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Weitere Lunte am Pulverfass Nahost? Donald Trump will ganzen Gazastreifen, König Abdullah hilft nur mit Fingerspitze | ABC-Z


Weitere Lunte am Pulverfass?

Trump will ganz Gaza, König Abdullah hilft nur mit Fingerspitze

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Mit seiner Idee, aus Gaza ein riesiges Immobilienprojekt zu machen, scheucht US-Präsident Trump den ganzen Nahen Osten auf. Nun empfängt er Jordaniens König Abdullah II. im Weißen Haus. Der schmeichelt viel. Und macht eine kleine Zusage.

Anscheinend unvereinbar. Das ist auf der einen Seite die Idee von Donald Trump, aus dem Gazastreifen ein riesiges Immobilienentwicklungsprojekt ohne die dort lebenden Palästinenser zu machen. Auf der anderen Seite die Position von Jordaniens König Abdullah II., der erklärte, eine Umsiedlung der rund 2 Millionen Menschen in sein Land würde er als kriegerischen Akt und Bruch des Friedensvertrages mit Israels betrachten. Nun hat der US-Präsident das jordanische Staatsoberhaupt im Weißen Haus empfangen – und der König blieb seinem Gastgeber gegenüber äußerst höflich, umschmeichelte ihn regelrecht.

Im Kaminzimmer stellten sich die beiden vor ihrem Treffen hinter verschlossenen Türen den Fragen von Journalisten. Außenminister Marco Rubio saß daneben und sah so aus, als wäre er gerne ganz woanders. Abdullah hatte zugleich seinen Thronfolger mitgebracht. Trump machte klar, wie ernst er es mit seiner Vorstellung eines Mar-a-Gaza meint. „Wir brauchen es nicht zu kaufen“, antwortete der Präsident auf eine entsprechende Frage. Die USA würden das vom Krieg zerstörte Gebiet einfach Kraft ihrer eigenen Autorität „einnehmen“ und in einen „Diamanten“ verwandeln: „Niemand würde das infrage stellen“. Er verwies darauf, wie viel er von Immobilien verstehe. Selbst wolle er aber nichts daran verdienen.

„Es ist eine Identitätsfrage“

In Jordanien machen Palästinenser bereits jetzt etwa die Hälfte der Bevölkerung aus. Es gibt immer wieder Spannungen zwischen Bürgern palästinensischer und nichtpalästinensischer Herkunft. Der ehemalige jordanische Außenminister Marwan Muasher, der 1994 an den Verhandlungen über Jordaniens Friedensvertrag mit Israel beteiligt war, hält die Aufnahme dieser Anzahl Palästinenser für eine „existenzielle“ Bedrohung seines Landes. „Dies ist für Jordanien keine wirtschaftliche oder sicherheitspolitische Frage, es ist eine Identitätsfrage“, sagte Muasher vergangene Woche.

Experten zufolge würde eine Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen gegen das Völkerrecht verstoßen. Die Vereinten Nationen warnen vor einer ethnischen Säuberung. Trump würde mit einer forcierten Umsiedlung eine weitere Lunte an das Pulverfass Nahost legen. Nun behauptete er im Beisein Abdullahs, die Palästinenser wollten doch gar nicht in ihrer Heimat bleiben. Sie sollten nach dem beabsichtigten Wiederaufbau auch nicht zurückkehren. Mindestens 53 Milliarden US-Dollar sind dafür nötig, schätzen die Vereinten Nationen.

Abdullah gab Trump faktisch nur eine Fingerspitze statt der ganzen Hand. Der König erklärte sich zur Aufnahme von 2000 Kindern aus dem Gazastreifen bereit, nicht mehr. Es gehe um Kinder, die an Krankheiten litten, sagte er – und verwies auf einen weiteren Nachbarn Israels: Ägypten. Er werde einen Plan für die Zusammenarbeit mit den USA vorstellen, so Abdullah. „Lasst uns abwarten, was wir von Ägypten bekommen“, sagte auch Trump. Das nordafrikanische Land entwirft derzeit eine regionale Strategie, um Trumps Vorschlag wieder einzufangen. Abdullah antwortete ausweichend auf die Frage, ob er die Übernahme des Gazastreifens durch die USA unterstütze.

Der dortige Präsident Abdel el-Sisi hatte bereits gesagt, er unterstützte Gazas Wiederaufbau – aber ohne Umsiedlungen der Palästinenser. US-Außenminister Rubio hatte sich am Montag zusammen mit dem Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff mit seinem ägyptischen Amtskollegen getroffen. Auch der blieb diplomatisch, wolle „integralen Frieden und Stabilität“ in der Region. Aber die Palästinenser umsiedeln? Nicht mit Ägypten.

Der US-Präsident hat Druckmittel. Beide Länder erhalten finanzielle Unterstützung von den USA. Insbesondere Jordanien zählt auf die Hilfen, im vergangenen Jahr flossen 1,3 Milliarden Dollar an Israels Nachbarn; er ist der drittgrößte Empfänger von US-Hilfen. Der Staatshaushalt des Landes belief sich auf etwas mehr als 10 Milliarden Dollar. Trump äußerte sich offen gegenüber möglichen weiteren Ländern, die Palästinenser aufnehmen wollen.

„An schönem Ort wohnen“

Den Hinweis auf potenziellen Widerstand wischte der Staatschef beiseite und behauptete, die palästinensische Bevölkerung wolle nichts mehr, als die „Todesfalle“ Gaza zu verlassen. Die mögliche Vertreibung der Menschen tat er als Petitesse ab: Es sei eine „sehr kleine Zahl von Menschen im Vergleich zu anderen Dingen, die im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte stattgefunden haben“. Im konservativen Fernsehsender Fox News wurde Trump als Friedensbringer dargestellt.

Seit Jahrzehnten strebt die palästinensische Führung einen unabhängigen eigenen Staat an. Gaza wäre ein elementarer Teil davon. Das gilt auch für das Westjordanland östlich von Israel. Auf eine Annektierung des Gebiets durch Israel angesprochen, sagte Trump nebulös: „Das wird sich automatisch lösen.“ Die Palästinenser würden alle „schön an einem anderen Ort wohnen“.

Zum Fortbestand der Waffenruhe zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen sagte Trump, er rechne nicht damit, dass die Hamas weitere israelische Geiseln freilassen werde. Würden die Gefangenen nicht bis Samstag freigelassen, werde die „Hölle losbrechen“, hatte Trump bereits zuvor gedroht. Damit unterstützte er indirekt neue Kampfhandlungen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzte am Dienstag ein Ultimatum bis Samstagmittag; ab dann nähmen Israels Truppen wieder „intensive Kämpfe“ auf. Der Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas wäre Geschichte – und Gaza erneut ein aktives Schlachtfeld.

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