Einsatz von Xenon zum Bergsteigen am Everest sorgt für Kritik |ABC-Z

Der Beweis ist erbracht. Mit der richtigen Vorbereitung und Planung kann man es in viereinhalb Tagen von Europa auf den Gipfel des Mount Everest schaffen, des mit 8848 Metern höchsten Bergs der Welt. Garth Miller, der die Expedition leitete, Alistair Scott Carns, Staatsminister für Veteranen und Bevölkerung im britischen Verteidigungsministerium, Anthony James Stazicker und Kevin Francis Godlington stiegen am Samstagnachmittag in London-Heathrow in ein Flugzeug Richtung Kathmandu. Am Mittwochmorgen Ortszeit erreichten sie das Dach der Welt. Als die vier am Donnerstag gegen halb sieben Uhr, also keine 24 Stunden nach ihrem Gipfelerfolg, wieder im Basislager zurück waren, brachte sie zwei Stunden später ein Heli nach Kathmandu. An diesem Freitagmorgen werden sie in London zurückerwartet. Das „Sieben-Tage-Mission-Everest-Projekt“ ist damit abgeschlossen. Mission completed!
Die vier Bergsteiger sind Veteranen von Spezialeinheiten der britischen Armee. Mit ihrem Rekordprojekt wollen sie Aufmerksamkeit erzeugen für Armeeangehörige und Geld sammeln für Wohltätigkeitsorganisationen der Streitkräfte – „insbesondere für diejenigen, die die Familien und Kinder derjenigen unterstützen, die das ultimative Opfer erbracht haben, um unsere Freiheiten zu verteidigen“, wie sie schreiben.
„Alle wohlauf, bestens gelaunt“
Die vier bekamen zuvor Xenon appliziert. Das Edelgas kommt in der Anästhesie zum Einsatz, wird von Sportlern zum Doping eingesetzt und kann das Risiko für die Ausbildung einer Höhenkrankheit senken. Daher gab es vor der Expedition heftige Kritik. Die medizinische Kommission des Weltverbands der Bergsteigerverbände UIAA beispielsweise reagierte mit einer scharfen Stellungnahme: „Der Gebrauch sollte sich auf den Operationssaal beschränken.“ Bei unsachgemäßer Nutzung drohten Beeinträchtigungen der Gehirnfunktionen und der Atemwege oder sogar der Tod. Die Argumentation war trotz verlinkter Studien diffus. Aus dem Basislager hieß es jetzt zum Zustand der Bergsteiger: „Alle wohlauf, bestens gelaunt, als kämen sie von einer Wanderung. Nicht einmal Sonnenbrand.“
Kritik gibt es seit Jahren aber auch an der fortschreitenden Kommerzialisierung des Achttausender-Bergsteigens. Man befürchtet, dass derartige Rekordprojekte noch mehr Menschen an den Everest locken könnten. Dabei wird aber oft vergessen, dass der Mount Everest wie die übrigen hohen Berge eine wichtige Einnahmequelle für die Einheimischen ist. Ein Vergleich zeigt zudem, wie kolonialistisch diese Diskussion ist: 456 Everest-Permits wurden in diesem Jahr für Ausländer ausgegeben. Auf den Mont Blanc, den höchsten Berg der Alpen, steigen jedes Jahr rund 20.000 Bergsteiger.
„Sie soll zeigen, was möglich ist“
Stellungnahmen wie jene der UIAA, aber auch von Reinhold Messner, der seit Langem nicht mit Kritik an kommerziellen Expeditionen am Mount Everest spart, heizten die Stimmung so auf, dass Lukas Furtenbach, ein Expeditionsveranstalter mit Sitz in Innsbruck, der das „Sieben-Tage-Mission-Everest-Projekt“ organisierte, Todesdrohungen bekam. In einer Mail an ihn war zu lesen, einer wie er gehöre nach Auschwitz.
Furtenbach hat dem Höhenbergsteigen in den vergangenen Jahren wichtige Sicherheitsimpulse gegeben. Seit Anfang der Zweitausenderjahre baute er einen Datenpool auf, um die Hypoxie-Vorbereitung zu einem festen Bestandteil seiner Expeditionen zu machen. Mit einem Datenhandschuh lässt er permanent Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung im Blut seiner Expeditionsteilnehmer überwachen. Zudem spart er am Berg nicht am Flaschensauerstoff. Ein rigides Sauerstoffregime ist bei Billiganbietern regelmäßig der Grund für Todesfälle.
„Die Sieben-Tage-Expedition ist eine Provokation – sie soll aber auch zeigen, was möglich ist“, sagte Furtenbach in einem Gespräch im März. Das ist ihm meisterhaft gelungen. Zur Nachahmung ist so ein Vorhaben aber nicht empfohlen. In einem Post in den sozialen Medien schreibt Furtenbach: „Der Everest bestraft Hybris. Dieser Berg verlangt Respekt. Die Sieben-Tage-Mission war ein kontrollierter Test, keine Vorlage, der man blind folgen sollte.“ Er verbindet das mit einer eindringlichen Bitte an zukünftige Everest-Aspiranten, Guides, Sherpas und Retter: „Nicht nachmachen, was ihr nicht versteht. Geschwindigkeit bedeutet nichts, wenn Sicherheit geopfert wird. Lasst uns Grenzen verschieben – aber niemals auf Kosten von Leben.“