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Wie die Bundesbauministerin das Dilemma am Wohnungsmarkt lösen will – Wirtschaft | ABC-Z

Es geht an diesem Dienstag im Tagungswerk mitten in Berlin, wo die Bezirke Kreuzberg und Mitte sich treffen, um Orte, die genau nicht hier liegen. Es geht um den ländlichen Raum. Als Brandenburgerin und „Dorfkind“, das betont Klara Geywitz (SPD), die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, an diesem Tag mehr als einmal, wisse sie aus eigener Erfahrung, was dieser ominöse ländliche Raum sei. Und dass es sich dort gut leben lasse.

Doch der Grund, weswegen sie allerlei Vertreter von Kommunen, Ländern, Verbänden und Wissenschaft nach Berlin zum Kommunaldialog eingeladen hat, ist, dass bisher offenbar zu wenige Menschen diese Liebe für Dörfer und Kleinstädte teilen. Dementsprechend viele Wohnungen stehen leer. Und deshalb sind sie alle versammelt, um eine Handlungsstrategie mit dem Titel „Leerstandsaktivierung“ vorzustellen.

Das Deutschland ein Leerstandsproblem hat, mag auf den ersten Blick kontraintuitiv scheinen. Experten schätzen, dass in der Bundesrepublik fast 800 000 Wohnungen fehlen. Im Jahr 2023 wurden jedoch lediglich 295 000 Wohnungen fertiggestellt, 2024 dürfte die Zahl noch niedriger liegen – es wird viel zu wenig gebaut. In den Metropolen stehen Menschen, die eine bezahlbare Bleibe suchen, bei jedem Besichtigungstermin Schlange. Die Mieten in Berlin haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, die Löhne nicht.

Es sind zwei Dinge wahr: Es fehlen Wohnungen, und es stehen zu viele leer

Gleichzeitig hat der im vergangenen Jahr erschienene Zensus 2022 offengelegt, dass mehr Wohnungen in Deutschland leer stehen als bisher gedacht. Fast zwei Millionen waren es landesweit im Mai 2022, das entspricht einer Leerstandsquote von 4,5 Prozent. Mehr als die Hälfte dieser Wohnungen steht länger als ein Jahr leer. Und ungenutzter Wohnraum verfällt.

Die Leerstände sind ungleich verteilt. In und um Hamburg, Berlin, Münster oder im Landkreis Vechta rangiert die Quote um die Zwei-Prozent-Grenze. In Ostdeutschland liegt sie dagegen im Durchschnitt bei 7,6 Prozent. Im Landkreis Altenburger Land bei 15 Prozent.

Es sind also zwei Dinge wahr: Es gibt in diesem Land viel zu wenig Wohnraum, und viel zu viele leere Wohnungen. Und die Bundesbauministerin konnte in ihrer Amtszeit weder das eine noch das andere Problem lösen. Ob sie ihre Bilanz auf den letzten Metern nun noch verbessern kann?

Betroffen vom Leerstand sind meist Regionen, in denen sich, so steht es in Geywitz‘ „Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung“, ein „Bevölkerungsrückgang als Folge gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche“ vollzogen hat. Doch wie fängt man so etwas Umfassendes wie den Strukturwandel auf?

Zunächst sei es wichtig, sagt Geywitz, „dass es in ländlichen Regionen wieder Arbeit gibt“. Daran wird schon deutlich: Die Problemlage ist eigentlich zu verworren für ein einzelnes Ministerium, die eine Lösung gibt es schon mal gar nicht.

Deshalb fasst die „Handlungsstrategie Leerstandsaktivierung“ eine Vielzahl zum Teil kleinteiliger Instrumente zusammen, die in den vergangenen Jahren eingeführt wurden. Sie betreffen Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen. Das Angebot reicht von Förderungen für den Umbau bestehender Wohnungen bis zur Reaktivierung stillgelegter Zugstrecken. Es ist eine Art Blick in die Werkzeugkiste der Struktur- und Wohnpolitik.

Die Ministerin versucht es mit vielen verschiedenen Maßnahmen

Ein zentraler Baustein ist das Programm „Jung kauft Alt“, das Familien beim Erwerb und der energetischen Sanierung von älteren Wohngebäuden mit günstigen Krediten von der bundeseigenen Kreditförderbank KfW unterstützt. Es existiert seit September vergangenen Jahres und wird wohl auch weiterlaufen. SPD, Grüne und Union setzen in ihren Wahlprogrammen für die Bundestagswahl ebenfalls auf dieses wohnpolitische Allzweckwerkzeug.

Der Haken daran: Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach den vergünstigten Krediten gering bleiben wird, weil die Zugangsvoraussetzungen hoch und Familien, die sich eine aufwendige Sanierung leisten selten sind. Und auch Klara Geywitz gesteht, dass das Volumen bisher „überschaubar“ ist, was in den ersten Monaten nach Einführung aber normal sei.

Auch das Förderprogramm „Gewerbe zu Wohnen“, das, wie der Name schon sagt, Anreize schafft, Gewerbe in Wohnraum umzuwandeln, wird zumindest in Landkreisen wie dem Altenburger Land oder Spree-Neiße, wo nicht nur viele Wohnungen, sondern noch mehr Gewerbeflächen leer stehen, kaum für massiven Zuzug sorgen.

Programme der Städtebauförderung, die affirmative Namen tragen wie „Lebendige Zentren“, „Sozialer Zusammenhalt“ oder „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“, lenken Fördermittel in Höhe von etwa 400 Millionen Euro in den ländlichen Raum – auch mit dem Ziel, Unternehmen anzulocken oder den Abriss von Gebäuden zu unterstützen.

Das Herzstück der Handlungsstrategie ist eine neue Online-Plattform, die all diese Maßnahmen zusammenfassen soll. Interessierte Nutzer bekommen dort obendrein rechtliche Rahmenbedingungen, Fördermöglichkeiten und lokale „Erfolgsgeschichten“ präsentiert. Live auf der Bühne darf die Bauministerin sie mit einem Klick online stellen.

Es liegt in diesem Moment die leise Hoffnung der Bauministerin, dass der ein oder andere kurz vor der Wahl noch einmal durch all das scrollt, was sie und ihr Ministerium angepackt haben, auch wenn sie selbst gesteht: „Kurzfristig werden wir nur punktuell etwas machen können“.

Natürlich werden auch Erfolgsgeschichten präsentiert. Da ist etwa ein einigermaßen erfolgreiches Probewohnkonzept in Görlitz oder Guben, das der Stadt den ein oder anderen Neuankömmling beschert hat. Da sind einst stillgelegte Bahnhofsgebäude, in denen heute Cafés beheimatet sind. Ob dadurch auch die Amtszeit der Bauministerin auf den letzten Metern noch eine Erfolgsgeschichte wird, das steht auf einem anderen Blatt.

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