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Wenn ein Film komplett von KI gemacht ist: “Sie kann alles – und nichts!” | ABC-Z

Hochwertige Programme, die Künstliche Intelligenz anbieten, kann man nicht kaufen, sondern nur mieten. Der Münchner Filmkomponist Marcel Barsotti hat gleich mehrere dieser aufwändigen Hochleistungsprogramme für sechs Monate an seiner Filmidee arbeiten lassen. Herausgekommen ist der 13-minütige, KI-generierte Film “Transformation”, in dem eine Spezies von einem anderen Planeten eine neue Heimat sucht, unsere bereits verwüstete Erde dafür auswählt und eine spezielle rote Substanz mitbringt, um Probleme zu lösen. Bei vielen internationalen Festivals hat “Transformation” Kontroversen ausgelöst, aber auch schon sieben Preise abgeräumt.

AZ: Herr Barsotti, wenn Sie Ihren Film zeigen, was sind dann die Reaktionen?
MARCEL BARSOTTI: Es kommt darauf an, ob die Leute sowas schon mal ansatzweise gesehen haben oder nicht. Einige sind völlig irritiert, andere geflasht und wieder andere kritisch.

Was ist dann eine Hauptkritik?
Naja, wenn einer Kameramann ist und nach dem Screening sagt: “Bei Ihnen würde ich dann wohl keinen Job mehr bekommen?” Dann sage ich: “Ja, leider nicht.” Was nicht zynisch gemeint ist, sondern es ist der technische Lauf der Dinge.

Geboren in Luzern studierte der 61-jährige Komposition unter anderem am Richard-Strauss-Konservatorium und absolvierte eine popmusikalische Ausbildung bei Harold Faltermeyer. Er veröffentlichte Kino- und Fernsehfilme, Werbespots, zahlreiche Schallplatten, DVDs und Popalben. Zu seinen Werken gehören die Filmmusiken zu “Die Päpstin”, “Das Wunder von Bern” und “Deutschland. Ein Sommermärchen.”
© Tunesformovies film production
Geboren in Luzern studierte der 61-jährige Komposition unter anderem am Richard-Strauss-Konservatorium und absolvierte eine popmusikalische Ausbildung bei Harold Faltermeyer. Er veröffentlichte Kino- und Fernsehfilme, Werbespots, zahlreiche Schallplatten, DVDs und Popalben. Zu seinen Werken gehören die Filmmusiken zu “Die Päpstin”, “Das Wunder von Bern” und “Deutschland. Ein Sommermärchen.”

von Tunesformovies film production

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Nach Jahrzehnten Filmmusik plötzlich ein eigener Film: Das klingt nach Midlife Crisis.
Nein, weil ich glücklich bin. Aber ich wollte eine neue Herausforderung. Ich habe so lange professionell Musik gemacht, da sollte das Debüt in einem anderen Genre perfekt sein.

Sonst hätte man gesagt: “Schuster bleib bei deinen Leisten!”
Genau, also habe ich ein Jahr lang KI-Programme studiert, habe dann keinen Musikauftrag mehr angenommen und sechs Monate lang nur “Transformation” geschaffen.

Was haben Sie alles der Künstlichen Intelligenz überlassen?
Alles und nichts. Ich habe nicht real gedreht und dann mit KI Digitaleffekte und Ergänzungen gemacht. Vielmehr habe ich der KI alles per Text vorgeschrieben, “gepromptet” – bis auf das, woran ich sonst arbeite: die Musik.

Rot als Komplementärfarbe zur Natur, in der grün vorherrschen würde: Humanoide Außerirdische bringen "Transformation" auf unsere verwüstete Erde.
Rot als Komplementärfarbe zur Natur, in der grün vorherrschen würde: Humanoide Außerirdische bringen “Transformation” auf unsere verwüstete Erde.
© Tunesformovies film production
Rot als Komplementärfarbe zur Natur, in der grün vorherrschen würde: Humanoide Außerirdische bringen “Transformation” auf unsere verwüstete Erde.

von Tunesformovies film production

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Warum?
KI-Musik kann viel, aber noch nicht wirklich auf die Handlung und die Schnitte eingehen. Man kann nur Stilvorgaben machen und sagen, wann sich die Musik dynamisch verändern soll. Ich bin mit elektronischer Musik aufgewachsen – Kraftwerk, Jean-Michel Jarre, Tangerine Dream – und das mache ich jetzt wieder nach dem ganzen ausgeschöpften Orchestralem. Das ist für viele Regisseure, die mit mir zusammen gearbeitet haben, gewöhnungsbedürftig. Aber mit “Transformation” habe ich ganz autonom einen eigenen Film gemacht und war völlig frei. Und weil ich Ende der 70er Schlüsselerlebnisse im Kino mit “Star Wars” hatte, wollte ich einen Sci-Fi machen – ein Genre, das in Deutschland quasi nicht existent ist: zu teuer und nicht gefördert. Und da ist mir KI eingefallen, eine Technologie, die sich unglaublich beschleunigt hat. Aber das Drehbuch ist auch analog entstanden.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Warum haben Sie die KI nicht mit Bildvorgaben gefüttert. Das ist doch einfacher, als alles umständlich zu beschreiben.
Aber wenn man Fotos einspeist und damit vorgibt, kommt halt immer ein ähnlicher Look wie die Vorlage heraus. Das ist dann eher Plagiat als Neuerfindung. Im Grunde spuckt die KI ja nur aus, womit man sie gefüttert hat, auch wenn sie ununterbrochen dazulernt. Aliens sehen dann halt oft aus wie das Klischee aus den 80er-Jahren mit den schwarzen Augen im weißen Blasenkopf oder die Raumschiffe wie aus “Star Wars”. Die Kunst besteht darin, mit der KI zu kommunizieren, bis sie auf der Ebene deiner eigenen künstlerischen Vorstellung ist. Wenn man einfach “apokalyptische Welt” vorgibt, wird es visuell meist altmodisch und völlig überholt. Da kommt man nicht weit.

Gelb ist in "Transformation" eine Farbe der Verwüstung wie bei "Mad Max", aber auch Nahrungsmittel und Robotertiere hat die KI so entwickelt und eingefärbt.
Gelb ist in “Transformation” eine Farbe der Verwüstung wie bei “Mad Max”, aber auch Nahrungsmittel und Robotertiere hat die KI so entwickelt und eingefärbt.
© Tunesformovies film production
Gelb ist in “Transformation” eine Farbe der Verwüstung wie bei “Mad Max”, aber auch Nahrungsmittel und Robotertiere hat die KI so entwickelt und eingefärbt.

von Tunesformovies film production

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Was ist die Lösung?
Mit der KI “reden”, wie wenn ich einem Bekannten einen ganzen Abend lang meine optische Vision beschreiben würde. Ich habe einzelne Szenen vielleicht 50 Mal “prompten” müssen, so wie ein Regisseur dreißig Mal zu Schauspielern und Kamerafrau sagt: “Neuer Take bitte. Da müssen wir nochmal reden!” Nur ist die KI geduldiger.

Und launisch?
Ja, in dem Sinne, dass wenn sie dir eine Version anbietet, man oft überrascht ist. Da sagt man dann: Interessant, aber die Reise geht in die falsche Richtung. KI bietet einem auf jeden “Prompt” erst einmal ein Bild in vier bis sechs Varianten an. Man sucht dann eine aus, gibt noch ein paar Änderungswünsche an und beschreibt dann die Bewegungen, die passieren sollen. Und das ist dann meistens erst einmal unnatürlich, irgendwas ist unlogisch. Und ich habe keinen Dreiminüter gemacht, sondern einen 13-Minüter. Bewegungen von 10 Sekunden waren am Anfang schon eine Herkulesaufgabe, jetzt schafft die Technik auch mal längere Strecken.

Bei Filmen gibt es ja Takes. Wie ist das mit KI?
Genauso. Ich hatte vielleicht 5000 Szenen, und 300 sind in den Film eingeflossen. Andere waren fehlerhaft oder plötzlich ganz anders vom Look her oder der Perspektive. Das Überraschende ist: KI hat eine gewisse Eigenständigkeit und macht auch was, das man gar nicht eingegeben hat. Zum Beispiel, weil die KI auf etwas stößt, was vielleicht jemand anderes schon mal ähnlich ausprobiert hat. Aber man kann mittlerweile mit “Doppelprompt”-Programmen arbeiten, wo man nicht nur positiv eingibt, was man will, sondern auch noch, was man auf keinen Fall will – wie: “Figur soll auf keinen Fall lachen!” Das ist sehr ähnlich dem echten Drehen. Und noch besser wird es, wenn man mit verschiedenen Software-Anbietern gleichzeitig arbeitet, also mehrere verschiede KI-Programme parallel mit dem Gleichen beauftragt.

Sie haben “Transformation” bei zig Festivals eingereicht. Bei sieben haben Sie einen Preis gewonnen.
Es gibt erst seit zwei Jahren reine KI-Festivals – für Nerds. Aber ich finde, KI-Filme sollten ganz normal auf Filmfestivals mitkonkurrieren. Die Einladung nach Toronto zum Filmfestival mit allen Genres war für mich natürlich der Hit. Und am Abend hat der Film auch noch einen Preis gewonnen. Kurzfilme sind immer eine Visitenkarte und ich war von Rom bis Tokyo dabei und habe sechs Preise abgeräumt. Aber immer, wenn zu viele Schauspielerinnen oder Schauspieler in den Jurys saßen, wurde es schwierig.

Warum?
Weil keiner gerne sieht, dass er ersetzt werden kann. Und die Frage ist ja brandaktuell: Was alles wird – beim Film – durch KI generiert werden? Sicher: Musik. Die Sprecherinnenstimme ist auch schon KI. Die Kamera wird auch überflüssig, weil ich der KI sagen kann, aus welcher Perspektive und mit welcher Bewegung sie eine Szene zeigen soll. KI ist ja quasi Setdesign und Kamera. Bei Schauspielern wird es noch dauern, auch wenn es bei mir schon keine mehr gibt. Gesichter einen Text synchron zum eingegebenen Text sprechen zu lassen, ist noch schwierig, geht aber schon. Aber es ist schwer, einer KI zu erklären, wie eine Figur emotional spielt und spricht. Aber jemand wie Marilyn Monroe könnte bald die erste sein, die KI-neugeboren in einem großen Film wieder auftritt.

Sie haben auf Dialoge verzichtet.
Aber nicht, weil das technisch nicht machbar wäre, sondern weil ich die besondere Spezies in der Zukunft ursprünglich fast telepathisch kommunizieren lassen wollte.

Filme entstehen im Team, was immer mehr betont wird. Jetzt aber machen Sie einen Ego-Trip, indem sie alle Gewerke selbst übernommen haben. “Transformation” ist also eine Art moderner Autorenfilm.
Natürlich ist das gefährlich, weil man keine Kontrolle von Außen hat. Aber ich wollte beim Erstlingsfilm von möglichst niemanden beeinflusst werden, meine Stärken und Schwächen zeigen. Ich habe aber schon Angebote, weitere Projekte mit anderen zusammen zu machen.

Wann wird Ihr Film “alt aussehen”?
Bald, weil die KI-Weiterentwicklung rast. Die Paramount zum Beispiel hat bereits ein KI-Departement. Noch bin ich unter den Pionieren, weil noch nicht viele reine KI-Filme am Start sind. Meistens sind es auch nur kurze Versuche von ein oder zwei Minuten. Mein “Transformation” war meist der Einzige, der in Wettbewerbe kam. Aber ich werde dranbleiben und einen abendfüllenden KI-Film anpacken, am Puls der Zeit, auf der Höhe der Technik. Und das Naserümpfen der klassischen Macher wird dann aufhören, wenn wirklich große lange Filme entstehen, die gut sind. 


Am Mittwoch, 22. Januar, 17.30 Uhr, wird “Transformation” (13 Minuten) mit Diskussion und Publikumsgespräch in der Hochschule für Fernsehen und Film (Gabelsbergerstraße/Ecke Barerstraße) gezeigt. Eintritt frei. Anmeldung: http:s//kilab.hff-muc.de

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