen Mafioso. Marco Ferdico, der selbst aus Kalabrien stammt, stellt den Kontakt zu Antonio Bellocco her. Der ist auf Bewährung draußen und darf seine Heimatstadt erst verlassen, als Beretta und Ferdico ihm einen Job in Mailand besorgen, bei einer Reinigungsfirma, bei der Bellocco aber nie auftaucht. Sein Gehalt bekommt er von den Ultras: 2000 Euro im Monat. Was als Gegenleistung erwartet wird, beschreibt Beretta in einem abgehörten Gespräch: „nämlich deine Landsleute wegschicken“.

San Siro ist der Schauplatz des Mailänder Fußballs: „Für die Mafia ist das Stadion eine Einkommensquelle.“
San Siro ist der Schauplatz des Mailänder Fußballs: „Für die Mafia ist das Stadion eine Einkommensquelle.“Reuters

Und tatsächlich gelingt es Beretta und Ferdico mit „Totò dem Zwerg“ an ihrer Seite, die einzelnen Ultra-Gruppierungen zu entmachten. Sie setzen durch, dass im Stadion nur noch die Banner der „Curva Nord Milano 1969“ gezeigt werden. Nach außen wird das als Friedensschluss gefeiert. Berrettas Aussagen zeigen, was es wirklich ist: ein Putsch, unterstützt von einem Mafiaclan. Nur die „Irriducibili“ versuchen noch, sich zu widersetzen. Mimmo Hammer, der Neonazi, lädt zu Verhandlungen bei sich zu Hause. Er versucht, in Kalabrien herauszufinden, ob Bellocco tatsächlich im Namen seiner Familie handelt. Schließlich geben auch die Unbeugsamen auf. Sie verlassen die Nordkurve und stehen fortan im Süden, der Heimstatt der AC-Ultras. Eine Demütigung.

Im Frühjahr 2023 schafft es Inter Mailand ins Champions-League-Finale in Istanbul. Die Ultras sollen dafür Tickets vom Verein bekommen, 800 Stück. Das reicht ihnen nicht. Sie verlangen 1500. Ferdico ruft beim Fanbeauftragten von Inter an, immer wieder, nimmt Bellocco zu einem Treffen mit. Er telefoniert mit Marco Materrazzi, Weltmeister, Vereinslegende, und mit Trainer Simone Inzaghi. Die Ultras drohen mit Boykott, in Liga-Spielen, im Pokal-Finale. Sie machen über die Medien Stimmung gegen den Verein – bis die Geschäftsführung einknickt.

Die Ultras bekommen 1500 Karten.

Für die 1500 Tickets zahlen die Bosse je 80 Euro. Sie verkaufen sie für bis zu 900 Euro weiter. Inter verliert das Finale 0:1. Die Ultra-Führung macht Gewinn. Um die 90.000 Euro für jeden, sagt Beretta aus. Außerdem geht ein Teil der Einnahmen an Belloccos Familie, das legen abgehörte Gespräche nahe, um seinen Bruder zu unterstützen, der kurz zuvor in Frankfurt wegen Kokainhandels festgenommen worden ist.

Im neuen Dreigespann macht sich bald Misstrauen breit

„Für die Mafia ist das Stadion eine Einkommensquelle“, sagt Ruggero Scaturro, der selbst aus Palermo stammt. Mehrere Cosa-Nostra-Clans teilen sich dort die Kontrolle über die verschiedenen Sektoren im Stadion. In anderen Fällen reicht der Einfluss tief in die Vereinsstrukturen. Allein in diesem Jahr hat die italienische Justiz schon drei Vereine unter gerichtliche Zwangskontrolle gestellt, drunter der Drittligaverein Foggia Calcio. Lokale Mafiosi hatten versucht, den Klub komplett zu übernehmen. Sie schossen auf das Auto des Mannschaftskapitäns und planten Brandanschläge. Ultras sollen daran beteiligt gewesen sein.

In Mailand macht sich auch im neuen Dreigespann bald Misstrauen breit. Diesmal sind es Ferdico und Bellocco, die Beretta verdächtigen, ihnen Zehntausende Euro vorzuenthalten. Sie überlegen offenbar, ihn aufs Land zu verschleppen, ihn dort zu erschießen und zu verbuddeln. Doch derjenige, der den Mord ausführen soll, bekommt kalte Füße, auch weil er Angst hat, selbst das nächste Opfer zu werden. Er verrät Beretta den Plan.

Nachdem sich Beretta und Bellocco am Morgen des 4. September 2024 umarmt haben, verlassen sie das Gym. Sie steigen in Belloccos Smart, auch das ist auf den Videoaufnahmen zu sehen. Als das Auto rückwärts aus der Einfahrt rollt, fliegt plötzlich die Fahrertür auf. Doch niemand steigt aus, stattdessen macht der Smart wieder einen Satz nach vorn und prallt gegen die Tür des Klubs. Aus der Perspektive der Überwachungskamera lässt sich nur schemenhaft erkennen, wie auf der Fahrerseite einer der Männer auf den anderen stürzt. Kurz darauf kommt Beretta hinter dem Auto hervor. Bellocco ist tot. Getötet mit zwanzig Messerstichen. Fünf davon ins Herz.

Beretta wird festgenommen. Als Kronzeuge bekommt er Strafnachlass – und schließlich zehn Jahre Gefängnis, unter anderem für den Mord an Bellocco. Der Prozess um den Mord an Vittorio Boiocchi, dem Onkel, soll demnächst beginnen. Das Mailänder Gericht stuft die Führungsriegen der Ultras, sowohl von Inter als auch vom AC, als kriminelle Vereinigungen ein. Und verurteilt 16 von ihnen zu langen Haftstrafen. Außerdem müssen sie Schadenersatz an die Nebenkläger zahlen: 520.000 Euro an die Familie Bellocco, jeweils 50.000 an die beiden Vereine sowie 20.000 an den italienischen Fußballverband.

Dabei hatten die Staatsanwälte in ihren Gerichtsakten Inter Mailand noch vorgeworfen, den Machenschaften der Ultra-Bosse, „wenn auch widerwillig“, Vorschub zu leisten. „Diese äußerst schwerwiegende Situation besteht nun schon seit Jahren, ohne dass der Fußballverein jemals geeignete organisatorische Maßnahmen ergriffen hätte, um diesem Phänomen und dieser Unterwerfung ein Ende zu setzen“, schrieben sie. Ruggero Scaturro kritisiert, dass auch der italienische Fußballverband nach all den Jahren und all den Mafia-Skandalen keinerlei Konsequenzen gezogen habe. Immer dieselben Copy-and-Paste-Statements, sagt er, sonst nichts.

Vor der aktuellen Saison haben beide Vereine Dutzenden Ultras die Dauerkarten entzogen. Die „Curva Nord Milano 1969“ hat sich aufgelöst, in der Kurve hängen wieder die einzelnen Gruppierungen ihre Banner auf. Die Zeitung „Il Fatto Quottidiano“ berichtet von Hinweisen, dass neben den Belloccos nun auch andere Familien aus Kalabrien und Cosa-Nostra-Clans darum ringen, die Macht in der Curva Nord zu übernehmen.

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