Welche Farben sind auf der Berliner Mauer? | ABC-Z
Verschwinden irgendwann die Gemälde und Zeichnungen von der Berliner Mauer? Und wenn ja, wie lässt sich der Zerfall stoppen? Das haben sich Chemiker der Universität Messina gefragt und ein Stück der Mauer untersucht. Denn um Gemälde zu konservieren oder zu restaurieren, müssen die Fachleute wissen, welche Materialien die Künstler aufgebracht haben. Das ist für die Werke auf der Berliner Mauer allerdings nirgendwo dokumentiert: Die Wandmaler Mitte der Achtzigerjahre an der Westberliner Seite arbeiteten bei Nacht und Nebel, Graffitis waren nicht erlaubt. Zudem haben Wind und Wetter, Straßenstaub und Abgase den Farben zugesetzt, bis die Mauer in Stückchen gehämmert und in alle Welt verteilt wurde.
Die genaueste und am meisten verwendete Technik, um die Zusammensetzung einer Farbschicht zu bestimmen, beschädigt gleichzeitig das Kunstwerk: Eine Probe wird vom Bild abgekratzt, erhitzt, und die entstehenden Gase werden durch einen Gaschromatographen und anschließend durch ein Massenspektrometer geleitet. Italienische Wissenschaftler haben nun eine zerstörungsfreie Methode entwickelt und im „Journal of the American Chemical Society“ veröffentlicht.
Tragbare Analysegeräte
Die Art der Pigmente, Bindemittel und sonstigen Substanzen lässt sich nun mit einem tragbaren Raman-Spektrometer herausfinden. Raman-Spektroskopie analysiert Substanzen über die Streuung von Licht. Ein mobiles, batteriebetriebenes Spektrometer ist allerdings weniger genau als die Analysegeräte im Labor. Daher haben die Wissenschaftler 15 bemalte Mauerfragmente zunächst mit verschiedenen Techniken im Labor untersucht und dann die Raman-Spektren der Mauer-Farbschichten mit denen handelsüblicher Künstler-Acrylfarben verglichen.
Die untersuchten Mauerbröckchen waren, wie unter dem Mikroskop erkennbar war, mit dem Pinsel bemalt worden. In der Schicht direkt auf der Mauer fanden die Forscher das Weißpigment Titandioxid: Die Mauermaler hatten also eine weiße Grundierung auf den Beton aufgebracht. Das Calcium in der Schicht weist auf das Mineral Calcit hin, das entweder aus dem Zement stammt oder als Bindemittel in der Farbe diente.
Eine grüne Schicht stellte sich als Mischung aus Blau und Gelb heraus, denn dort war Bleichromat nachweisbar, ein giftiges Gelbpigment, das heute nur noch in Ausnahmefällen verwendet werden darf. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts malte Vincent van Gogh damit seine Sonnenblumen. Allerdings dunkelt die leuchtende Farbe durch Umwelteinflüsse mit der Zeit nach und verändert sich ins Bräunliche. Zudem fanden sich auf den Mauerstücken einige gängige organische Farbstoffe, darunter blaues und grünes Phthalocyanin sowie ein roter Azofarbstoff.
Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und ihren Labormessungen brachten die Wissenschaftler dann dem Handspektrometer bei, die Pigmente richtig zuzuordnen und die Mengenverhältnisse zu bestimmen, sodass es nun auch andere Streetart-Werke und solche Gemälde analysieren kann, die nicht einfach in ein Labor gebracht werden können.