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Wie 2016 in München: Zum Magdeburger Anschlag gibt es auffallende Parallelen – München | ABC-Z

Die Ersten, die sich nach der Tat zu Wort melden, wollen es immer schon gewusst haben. Weil ihre Ideologie nichts anderes zulässt. Ein Migrant! Islamist! Merkel ist schuld! Dann ist plötzlich alles anders. Weil sich herausstellt, dass der Attentäter selbst muslimische Migranten gehasst hat. Weil er geglaubt hat, dass nur noch die AfD Deutschland vor der befürchteten „Umvolkung“ retten könne. Und weil er gemordet hat, um diese vermeintliche Rettung voranzutreiben. So wollten es seine wirren Gedanken.

Von Magdeburg könnte hier die Rede sein. Aber auch von München im Jahr 2016. Damals ermordete an einem Juliabend ein 18-jähriger Deutsch-Iraner neun zumeist junge Menschen am und im Münchner Einkaufszentrum OEZ, ehe er von der Polizei gestellt und getötet wurde. Die Parallelen zwischen dem Münchner David S. und dem Bernburger Taleb al-A. sind erschreckend.

Und sie sind so auffallend, dass bereits wenige Stunden nach dem Magdeburger Anschlag in den sozialen Netzwerken darüber diskutiert wurde. Von Münchnerinnen und Münchnern, von denen jeder noch weiß, wo er oder sie an jenem 22. Juli 2016 gewesen ist. Aber auch von Experten, die beide Taten – und so viele ähnliche mehr in den Jahren dazwischen – analysiert haben.

„Nach 25 Jahren in diesem ’Geschäft’ denkst Du, nichts könnte Dich mehr überraschen“, schreibt der in London lehrende Politologe Peter R. Neumann auf X. „Aber ein 50-jähriger, saudischer Ex-Muslim, der in Ostdeutschland lebt, die AfD liebt und Deutschland für seine Toleranz ggü (gegenüber – Anm. d.Red.) Islamisten bestrafen will – das hatte ich wirklich nicht auf dem Zettel.“ Neumann gilt als Experte für islamistischen Terror. Im Bundestagswahlkampf vor drei Jahren war er Mitglied im Wahlkampfteam des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

Doch zumindest einen ähnlichen Fall gab es in Deutschland bereits. Der in München geborene David S. hasste Muslime so sehr, dass er kurz vor seiner Tat seinen Geburtsnamen „Ali“ offiziell ablegte. Er war ihm zu „billig“.

Die deutsche Politik gehe nicht hart genug gegen radikale Muslime vor

Wie der Arzt aus Bernburg hasste der Schüler aus München auch die deutsche Politik und die Gesellschaft, weil sie nicht hart genug gegen radikale Muslime vorgehe. Beide sahen das Heil in der AfD – und in den eigenen Mordplänen. David S. verknüpfte die beiden Ideen immer wieder, etwa wenn er in einem Chat Lkw-Anschläge ankündigte: „Unsere Gegner sind jetzt Salafisten, Wirtschaftsflüchtlinge, Merkel.“ Das erhoffte Ziel: „Die AfD wird durch uns in die Höhe gepusht, die Salafisten werden in die Zielscheibe geraten.“

So wie al-A. seinem Hass auf Muslime auf X offen Ausdruck verlieh, tat S. das in rassistischen, islamfeindlichen Gruppen auf diversen Spiele-Plattformen. Dort vernetzte er sich mit Rechtsextremisten, Amok-Fans und Rassisten. In Gruppen wie dem „Anti-refugee club“ bewunderte man den norwegischen Massenmörder Anders Breivik. Bei geheimen Schießübungen vor dem Anschlag rief S. in einem Keller unter der heimischen Wohnung: „Ihr salafistischen Bastarde. Ihr habt hier in Deutschland nichts zu suchen, die AfD wird euch alle ausschalten.“

„Rechtsextremismus setzt menschenfeindliche Ideologie, aber keine weiße Haut oder deutsche Abstammung voraus“, konstatierte am Samstag der an der Hochschule Magdeburg-Stendal lehrende Extremismusforscher Matthias Quent unter Verweis auf München 2016. Quent verfasste 2017 nach dem OEZ-Anschlag im Auftrag der Stadt ein Gutachten, das dem Münchner Attentäter rassistische Motive nachwies. Bis die Behörden dieser Einschätzung folgten, vergingen weitere zwei Jahre.

Quent widersprach am Samstag auf der Plattform Bluesky der Auffassung, dass Angriffe mit Fahrzeugen typisch für islamistische Täter seien: „Es gab schon eine ganze Reihe rechtsextremer Autoattacken, wenn auch nicht auf Weihnachtsmärkte, so viel ich weiß.“ Im Magdeburger Fall könne man sowohl an einen „verirrten false flag Versuch“ als auch an die „strategische Übernahme der vermeintliche(n) Mittel des Feindes als ideales Medium und Polarisierungsverstärker“ denken. Ähnlich, wie es der Münchner Attentäter in seinem Chat 2016 angedeutet hatte.

Für die Einordnung der Tat ist das Motiv entscheidend

Ähnlich argumentierte auf derselben Plattform am Samstag Miro Dittrich, der Geschäftsführer des gemeinnützigen Cemas-Instituts, das sich auf Online-Monitoring im Bereich Rechtsextremismus spezialisiert hat: „Um Vehicle Attacks jetzt als islamistisches Phänomen zu definieren, das Rechtsextreme jetzt neu übernommen hätten, muss man schon relativ viel ignorieren.“ Dittrich warnt indes vor vorschnellen Einschätzungen. „Terrorismus ist eine Botschaftstat“, schreibt er. Für die Einordnung einer Tat sei das tatsächliche Motiv entscheidend, also die beabsichtigte Botschaft, nicht die anscheinende Ideologie des Täters. „Im Fall Magdeburg sind die Hintergründe noch unklar.“

Zumal sich eine weitere Parallele zwischen den Fällen von Magdeburg und München abzeichnet. Der Münchner Schüler David S., vor seiner Tat Patient in der Jugendpsychiatrie, soll massive psychische Probleme gehabt haben. Und auch der Bernburger Psychiater Taleb al-A. soll einen „psychisch instabilen“ Eindruck gemacht haben, wie andere saudi-arabische Oppositionelle, die Taleb al-A. nach eigenen Angaben kennen, aussagen. Über den Münchner Attentäter urteilte der Forscher Matthias Quent vor sieben Jahren: „Psychische Erkrankungen, Amok, Rassismus und Terrorismus schließen sich weder konzeptionell noch empirisch aus.“

Nach dem Anschlag von Magdeburg formuliert Quent es am Samstag so: Man habe es mit einer „fragmentierten Ideologie“ zu tun, bei der Täter Verschwörungstheorien, rechtsextreme Narrative und persönliche Kränkungen kombinieren. „Es sieht aus wie ‘Salatbar-Terrorismus’.“

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