Wer Deutschlands Schulden verwaltet – und wie das Geld beschafft wird | ABC-Z

Berlin. Deutschland steckt Milliarden in Infrastruktur und Rüstung und muss sich Geld leihen. Wer sich um den gigantischen Schuldenberg kümmert.
Es sind schwindelerregende Summen, mit denen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in den kommenden Jahren hantieren wird: 81,8 Milliarden Euro an Krediten wird der Bund allein in diesem Jahr aufnehmen, weil die Einnahmen von erwarteten 421,2 Milliarden Euro deutlich unter den Ausgaben von rund 503 Milliarden Euro liegen werden. Hauptgrund für die gewaltige Kostensteigerung – im Vorjahr lag die Nettokreditaufnahme noch bei 33,3 Milliarden Euro – sind die steigenden Verteidigungsausgaben.
Doch damit nicht genug. 37,2 Milliarden Euro sollen in diesem Jahr noch aus dem neuen Sondervermögen für Infrastruktur und Klimavorhaben aktiviert werden, weitere 24,1 Milliarden Euro kommen aus dem bereits aktiven 100-Milliarden-Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr. Macht allein in diesem Jahr neue Schulden in Höhe von rund 143 Milliarden Euro. Und so geht es in den kommenden Jahren weiter. Allein bis einschließlich 2029 sollen so knapp 847 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen werden.
Nachdem die Ampel-Koalition am Geld zerbrach, weil die FDP um ihren ehemaligen Vorsitzenden Christian Lindner strikt an der Schuldenbremse festhielt, hat sich Schwarz-Rot mit dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Infrastruktur und Klimaschutz sowie dem finanziellen Freifahrtschein für Rüstungsausgaben Spielräume geschaffen. „Unser Land ist kaputtgespart worden an vielen Stellen“, blickte Klingbeil am Dienstag zurück. Nun gehe man voran, wolle, „dass die Bagger schnell rollen“, neue Arbeitsplätze und Wachstum entstünden.
Kopfzerbrechen dürften diese gewaltigen Summen aber in Frankfurt am Main bereiten. Denn dort sitzt die Behörde, die für das Schuldenmanagement zuständig ist: die Deutsche Finanzagentur. Sie verwaltet die Verbindlichkeiten des Bundes und organisiert die Aufnahme neuer Schulden am Kapitalmarkt. Trotz eines wachsenden Schuldenbergs von aktuell 2,7 Billionen Euro muss sie dabei die Zinskosten möglichst niedrig halten.
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Gewaltige Summen: Finanzagentur muss Deutschlands Schulden managen
Die Bundesrepublik refinanziere sich zu den besten Konditionen, betonte Geschäftsführer Tammo Diemer unlängst: Der Referenzstatus von Bundeswertpapieren sei unbestrittener als je – trotz Schulden-Wumms. Daran habe seine Behörde nicht unerheblichen Anteil, findet Diemer. Schließlich muss der Ruf als besonders zuverlässiger Schuldner in unzähligen Transaktionen immer wieder neu verteidigt werden.
Rund 300 Mitarbeiter beschäftigt die in Frankfurt ansässige GmbH im alleinigen Eigentum des Bundes. Ihre zentrale Aufgabe ist es, Deutschlands Schulden zu managen. Neben der Kreditaufnahme für den Bundeshaushalt zählen dazu auch milliardenschwere Sondertöpfe wie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) – eingerichtet ursprünglich, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu lindern, das 2022 eingerichtete 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen zur Modernisierung der Bundeswehr – oder bald eben das Infrastruktur-Sondervermögen.
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Schuldenberg ist zuletzt auf 2,69 Billionen Euro gestiegen
Im vergangenen Jahr sind die deutschen Staatsschulden nach Angaben der Bundesbank um 57 Milliarden Euro auf 2,69 Billionen Euro gestiegen. Dabei langte der Bund mit 36 Milliarden Euro am stärksten zu. Bei Bundesländern und Gemeinden stand ein Zuwachs von 15 Milliarden und 14 Milliarden Euro zu Buche.
Dass die sogenannte Schuldenquote – also der Schuldenstand im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) – trotzdem sogar um 0,4 Prozentpunkte auf 62,5 Prozent sank, liegt im Wesentlichen an Inflationseffekten, die zu einem nominalen Anstieg des BIP führten.

Die Schuldenuhr des Bunds der Steuerzahler Deutschland in Berlin.
© picture alliance / Daniel Kalker | Daniel Kalker
Durch Ausgabe von Wertpapieren muss die Finanzagentur sowohl die Refinanzierung auslaufender Forderungen stemmen als auch die Aufnahme neuer Kredite. Keine leichte Aufgabe, insbesondere mit Blick auf das neue Infrastruktur-Sondervermögen.
Finanzagentur sucht neue Investoren – und will siebenjährige Staatsanleihe wieder einführen
„Ich erwarte einen höheren Finanzierungsbedarf über einen längeren Zeitraum“, formuliert Diemer in Anbetracht der beschlossenen Infrastruktur-Milliarden. Deshalb müssen neue Investoren gewonnen werden. Die Finanzagentur plane die Wiedereinführung siebenjähriger Bundesanleihen, erklärt Diemer. Diese wurden in der Corona-Krise ins Programm aufgenommen, um Kapital einzusammeln, seit 2024 aber nicht mehr ausgegeben. Außerdem denken Deutschlands Schuldenverwalter über Anleihen mit einer besonders langen Laufzeit jenseits von 30 Jahren nach: „Wir überprüfen unseren Produktmix, um die Finanzierungskosten des Bundes so tief wie möglich zu halten“. Im laufenden Jahr sieht die Emissionsplanung der Finanzagentur vor, Anleihen mit einem Volumen von 380 Milliarden Euro auszureichen.
Ab 2026 dürfte die Verzinsung steigen
Die Mittel für substanziell neue Kredite müssten immer zusätzlich kurzfristig aufgenommen werden, warnt Emanuel Mönch, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Für das laufende Jahr könne der Bund noch auf Reserven zurückgreifen aus Projekten, welche in den Vorjahren nicht komplett abgerufen worden waren, erklärt Diemer. Außerdem begebe die Finanzagentur regelmäßig mehr Bundeswertpapiere als eigentlich benötigt werden. „Die überschüssigen Papiere halten wir selbst in unseren eigenen Beständen“. Damit könne kurzfristig entstehender Mittelbedarf gesteuert werden.
Ab 2026 dürfte der Refinanzierungsbedarf dennoch steigen und mit ihm die Investoren-Erwartung an ihre Verzinsung, warnen Analysten. „Anleger dürften für deutsche Staatsschulden tendenziell höhere Risikoprämien fordern“, vermutet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Rund 300 Mitarbeiter zählt die Finanzagentur in Frankfurt am Main.
© picture alliance / dpa | Uwe Anspach
Hohes Vertrauen in Deutschlands Bonität
Einen Vorgeschmack auf mögliche Marktreaktionen gab es Anfang März, als die neue Regierungskoalition die Einigung auf das milliardenschwer Finanzpaket ankündigte. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen machte einen deutlichen Satz und legte kurzzeitig auf den höchsten Stand seit Ende Oktober 2023 zu.
Der Finanzierungsbedarf werde schrittweise steigen, sagt Diemer. „Wir werden die höheren Finanzierungsbedarfe natürlich am Kapitalmarkt aufnehmen – wann immer die Ausgaben getätigt werden, nehmen wir auch die Mittel auf.“
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Der Status der zehnjährigen Bundesanleihe als Referenz für sämtliche Euro-Zinspapiere sei trotz der deutlich ansteigenden deutschen Staatsverschuldung nicht in Gefahr. „Deutschland kann sich zu besseren Konditionen als alle anderen Emittenten im Euro-Raum refinanzieren“, betont Diemer. In der hohen Auslandsnachfrage spiegele sich ein hohes Vertrauen in die Bonität des Landes wider.
Wie der Staat Schulden macht
Wenn die Bundesregierung entscheidet, Schulden aufzunehmen, geschieht das primär durch die Ausgabe von Wertpapieren wie Bundesanleihen oder Bundesschatzanweisungen. Die Papiere werden am Kapitalmarkt angeboten. Die Emission von Staatsanleihen erfolgt über regelmäßige Auktionen. Das höchste Gebot erhält den Zuschlag. Besonders häufig werden 10-jährige Bundesanleihen emittiert. Sie machen etwa 33 Prozent des Schuldenportfolios des Bundes aus.