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Wende in der Energiewende: Verhätschelter Ökostrom | ABC-Z

An die Energiewende werden hohe Erwartungen gestellt, derzeit geht es um ihre Überprüfung. Bundeswirtschafts- und -energieministerin Katherina Reiche (CDU) hat bei zwei Fachinstituten einen Bericht zum Stand und zur Zukunft der klimaschonenden Transformation bestellt, der inzwischen abgeschlossen, aber noch nicht veröffentlicht ist. Die Branche erwartet dieses „Monitoring“ mit großer Spannung, einige Vertreter schauen darauf wie das Kaninchen auf die Schlange: Steht das Ende des Klimaschutzes bevor?

Diese Befürchtung ist unbegründet, Reiches Haus stellt den Kampf gegen die Erderwärmung nicht infrage. Das Gutachten soll aber zeigen, wie die Energiewende verlässlicher sowie für private und gewerbliche Verbraucher kostengünstiger gestaltet werden kann. Selbst ein grundlegendes Umsteuern ist nicht ausgeschlossen. „Ausgehend von der Bestandsaufnahme ist zu fragen, ob es einer Neuausrichtung der Energiepolitik bedarf, um bei der Umsetzung nationaler und europäischer Klimaziele Kosten zu minimieren und Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, heißt es in der Auftragsbeschreibung.

Die Empfehlungen seien „nicht an die bisherigen Zielszenarien der Bundesregierung gebunden“. Es sei „explizit eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Szenarien und deren Annahmen gewünscht, insbesondere wenn diese nicht alle tatsächlich bestehenden Restriktionen und Kosten sowie technologischen Optionen in den Blick genommen haben sollten“. Dieser Wunsch lässt bei Verfechtern des bisherigen Wegs die Alarmglocken schrillen. Zum einen liest er sich so, als ob Reiche die Klimaziele zur Disposition stellt, möglicherweise sogar die Treibhausgasneutralität bis 2045. Zum anderen könnte allzu viel Technikoffenheit bedeuten, dass bisherige grüne Verfahren ihre Bevorzugung verlören, ob Wind- und Solarkraft, E-Autos oder Wärmepumpen. Politischer Liebesentzug würde die dahinterstehenden Unternehmen, Parteien und Lobbygruppen treffen, die inzwischen ein mächtiges und reiches Geflecht bilden, eine Art ökopolitisches System.

Einseitige Förderung von Wind- und Sonnenkraft

Was man bisher über das Ergebnis des „Realitätschecks“ der Institute weiß, deutet allerdings nicht auf eine Revolution. Die Gutachter haben keine eigenen Studien angestellt, sondern vorhandene ausgewertet. Die Ergebnisse überraschen daher nicht, etwa dass die erwartete Stromnachfrage bis 2030 viel zu hoch gegriffen ist. Entscheidend wird aber sein, welche Folgerungen vor allem die Bundesregierung daraus zieht.

Hoffentlich gehen diese Umbauratschläge möglichst weit. Es reicht längst nicht mehr, die Energiewende aufzuhübschen, sie muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Dazu gehört es, die voreilige deutsche Klimaneutralität bis 2045 infrage zu stellen. Dasselbe gilt für die einseitige Förderung von Wind- und Sonnenkraft, statt diese Energien an ihren wahren Kosten zu beteiligen.

Auch das gibt die Studienlage her. So hat das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung ausgerechnet, dass die Verschiebung von 2045 auf das EU-Ziel 2050 rund 750 Milliarden Euro einsparen würde – ohne den weltweiten CO2-Ausstoß nennenswert zu erhöhen. Reiche könnte sich eine solche zeitliche Streckung vorstellen, weiß aber, wie schwer das angesichts der Verankerung des Jahres 2045 im Koalitionsvertrag und im Grundgesetz durchzusetzen ist.

Einfacher, aber nicht weniger nötig wäre es, die Bevorzugung des Ökostroms einzuschränken. Alle Kosten, die durch diese dezentrale und wetterabhängige Versorgung entstehen, müssen künftig den Wind- und Sonnenanlagen zugerechnet werden: ihr Anschluss ans Netz, der Ausbau und die Stabilitätssicherung der Netze (Redispatch), schließlich auch die gesicherte Leistung durch steuerbare fossile Kraftwerke zur Verhinderung von Dunkelflauten. Kaum noch zu rechtfertigen sind feste Einspeisevergütungen und die Stromabnahme unabhängig von Bedarf und Marktpreisen, selbst in Zeiten, in den Deutschland Strom verschenken oder für dessen Abnahme an das Ausland noch Geld bezahlen muss.

Diese Privilegien treiben die Energiepreise hoch, belasten private und gewerbliche Verbraucher in der Wirtschaftskrise und haben eine soziale Schlagseite. Sie sind auch überflüssig: Die erneuerbaren Energien können sich im fairen Wettbewerb ganz allein durchsetzen, wenn die CO2-Preise ihrer fossilen Wettbewerber im klimapolitisch gebotenen Umfang steigen.

Reiche sollte die Verhätschelung des Ökostroms beenden. Damit würde sie den Wirtschaftsstandort stärken, ohne das Klima zu gefährden. Der Monitoringbericht könnte der Auftakt zu einer dringend gebotenen Wende in der Energiewende sein.

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