Westjordanland: Harter EInsatz von Israels Armee – Politik | ABC-Z
Israels Armee ist im Dauereinsatz – im Gazastreifen, an der Grenze zu Libanon und nun auch wieder verstärkt im palästinensischen Westjordanland. Mitte der Woche sind die Truppen dort in einen breit angelegten „Antiterroreinsatz“ gezogen, der wohl mindestens einige Tage dauern soll. Die Kämpfe sind intensiv, am Boden und mit Luftverstärkung. Die Zahl der Toten steigt schnell an. Insgesamt 16 Opfer waren es bis zum Donnerstag, nachdem die Armee fünf palästinensische Kämpfer getötet hat, die sich in einer Moschee verschanzt hatten. Eine schnelle Beruhigung der Lage ist auch an dieser dritten Front nicht zu erwarten.
In Israels Medien wird der Einsatz schon verglichen mit der „Operation Schutzschild“ von 2002, bei der die Armee als Reaktion auf die Selbstmordattentate der Zweiten Intifada die unter Autonomieverwaltung stehenden palästinensischen Städte wieder besetzte. Auch jetzt sind die Truppen im nördlichen Westjordanland gleichzeitig in drei Städten beziehungsweise Flüchtlingslagern im Einsatz: in Dschenin, in Tulkarem und im Lager Faraa im Jordantal. Doch dies ist weniger der Startschuss einer neuen Offensive, sondern vielmehr die Fortsetzung eines schön länger eingeschlagenen eisernen Kurses.
Die Bewegungsfreiheit der Palästinenser wurde massiv eingeschränkt
So hatte es zum Beispiel schon im Sommer 2023, also noch vor dem Hamas-Terrorüberfall vom 7. Oktober, einen ähnlich massiven Einsatz in Dschenin gegeben. Mit Kriegsbeginn in Gaza hat die Armee dann im gesamten Westjordanland alle Zügel angezogen. Die Bewegungsfreiheit der Palästinenser wurde massiv eingeschränkt, Razzien sind an der Tagesordnung. Rund 5000 Palästinenser wurden seither bereits verhaftet, mehr als 600 getötet. Auch nach Abschluss des aktuellen Großeinsatzes dürfte es schnell und zwangsläufig wieder zu ähnlichen Aktionen kommen. Denn im Westjordanland prallen parallel zum Gaza-Krieg längst schon zwei Offensiven aufeinander.
Zum einen befeuern die Kämpfe in Gaza die Radikalisierung im Westjordanland, wo die Palästinensische Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas zunehmend die Kontrolle verliert. Israel betont dabei vor allem die Teheraner Handschrift; Außenminister Israel Katz sprach zu Beginn der jetzigen Militäraktion von einem Vorgehen gegen „ein islamistisch-iranisches Terrornetzwerk“. Er zog dabei eine direkte Linie zum Gaza-Einsatz – bis hin zur verstörenden Forderung, auch im Westjordanland durch die „vorübergehende Evakuierung palästinensischer Zivilisten“ die Städte und Flüchtlingslager zu offenen Schlachtfeldern zu machen.
Den iranischen Einfluss sieht Israel auf allen Ebenen: ideologisch, durch die Ausbildung von Kämpfern und durch Geld- und Waffenlieferungen. Als Weckruf und eine der Begründungen für den jetzigen Einsatz wird ein Vorfall aus der vorigen Woche genannt. Ein Palästinenser aus Nablus war mit einer acht Kilogramm schweren Bombe im Rucksack bis nach Tel Aviv gelangt. Ein Blutbad wurde mutmaßlich nur verhindert, weil die Bombe vorzeitig explodierte und den Attentäter zerfetzte. Schnell bekannten sich die Hamas und der Islamische Dschihad zu dem geplanten Anschlag. Am Donnerstag legte Chalid Maschal von der Hamas noch einmal nach. Auf einer Konferenz in Istanbul forderte er dem Sender Sky News Arabia zufolge eine „Rückkehr der Selbstmordoperationen“.
Der rechtsextreme Polizeiminister zündelt am explosivsten Ort des Konflikts
Gezielt angeheizt wird die Lage im Westjordanland jedoch auch von israelischer Seite. Die Gewaltexzesse radikaler Siedler haben deutlich zugenommen, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet warnt bereits vor einem „jüdischen Terrorismus“, der außer Kontrolle geraten und eine Bedrohung für Israels nationale Sicherheit geworden sei.
Öl ins Feuer gießt die Regierung selbst mit ungehemmten Siedlungsbau-Projekten. Dazu kommen noch die ebenso gefährlichen wie gezielten Provokationen des rechtsextremen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir, der am explosivsten Ort des Nahostkonflikts zündelt, am Tempelberg.
Weltweit wird die Entwicklung mit großer Sorge verfolgt. Ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte die Härte des aktuellen israelischen Armeeeinsatzes im Westjordanland. Die US-Regierung forderte Israel dringlich auf, Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten zu ergreifen. Die Provokationen und die Siedlergewalt wollen Israels Verbündete offenbar nicht mehr tatenlos hinnehmen. In Washington wird die Liste länger, auf der radikale Siedler sanktioniert werden. In Brüssel brachte der EU-Chefdiplomat Josep Borrell nun beim Außenministertreffen Sanktionen gegen extremistische Minister ins Spiel. Die Begründung: Sie verbreiteten „indiskutable Hassbotschaften gegen die Palästinenser“ und verfolgten eine Politik, die „eindeutig gegen internationales Recht“ verstoße.