Wer war noch mal Boris Becker? Und wieso zahlt er nicht? | ABC-Z

Erst Tag vier im Dschungelcamp, aber die Symbiose aus Schlafmangel und Nahrungsentzug durch das Null-Sterne-Triple von Sam Dylan sorgt bereits dafür, dass die Nerven am Lagerfeuer blanker liegen als die Zahnleiste von Robert Geiss. Und auch der intellektuelle Zustand der Campbesatzung scheint erste Aderlässe verkraften zu müssen.
Als Zehnkampflegende Jürgen Hingsen in einem heroischen Rettungsversuch die Langeweile per weltliterarischer Analogie zu eliminieren versucht und die vor sich hinvegetierenden Mitcamper mit „Warten auf Godot“ vergleicht, zeichnet sich ab: Bei den Reality-Matadoren herrscht nicht nur im Magen ziemliche Flaute. GZSZ-Dialektiker Timur Ülker reagiert als Erster mit überraschenden Detailfragen: „Warten auf was war das? To do?“ Es entspannt sich ein Gedankenaustausch, der es mühelos in die Hall of Fame der „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus““-Historie schaffen wird:
Timur Ülker: „To Do?“
Jürgen Hingsen: „Nee, das ist ein Buch!“
Sam Dylan: „Also ich habe noch nie ein Buch gelesen, nur Bravo und Gala!“
Jürgen Hingsen: „Ach so, ich war zweimal Deutschlands schönster Mann in der Bravo!“
Sam Dylan: „So mit Sixpack und so?“
Jürgen Hingsen: „Naja, eher Eightpack!“
Um das Trauerspiel mit Substanz zu reanimieren, greift Eightpack-Adonis Jürgen zum finalen Rettungsmonolog und klärt das staunende Auditorium über Details zum Ende seiner Sportlerkarriere auf: „Nach der Olympia-Disqualifikation hat mich die ‚Bild‘-Zeitung in die Liste der Versager des Jahrtausends aufgenommen. Neben Hitler und Mussolini, das war schon hart!“
Mussolini war nicht bei „Sommerhaus der Stars“, oder?
Zum Glück hat Sam Dylan da bereits abgeschaltet und konzentriert sich auf wichtigere Dinge: seine Frisur. Ein Dylan-Bonmot á la „Hitler? Mussolini? Wo haben die denn mitgemacht? Bei Sommerhaus waren die jedenfalls nicht, oder?“ bleibt uns somit erspart. Als die Frisur endlich gerichtet bzw. die Erkenntnis erlangt wurde, dass im australischen Busch ein Haar-Arrangement aus einer Familienpackung Haarspray und vier Stunden Föhnbehandlung keine RTL-Werbepause überstehen kann, widmet sich Sam Dylan seiner Kernkompetenz: dem intimen Fragenstellen zum Schaden anderer. Heute erwischt es Godot-Asket Timur, den Sam mit unbequemen Wahrheiten aus seinem Lendenbereich konfrontiert: „Ich habe neulich den Podcast von Bill Kaulitz gehört und da ging es wohl irgendwie um die Größe von deinem besten Stück!“
Timur Ülker hat aus unerfindlichen Gründen und zur Freude von Niveauabstinenzler Sam tatsächlich Lust, ihm (und dem Rest Deutschlands) Nanodetails aus seinem Intimbereich zu beichten: „Das war so. Der Bill hatte gehört, dass ich mal bei ‚Adam sucht Eva‘ dabei war, und da sind ja immer alle nackt. Da hat der dann gegoogelt und auf Bildern sieht der halt klein aus, aber in normalem Zustand sieht der größer aus!“ Timur Ülkers erzählt, wie er sich daraufhin dazu entschlossen habe, Bill Kaulitz zur Ehrenrettung einige Originalfotos seines teilausgefahrenen Zeugungsinstruments zukommen zu lassen.
Sam Dylan ist amüsiert, phantasiert allerdings auch den Rest des Tages über Ülkers anatomische Feinheiten. Ein triebgesteuerter Reflex, der ihm ein bewunderndes „Du bist ein kleiner Samburita!“ entlockt. Was auch immer diese Vokabel bedeuten soll.
„Du bist ja nackt, das ist ja ekelhaft!“
Timur und Sam sind nicht die Einzigen, die sich quotencharmant über männliche Intimbereiche austauschen. Auch ZDF-Chefkritiker Pierre Sanoussi-Bliss bewirbt sich um den Titel „Nacktmull der Staffel“ und präsentiert sich beim täglichen Freischwimmen im Campteich komplett textilfrei. Sichtlich echauffiert über den unerwarteten Blick auf Pierres Kronjuwelen kreischt Alessia Herren: „Ihh, du bist ja nackt, das ist ja ekelhaft!“
Zum Glück bleibt es bei diesen Eskapaden von Nacktbild-Superspreader Timur. Das Diskursfenster verschiebt sich Richtung Nina Bott und Jörg Dahlmann. Die beiden Reality-Quereinsteiger geraten während einer tierschutzmotivierten Rettungsaktion aneinander. Nina Bott transferiert eine Spinne aus dem Bett der kreischenden Yeliz Koc an einen sicheren Ort im Unterholz, weil „die Regeln uns verbieten, die Tiere zu töten“. Das sieht Jörg Dahlmann anders. Er appelliert an die erstaunte Bott, sie solle mal die Regeln nicht zu ernst nehmen und sie sei „zu hörig!“
Wie bitte? Hörig da richtig? Jörg Dahlmann gibt Nina Bott Nachhilfe in Regelkunde? Andererseits: Dahlmann kennt sich mit zeitlichen Segnungen vor laufender Kamera aus. Immerhin hat er bereits erfolgreich seine eigene TV-Karriere via grenzwertiger, rassistischer und sexistischer Sprüche beerdigt. Umgehend eilt Dahlmann ans Dschungeltelefon, um der IBES-Fangemeinde sein Verhalten zu erläutern: „Man muss sich auch mal wehren. Man kann etwas ändern. Wenn jetzt beispielsweise zwölf Ninas hier sagen, die Regel passt uns nicht, dann passiert was!“
„Wer ist denn Boris Becker?“
Nun ja. Ob es wirklich ein kluges Konzept wäre, sich vor dem Dschungelklo auf dem Waldweg festzukleben und für die Remigration von Gliederfüßlern die Revolution auszurufen? Ein Camp mit zwölf Ninas würde zumindest bedeuten: kein Jörg Dahlmann. Das aber ist graue Theorie. Selbstredend bleibt Dahlmann und darf sich ungestraft als Widerstandskämpfer inszenieren. Einfach Geschwister im Geiste: Jana aus Kassel und Jörg aus Gelsenkirchen.

Währenddessen referiert Lilly Becker über ihre Ehe mit Boris, bis Allgemeinbildungs-Referentin Yeliz unironisch fragt: „Wer ist denn Boris Becker? Was hat der gemacht?“ Daraufhin sieht sich Yeliz zu Unrecht attackiert: „Es gibt bestimmt viele da draußen, die auch nicht wissen, wer Boris Becker ist!“ Das stimmt. Alle, die seit 1984 im Koma lagen und heute erst aufgewacht sind. Lilly Becker hat aber ohnehin andere Sorgen: „Die Leute denken immer, ich lebe von seinem Geld, aber der hat seit sieben Jahren nichts gezahlt!“ Ein Satz, der vermutlich einige Ehrenrunden im Boulevard drehen wird.
Als endlich die Dschungelprüfung ansteht, machen sich Sam Dylan und Alessia Herren recht mutlos auf den Weg. Auch die Aufbauarbeit von Maurice Dziwak verhallt reaktionslos. Dabei hatte er die beiden Prüfungskandidaten mit einem mathematisch zwar leicht problematischen, aber dafür motivatorisch sehr effektiven „Plus mal Plus ergibt Minus“ in die Challenge geschickt.
Dort erwartet uns das inzwischen übliche Prüfungsbild. Sam Dylan kreischt eine Weile, als wären er nicht von Kakerlaken, sondern von Taranteln, Kobras, roten Skorpionen und Gerichtsvollziehern umgeben, und bricht die Prüfung ab. Auch Alessia Herren versagt. Wobei man ihre Panik partiell nachvollziehen kann. Um sie herum ist so viel Schleim, man kommt sich vor wie in einer Laudatio von Markus Lanz auf Richard David Precht.
Das ist eine Kombination aus Ekelprüfungen, bei der die hungrigen Mitcamper Verständnis für einen weiteren Fastentag aufbringen sollten. Ob die kulinarische Versorgungssituation an Tag fünf endlich besser wird, darf bezweifelt werden. Das masochistisch veranlagte Voting-Publikum schickt nämlich erneut Sam und Alessia in die nächste Prüfung. Lilly Becker wird das Trio für den „Großen Preis von Murwillumbah“ vervollständigen. Das Zielfoto gibt es dann genau hier. Bis dann!