Wenn der Chefarzt fragt: „Warum hatten wir noch nie Sex?“ |ABC-Z

Laut einer Umfrage der Ärztegewerkschaft Marburger Bund beklagen Hamburger Ärztinnen und Ärzte an den Kliniken der Stadt Sexismus und eine problematische Führungskultur. Demnach haben mehr als die Hälfte der Befragten Machtmissbrauch oder ungerechtfertigte Einflussnahme in der Klinik erlebt oder beobachtet, mehr als 86 Prozent der weiblichen Befragten sind in ihrer Laufbahn rassistische, sexistische oder sachfremde Kommentare begegnet.
Als Beispiel wurde etwa die Frage des Chefs genannt: „Warum hatten wir noch nie Sex?“, weiterhin die Frage nach der Farbe ihrer Intimbehaarung, zudem Kommentare wie: „Wenn du planen solltest, ein Kind zu bekommen, geht es hier nicht für dich weiter“; „Oh, Sie sind schwanger? Dann ist Ihre Karriere ja jetzt vorbei“; „Als Frau sollte man nicht in den OP, da muss man sich konzentrieren und darf mit den Gedanken nicht bei der Familie sein“; „Wie wollen Sie Fachärztin werden, Sie haben ja nicht mal einen Mann?“. Weiterhin genannt wurden schwulenfeindliche Äußerungen und rassistische Kommentare über die Herkunft der Befragten.
An der Umfrage beteiligten sich rund 500 Ärztinnen und Ärzte, damit hatten etwa elf Prozent auf die Anfrage der Gewerkschaft zur Teilnahme reagiert. Die Befragten gaben auch an, sie erlebten Führungsentscheidungen teils als intransparent und ungerecht, etwa wenn eine Entscheidung des Chefarztes gelte, obwohl sie den Leitlinien oder Studien nicht entspreche, oder wenn Förderung nicht nach Leistung erfolge, sondern nach subjektiver Beliebtheit.
Befragte wünschen sich andere Strukturen
Kritisiert wurden weiterhin befristete Arbeitsverträge für Fachärztinnen „im gebärfähigen Alter“, wohingegen unbefristete Verträge für männliche Kollegen möglich seien. Zudem gebe es laut Befragten, wenn etwas schieflaufe, eine „Kaskade des Anschreiens“ anstatt einer Übernahme von Verantwortung. Berichtet wird auch von ökonomisch motivierten Vorgaben, die medizinischen Leitlinien widersprächen. Die knappe Mehrzahl der Befragten fühlt sich sehr unsicher oder eher unsicher, kritische Themen im Klinikalltag anzusprechen, aus Sorge vor negativen Konsequenzen.
Besetzungsverfahren für Führungspositionen an den Kliniken werden laut der Umfrage mehrheitlich als intransparent beurteilt. Zudem seien Führungspositionen, was Geschlecht, Herkunft oder Karriereweg angeht, mehrheitlich kaum oder gar nicht divers. Um das zu ändern, wünschen sich Befragte eine grundlegende Umorientierung in der strukturellen Organisation des Medizinsystems, externe Pflichtfortbildungen für Führungskräfte an den Kliniken zur wertschätzenden Personalführung sowie objektive Kriterien für Beförderungen. Weiterhin äußern sie den Wunsch, Führung in Teilzeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.
„Die Machtstrukturen in Kliniken sind ungesund. Kaum eine andere Branche ist durch eine so starke Machtkonzentration bei gleichzeitiger Abhängigkeit von Vorgesetzten geprägt“, sagte dazu Pedram Emami, der Vorsitzende des Marburger Bundes Hamburg. „Das schafft einen Nährboden für Machtmissbrauch – eine Realität, die wir auch in Hamburg nur zu gut kennen.“
Das spiegelten zahlreiche Freitext-Kommentare in der Umfrage wider, die von „täglichem Pöbeln und Beschimpfen durch die Führungsebene“ berichteten, von fehlender Kommunikation auf Augenhöhe oder von einer manifestierten Abhängigkeit durch starre Hierarchiestrukturen – vor allem während der fachärztlichen Weiterbildung, so Emami. Die Studie wurde am Montagabend in Hamburg bei einer Podiumsdiskussion vorgestellt.





















