Weniger für Arme, mehr für Reiche: Donald Trumps Haushaltspaket, die “Big Beautiful Bill”, ist ein politischer Bumerang | ABC-Z

Die Nebengeräusche waren andauernd, wurden zum Schluss tosend laut – doch nun wird das große Haushaltspaket von US-Präsident Trump zum Gesetz. Manche Folgen sind bereits absehbar. Sie könnten die Republikaner noch lange plagen.
Nach monatelangen Verhandlungen in Washington und Drama bis zur letzten Minute hat der Kongress Donald Trumps “big beautiful bill” verabschiedet, das große Haushaltsgesetz. Nun muss der US-Präsident es nur noch mit seiner Unterschrift in Kraft setzen. Darin ist fast alles gebündelt, was Trump im Wahlkampf versprochen hatte: mehr Geld für das Militär, mehr für Abschiebungen und die sogenannte Mauer an der Südgrenze zu Mexiko, dazu Steuersenkungen und ein Ende der Subventionen für den von Vorgänger Joe Biden angestoßenen Umbau zu erneuerbaren Energien. Das Paket bewahrt die USA zudem vor der Staatspleite.
Im angeblich so schönen Bündel sind allerdings einige hässliche Änderungen enthalten, die Trump und die Republikaner noch lange verfolgen könnten. Eben deshalb hatten die Konservativen auch so lange um die Verabschiedung gerungen. Tagelang hatte der Präsident die Zweifler telefonisch und am Mittwoch sogar persönlich bearbeitet. Am Ende scheuten die Kritiker in der eigenen Partei eine offene Konfrontation mit Trump – und verschafften ihm seinen Erfolg.
Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Der Kongress kürzt Medicaid, also die öffentliche Gesundheitsversorgung für untere Einkommensschichten, schreibt die Steuersenkungen aus Trumps erster Amtszeit fest und fügt weitere hinzu, wovon insbesondere Besserverdienende und Reiche profitieren. Viele Subventionen für erneuerbare Energien stellt er ein. Um all das zu finanzieren, wird die Schuldenobergrenze um 5 Billionen US-Dollar erhöht. Das Paket verursacht in den kommenden zehn Jahren mindestens 3,3 Billionen zusätzliche Schulden, gibt das Haushaltsbüro des Kongresses an.
Trotz aller vorherigen öffentlichen Beteuerungen der Republikaner und Trumps, das so wichtige Medicaid nicht anzutasten, tun sie ebendies. Dadurch verlieren innerhalb der kommenden zehn Jahre voraussichtlich 12 Millionen von 70 Millionen so abgesicherten US-Amerikanern ihre Krankenversicherung. Mit weiteren Änderungen durch Trumps Regierung sind es laut der gesundheitspolitischen Stiftung Kaiser Family Foundation, kurz KFF, sogar bis zu 17 Millionen Menschen. Es wäre die größte jemals von einer US-Regierung verursachte Verringerung des Krankenversicherungsschutzes, schreibt die Stiftung.
Die eingeschränkten Gesundheitsleistungen sind neben den zusätzlichen Schulden der umstrittenste Teil des gesamten Pakets. Es verursache mehr Schulden, mache die USA ungleicher und weniger grün – so fasst es “The Economist” zusammen.
Zorn der Wähler – oder des Präsidenten
Der “große, hässliche Gesetzentwurf” sei ein Steuererleichterungspaket für die Milliardäre und ein “Pakt mit dem Teufel”, sagte die progressive Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez vor dem Beschluss im Repräsentantenhaus. Der “große, schöne Gesetzentwurf” werde “das amerikanische Volk sicherer, stärker und wohlhabender” machen, hatte John Thune, der republikanische Mehrheitsführer, tags zuvor im Senat gesagt. Doch so einfach, so schwarz oder weiß war das Gerangel um die Finanzierung von Trumps Wahlversprechen nicht.
Zwar sind 63 Prozent der Republikaner nach einem halben Jahr sehr zufrieden mit Trumps Präsidentschaft. Das sind mehr als bei jedem republikanischen Präsidenten seit Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Doch die einzelnen Kürzungen sind höchst umstritten, auch unter Konservativen. Bei den Politikern waren die sogenannten “fiscal hawks” dagegen, die haushaltspolitischen Falken, die sich rigoros gegen neue Schulden aussprechen; aber auch Republikaner, die wegen der Kürzungen bei Medicaid den Zorn ihrer Wähler fürchten.
Am Ende nannten einige republikanische Kongressmitglieder das Gesetzespaket “schrecklich” oder “quälend”, verfassten flammende Schreiben, manche beklagten die negativen Auswirkungen für ihre Wähler – aber stimmten trotzdem dafür. Sie hatten kaum eine Wahl, wollten sie ihre Karriere in Washington nicht aufs Spiel setzen. Wer sich nicht hinter Trump stellt, sieht sich in seinem Wahlkreis schnell einem vom Präsidenten unterstützten parteiinternen Konkurrenten gegenüber, der das eigene Mandat gefährdet. Von Trump unterstützte parteiinterne Kandidaten gewinnen fast immer ihre Vorwahlen. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt.
Auch Senator Thom Tillis aus North Carolina hätte 2026 wieder antreten müssen. Er verzichtete – und stimmte gegen das Paket. Trump kritisierte Tillis als “Nörgler” und nannte den Rückzug aus dem Kongress eine “gute Nachricht!” Als Grund für sein Votum gab Tillis die Kürzungen bei Medicaid an. Etwa 663.000 Menschen in seinem Bundesstaat verlören deshalb ihre Krankenversicherung, sagte er, also rund 6 Prozent der dortigen Einwohner. Trump gewann North Carolina im vergangenen Jahr mit 3,2 Prozent Vorsprung vor der Demokratin Kamala Harris.
Es trieft vor Trickle-Down
Was für den Staat an der Ostküste gilt, legt das Dilemma der Republikaner im ganzen Land offen. Dort hinein haben sich die Republikaner mit ihrer öffentlichen Darstellung als Partei der Arbeiter manövriert. Mehr als früher kommen aus dieser Einkommensschicht ihre Wähler: Im Jahr 2023 vertraten sie bereits 56 der 100 einkommensschwächsten Wahlkreise in den USA. Im Jahr 2009 waren es nur 26. Die Republikaner haben mit den Demokraten zwar nicht komplett die Plätze getauscht, aber sie stehen bereit.
Bei den Republikanern im Kongress gibt es konkurrierende Vorstellungen konservativer Politik. Aus den fast 1000 Seiten des “big beautiful bill” tropft deutlich das neoliberale Trickle-Down – die Idee, dass Entlastungen für Reiche von oben nach unten durchsickern. Damit begründeten die Republikaner über Jahrzehnte Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen und behaupteten, die Mindereinnahmen würden durch zusätzliche Steuererträge einer deshalb boomenden Wirtschaft kompensiert. Als Anreiz forderten sie zudem Kürzungen staatlicher Leistungen, was den Haushalt schlank halten sollte. Die Trickle-Down-These ist inzwischen widerlegt.
Zudem vertritt Trumps Partei inzwischen wesentlich mehr Wähler, die staatliche Unterstützung wie Medicaid in Anspruch nehmen, weil sie sich keine private Krankenversicherung leisten können. Das ist die politische Krux des “großen, schönen” Gesetzespakets: Der größte Anteil der Einsparungen, mit denen die Republikaner die von Trump versprochenen Steuersenkungen gegenfinanzieren, kommen aus gekürzten Leistungen der staatlichen Gesundheitsversorgung. Die Änderungen werden schrittweise in Kraft treten – und laut US-Medien im nächsten Präsidentschaftswahlkampf deutlich spürbar.
Heute ein Erfolg – und morgen?
Bereits jetzt sind die Wähler skeptisch: 64 Prozent aller US-Amerikaner sagen laut einer Umfrage der KFF, sie seien gegen das Gesetzespaket. Unter Republikanern waren es 36 Prozent. Das ist zwar eine Minderheit. Aber angesichts der zur Regel gewordenen knappen Wahlergebnisse ein Anteil, der die Republikaner sofort ihre Mehrheit im Kongress oder sogar das Weiße Haus kosten würde, sollten größere Gruppen dieser Minderheit deshalb ihr Stimmverhalten ändern.
Vor dem abschließenden Drama im Repräsentantenhaus hatte Vizepräsident JD Vance im Senat als Vorsitzender das entscheidende Votum abgegeben, da es unter Senatoren zu einem Stimmenpatt von 50 zu 50 gekommen war. US-Medien sehen Vance als Kronprinz von Trumps MAGA-Bewegung und damit als wahrscheinlichsten nächsten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Laut Verfassung darf Trump 2028 nicht für eine dritte Amtszeit antreten. Dessen Erfolg von heute könnte so eine Niederlage von morgen werden.
Trump dürfte es trotzdem am Nationalfeiertag des 4. Juli mit viel Getöse unterschreiben. Dann, im kommenden Jahr, werden die Kongresswahlen zum ersten landesweiten Stimmungsbarometer, ob die US-Amerikaner mit dem Ergebnis zufrieden sind.