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Wer kriegt wie viel Geld? | ABC-Z

Es ist ein Finanzplan der großen Zahlen, den Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Dienstag in Berlin vorstellte: Knapp 850 Milliarden Euro Schulden will die schwarz-rote Koalition im Lauf der Wahlperiode aufnehmen, um ihre Pläne zu verwirklichen. Fast 62 Milliarden Euro wird der Bund im Jahr 2029 allein dafür aufwenden müssen, die Zinsen für seine Schulden zu begleichen. Fast 153 Milliarden Euro sollen 2029 in die Verteidigung fließen. Auf Rekordniveau steigen auch die Sozialausgaben: 2028 sollen sie erstmals die Marke von 200 Milliarden Euro übersteigen.

Kritische Nachfragen zu diesen Summen konterte Klingbeil mit den Worten: „Alles, was die Regierung tut, ist ausgelegt auf wirtschaftliches Wachstum.“ Die Vorgängerregierungen hätten Deutschland kaputtgespart. „Was wir hier machen, ist ein investitionspolitischer Paradigmenwechsel.“ Viel Geld will die Bundesregierung in das sanierungsbedürftige Schienennetz, die Digitalisierung des Zugverkehrs sowie in baufällige Autobahnbrücken stecken.

Auf 166 Milliarden Euro summieren sich die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in der laufenden Legislaturperiode. Rund 93 Milliarden Euro werden aus dem neuen Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden Euro genommen. Darin sind auch 30 Milliarden Euro enthalten, die aus einer langjährigen Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn schon vor fünf Jahren eingeplant wurden.

„Werden uns an noch mehr Baustellen gewöhnen müssen“

Entsprechend schrumpft der Etat des Verkehrsministeriums von 38 Milliarden in diesem Jahr auf nur noch 27 Milliarden Euro im Jahr 2029. Neben dem regulären Haushalt und dem neuen Schuldentopf bekommt das Haus aber auch Milliardenbeträge aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) und dem Verteidigungshaushalt. Letzterer soll künftig zumindest einen Teil der kostspieligen Investitionen in die Schieneninfrastruktur speisen. Schließlich sollen Investitionen in die Infrastruktur dabei helfen, das Fünfprozentziel der NATO zu erreichen.

„Wir haben es aus dem Stand geschafft, die Verkehrsinvestitionen um mehr als 60 Prozent zu steigern“, sagte Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) mit Blick auf den Haushalt der Jahre 2020 bis 2024 und kündigte zugleich an: „Wir alle werden uns an noch mehr Baustellen gewöhnen müssen, um die Verkehrsinfrastruktur auf Vordermann zu bringen.“

Die Deutsche Bahn gab sich zurückhaltend: „Wir begrüßen das Vorhaben des Bundeskabinetts, die Finanzmittel für die Schiene für dieses und das nächste Jahr deutlich zu erhöhen“, sagte eine Sprecherin. „Für die Zeit ab 2027 müssen wir mit dem Bund sicherstellen, dass eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung auch mittel- und langfristig erreicht wird.“ Das Deutsche Verkehrsforum monierte, dass die Regierungskoalition ihr Versprechen einer verlässlichen Finanzierung nicht in allen Bereichen einhalte.

100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds

100 der 500 Milliarden Euro des neuen Sondervermögens sollen, gestreckt über zehn Jahre, die Finanzkraft des Klima- und Transformationsfonds stärken. Der finanziert sich ansonsten über die Einnahmen aus der nationalen und der europäischen CO2-Bepreisung. Hauseigentümer wird erfreuen, dass die Fördermittel zur energetischen Gebäudesanierung – etwa Wärmepumpen, Dämmung oder neue Fenster – nicht zusammengestrichen werden, sondern annähernd konstant bleiben sollen. 15,3 Milliarden Euro sind für dieses Jahr dafür im Wirtschaftsplan des Fonds vorgesehen. Zur Relation: Die Ampel hatte in ihrem Entwurf für dieses Jahr „nur“ 14,3 Milliarden Euro dafür angesetzt. 2024 standen 16,7 Milliarden Euro bereit.

Mit Geld aus dem KTF sollen zudem die Energiekosten gesenkt werden. 3,4 Milliarden Euro sollen fließen, damit Gaskunden vom 1. Januar 2026 an keine Umlage mehr für die Gasspeicher zahlen müssen. Die Grünen haben dies schon scharf kritisiert, Klingbeil rechtfertigte die Entscheidung: „Wir knüpfen an die Politik der Vorgängerregierung an. Wir wollen weg von der Kohle, dafür setzen wir auf Gas.“

Die Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen soll mit 2,9 Milliarden Euro fortgeführt und auf mehr Branchen ausgedehnt werden. Wegen der Fortführung der bereits zu Ampelzeiten eingeführten Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe erwartet der Bund Steuerausfälle von 3,8 Milliarden Euro. Noch nicht mit einem Preisschild versehen ist der geplante vergünstigte Industriestrompreis für ausgewählte Betriebe. Darüber verhandelt Berlin noch mit Brüssel.

Keine Rede ist aktuell mehr von dem Vorhaben, die Stromsteuer für alle zu senken, also auch für Dienstleistungsunternehmen und Privatverbraucher. „Hier trifft Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit“, sagte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) auf einer Veranstaltung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). „Wir haben das gemacht, wo wir den größten Druck haben.“ Priorität sei, die Industrie zu entlasten.

Woher sollen die Einsparungen kommen?

Für den Umstieg auf Elektroautos und die Fertigung von Batteriezellen sind für dieses Jahr 3,2 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds vorgesehen. Gut zwei Milliarden Euro sollen in den Hochlauf von Wasserstoff fließen. Zusätzlich stehen 1,6 Milliarden Euro für die Transformation der Industrie bereit.

Fragt man die Koalitionäre nach den angekündigten Einsparungen, wird auf den geplanten Personalabbau verwiesen. Angesprochen auf die hohen Sozialausgaben und den Plan, die Finanznöte der Kranken- und Pflegeversicherung mit einem – nicht schuldenregelwirksamen – Darlehen vorübergehend zu lindern, verwies Klingbeil auf die geplanten Reformkommissionen. Es werde vor allem darum gehen, die Sozialsysteme effizienter zu machen. „Leistungskürzung ist nicht das, was mir einfällt.“ Die Krankenkassen erhalten dieses und nächstes Jahr jeweils 2,3 Milliarden Euro als Darlehen, die Pflegeversicherung bekommt 0,5 und 1,5 Milliarden Euro.

Anstieg des Sozialetats auf 197 Milliarden Euro

Darlehen lösten die Probleme nicht nachhaltig, urteilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Gesundheitsministerin Nina Warken warnte, dieser Haushaltsentwurf könne nicht das letzte Wort sein. Mit den zugesagten Darlehen werde es kaum gelingen, Beitragserhöhungen zu verhindern. Die gefährdeten aber den Wirtschaftsaufschwung. Ein anderer Ausgabentreiber ist die Rente: Der Anstieg des Sozialetats auf mehr als 200 Milliarden Euro im Jahr 2028 könnte einen um sechs Milliarden höheren Bundeszuschuss für die Rentenversicherung enthalten, für die geplante Ausweitung der Mütterrente und die Stilllegung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors.

Besonders stark legen die Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt zu: von 62,4 Milliarden Euro auf 152,8 Milliarden Euro im Jahr 2029. Mittel aus dem 2022 geschaffenen Sondervermögen für die Bundeswehr von jährlich rund 25 Milliarden Euro kommen hinzu, aber diese laufen Ende 2027 aus. Die Ausnahme für verteidigungspolitische Ausgaben von der Schuldenregel ermöglicht den rasanten Hochlauf. Gleichwohl bleiben in der Finanzplanung beträchtliche Lücken. Klingbeil spricht von einem Handlungsbedarf, der von 22 Milliarden Euro im Jahr 2027 auf 66 Milliarden Euro steigt.

Der Vorstellung des Haushalts vorausgegangen war die Einigung von Bund und Ländern, wer die Steuerausfälle aus dem sogenannten Investitionsbooster tragen soll. Ergebnis: der Bund. Die Kommunen bekommen die auf sie entfallenden 2,7 Milliarden Euro jährlich über einen höheren Anteil an den Einnahmen aus der Umsatzsteuer ersetzt. Die Länder erhalten vom Bund jeweils vier Milliarden Euro für Investitionen in Krankenhäuser und vier Milliarden Euro für Kitas und Bildung.

Die Länder erhalten zudem freie Hand, was sie mit ihrem Anteil von 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für Infrastruktur machen. Sie dürfen das Geld also auch für Sport oder Kultur ausgeben. Kritik, dies stärke kaum den Wirtschaftsstandort Deutschland, wies Klingbeil zurück. „Eine Sporthalle, die gebaut wird, ist auch eine Investition, die die Wirtschaft ankurbelt“, sagte er.

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