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Wege aus der Wirtschaftskrise: Stephan Weil bei Lanz: “Das ist ein Riesendickicht” | ABC-Z


Wege aus der Wirtschaftskrise

Stephan Weil bei Lanz: “Das ist ein Riesendickicht”

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Die SPD hat einen Plan, wie Deutschland erfolgreich aus der Wirtschaftskrise herauskommen kann: mehr Investitionen. Doch das allein wird nicht reichen. Das weiß auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.

Noch vor wenigen Wochen hatte Bundeskanzler Scholz eine Aufholjagd im Wahlkampf versprochen. Danach sieht es für die SPD im Moment jedoch nicht aus. Letzte Umfragen sehen die Kanzlerpartei bei 17 Prozent. Besser liegt dagegen die AfD im Rennen, die mittlerweile laut Umfragen bis zu 21 Prozent der Wählerstimmen bekommen könnte. Wie will die SPD in den nächsten sechs Wochen die Lücke zwischen ihr und den in Umfragen führenden Unionsparteien zumindest verkleinern? Das will Markus Lanz am Donnerstagabend unter anderem von Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil wissen.

Der wirkt nicht wirklich frustriert – dazu brauchte es mehr als eine Lücke von gut 15 Prozentpunkten zwischen der SPD und den Unionsparteien. “Für mich ist das Rennen offen, und zwar vor dem Hintergrund einer ganz eigenen Erfahrung: 2017 hatte ich etwa 50 Tage vor den Wahlen in Niedersachsen einen Abstand zur CDU, der war mindestens genauso groß. Ich lag hinten. Und daraus ist ein ganz überzeugendes Wahlergebnis geworden, obwohl dazwischen eine historische Wahlschlappe der SPD bei den Bundestagswahlen gelegen hat. Also das ist keine Gewissheit, aber, ehrlich gesagt: In der Politik ist alles möglich, und in diesen Zeiten ganz besonders.”

Man könne bei den vielen unentschlossenen Wählern noch punkten. “Ob es uns gelingt, werden wir am 23. Februar sehen.” Die Wahlen im Februar seien eine Chance für die Demokraten, jetzt eine Mehrheitsregierung zu bilden und danach vier Jahre eine überzeugende Politik hinzulegen, damit am Ende der Beweis angetreten werden könne, dass es sich lohne, den Demokraten zu vertrauen.

Deutschland steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, darüber sind sich Stephan Weil und die ebenfalls bei Lanz eingeladene Sonja Álvarez von der “Wirtschaftswoche” klar. Álvarez schildert die Lage: Viele mittelständische Unternehmen wandern aus Deutschland ab. Der Waschmaschinenhersteller Miele verlegt seine Produktion nach Polen, BASF lässt in China und den USA produzieren. Die Energiepreise werden laut Álvarez überbordend reguliert, gleichzeitig herrscht in Deutschland ein Fachkräftemangel. “Olaf Scholz setzt darauf, dass sich jetzt sein Sommermärchen von 2021 wiederholt. Damals hat Armin Laschet im Wahlkampf gelacht, Annalena Baerbock hat sich erhebliche Patzer geleistet. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich jetzt, in diesem Winter, ein solches Märchen wieder so darstellen wird”, sagt sie.

Die Krise in der Autoindustrie

Besonders schlecht sieht es aktuell in der Autoindustrie aus. 800.000 Jobs hängen daran, 400 Milliarden Euro Umsatz macht die Autoindustrie jedes Jahr. Deutschland war lange Zeit führend bei Kraftwagen mit Verbrennermotoren. Doch die Branche hat die Transformation offenbar völlig verschlafen. 2019, als Tesla bereits eine Million E-Autos verkauft hatte, stellte VW sein erstes E-Fahrzeug vor. Sonja Álvarez kritisiert: “Wir sind viel zu spät dran mit dieser Entwicklung, und es ist fraglich, ob wir da überhaupt noch aufholen können mit Blick auf die Chinesen, die sehr großvolumig da hineingehen.”

Stephan Weil ist niedersächsischer Ministerpräsident, und sein Bundesland regelt die Geschicke des Wolfsburger Konzerns mit. Er muss den Konzern verteidigen. VW sei der Marktführer bei den Verkäufen von Elektroautos in Deutschland, sagt Weil. “Wir waren nicht zu spät. Wir haben es mit einer gleichzeitigen Transformation zu tun bei den Antrieben, bei der Digitalisierung – Stichwort: Smartphone auf vier Rädern -, wir haben es mit neuen Wettbewerbern und mit einem veränderten Markt zu tun. Denn wir verkaufen heute in Europa als Automobilindustrie insgesamt zwei Millionen Fahrzeuge weniger, und zwar seit der Corona-Pandemie. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen.” Nun gehe es darum, trotzdem erfolgreich zu sein.

“Die Welt hat sich geändert”, erkennt Weil an. So hat China den E-Auto-Markt erobert. Denn China hat einen Plan, sagt Sonja Álvarez: China möchte Weltmarktführer werden, nicht nur in der Automobilindustrie, sondern bei den Schlüsseltechnologien insgesamt. China habe nicht nur bei der Entwicklung neuer Autos, sondern auch bei Innovationen insgesamt ein enormes Tempo vorgelegt. Auch im Bereich der Digitalisierung sei China deutlich schneller und deutlich besser als die deutschen Konkurrenten. Deutschland habe darauf nicht die richtigen Antworten. So sei zum Beispiel die Einführung des Kurzarbeitergeldes während der Corona-Krise richtig gewesen, dessen Verlängerung jedoch nicht.

“Kurzarbeitergeld ist eine soziale Abfederung einer Zwischenzeit”, sagt auch Weil. Doch wichtiger seien andere unterstützende Faktoren gewesen. Die Kaufprämien für E-Autos zum Beispiel hätten zu einem Anstieg der Verkaufszahlen geführt. “Und wir haben gesehen: Zu der Zeit, wo sie gestoppt wurden, ist gleichzeitig der Absatz zurückgegangen und hat sich seitdem nicht mehr erholt.” Daraus müsse die Politik lernen und mögliche Förderungen in Zukunft durchhalten.

Doch das reiche nicht, sagt Álvarez. “Wir brauchen eine echte Strukturreform”, ist ihre Lösung. Nur so könne Deutschland aus der Wirtschaftskrise wieder herauskommen. Deutschland brauche eine Reform wie die Agenda 2010 des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder. “Die Themen sind die Energiepreise, der Fach- und Arbeitskräftemangel, die Bürokratie.”

Weil stimmt ihr zu. “Und wir brauchen mehr Investitionen”, fügt er hinzu. “Viele Unternehmen haben gerade Investitionsbedarf, haben auch die Konzepte in den Schubladen, aber ihnen fehlt gerade das Vertrauen. Und wir müssen unbedingt klarmachen: Ab jetzt könnt ihr euch verlassen. Und es gibt auch Anreize, dass ihr jetzt einsteigt und nicht in fünf Jahren. Das ist ein wichtiger Punkt, damit wir vorwärtskommen.” Dazu müsse auch ein Ende der Überregulierung kommen, stimmt Weil der Journalistin zu. “Die Kunst besteht darin, sich immer wieder zu fragen, worin besteht der Mehrwert einer Regelung.”

“Die Wirtschaft sieht in diesem Punkt überhaupt keinen Mehrwert, sondern eine weitere Bürde, mit der sie sich beschäftigen muss in einer sehr großen Wirtschaftskrise”, fügt Álvarez hinzu. “Das ist ein Riesendickicht”, schildert Weil die Aufgaben, die gerade im Bereich der Entbürokratisierung vor einer neuen Bundesregierung liegen. “Sie wird ein Stück Staatsreform sein. Weniger kann man das gar nicht nennen.”

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