Stil

Wedeln gegen Hitze: Fächer sind das Mode-Accessoire der Saison | ABC-Z

Dicht an dicht drängen sich die Besucher der Frankfurter Kleinmarkthalle. Viele sind gekommen, um am Freitagnachmittag mit ei­nem Glas Wein das Wochenende einzuläuten. Neben Stimmengewirr hört man gelegentlich das charakteristische Klackern eines sich öffnenden Fächers. Die oft farbenfrohen Hitze-Helfer im Hand­taschenformat sind in diesem Sommer, der bisher nicht nur mit Regen, sondern durchaus auch mit heißen Tagen aufwarten konnte, ein häufig gesehenes Mode­accessoire.

Der Fächer hat das geschafft, was sich viele Produktdesigner erhoffen. Er gilt gleichzeitig als elegant und hip, wird von Alt und Jung mitgeführt, ist auf Technofestivals ebenso zu sehen wie im Fußballstadion. Er gehört wie selbstverständlich in die Handtasche vieler Museums­be­sucher und an das Hand­gelenk mo­de­bewusster Weltenbummler. Sobald die Tem­peraturen über die 30-Grad-Marke klettern, sind Fächer omnipräsent, verbinden sie doch Ästhetik und Funktion.

Drei Fächer-Museen gibt es auf der Welt: eines in Healdsburg, Kalifornien, eines in London, Großbritannien, und eines in Bielefeld. Sie alle widmen sich der Kulturgeschichte von Fächern und zeigen zahlreiche Modelle. Aber auch das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt hat zwei besonders kunstfer­tige Exem­plare in seiner Sammlung: einen Feder­fächer, der etwa 100 Jahre alt sein dürfte, sowie einen Briséfächer aus Schildpatt aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Es geht auch ohne Kunstdruck und Rüsche

Moderner geht es im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen zu: Charlotte Popp und Harald Brörken vom Frank­furter Start-up „Justfans“ haben den Fächer-Markt aufgemischt. Denn als Popp auf der Suche nach handlichen, schlichten und gleichzeitig robusten Fächern nicht fündig wurde, kam ihr die Idee, selbst einen zu entwickeln, wie sie berichtet. Die Werbetexterin hat sich dafür mit dem Produktdesigner Harald Brörken zusammengetan und angefangen, zu tüfteln. Herausgekommen ist ein abwaschbarer Faltfächer. Elf verschiedene Farben bietet das Start-up an.

Das Besondere: Statt auf opulente Blumenmotive zu setzen, sind die Fächer unifarben gehalten und komplett aus ei­nem Stück gefertigt. „Wir haben uns am Ende aufgrund der Materialeigenschaften für den Kunststoff Polypropylen entschieden, den wir aus Frankreich beziehen“, sagt Popp. Gestanzt und gefaltet werden die Fächer in Nordhessen, verkauft in ganz Deutschland.

Zu den Kunden zählen neben Einzelpersonen auch Geschäfte, Museumsshops, Unternehmen und neuerdings ein Thermalbad – denn die Fächer sind wasserabweisend. Die Idee scheint anzukommen. „Wir haben mehr als 15.000 Stück seit unserer Eröffnung im Frühsommer 2022 verkauft“, sagt Inhaberin Popp.

Wie entsteht das kühle Lüftchen?

Doch wie funktioniert eigentlich der kühlende Effekt des Fächers? Andreas Pysik, Physiker an der Universität Mainz, erklärt: „Mit einem Fächer können wir dafür sorgen, dass mehr Schweiß verdunstet und daher auch mehr Wärmeenergie den Körper verlassen kann.“ Der menschliche Körper produziere Schweiß, um die Körpertemperatur zu regulieren und eine Überhitzung zu vermeiden. Im Schweiß be­we­gen sich nach Angaben des Physikers Moleküle mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durcheinander: manche schneller, manche langsamer.

Schnelle Moleküle seien tendenziell wärmer, so Pysik. Sie stiegen, vereinfacht gesprochen, auf und flögen in der Nähe der Hautoberfläche herum. Der Luftzug des Fächers sorge dafür, diese zu verwehen. „Das hat zwei Vorteile: Die Moleküle können erstens nicht mehr zurück in den Schweiß, was sie ansonsten teilweise tun. Und zweitens ist es für andere schnelle Moleküle leichter, den Schweiß zu verlassen und auch aufzusteigen“, sagt Pysik.

Die ersten Fächer wurden gar nicht zur Abkühlung genutzt, wie ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt: „Der Ursprung des Fächers geht mehr oder weniger mit dem Ursprung der Menschheit einher. Um Feuer zu entfachen oder um Fliegen zu vertreiben, hat der Mensch schon immer Blätter und andere Gegenstände zum Wedeln verwendet“, erklärt der Kunsthistoriker David Ranftl. So zeigt eine auf 2200 bis 1800 vor Christus datierte ägyptische Holzstatue aus der Sammlung des British Museum in London einen männlichen Diener vor einer Schale knieend, der mit einem Hand­fächer wedelt.

Ranftl hat sich eingehend mit der Historie des Fächers befasst und hebt hervor, dass es schon in frühen Hochkulturen nicht mehr nur um den praktischen Nutzen von Fächern ging. „Der Fächer hat sich schon im alten Ägypten als Hoheitssymbol etabliert. Bei Ausgrabungen hat man aus Gold gefertigte Exem­plare gefunden, an denen wohl Straußenfedern montiert waren.“

Faltfächer, wie sie heute üblich sind, sind seit dem 16. Jahrhundert in Europa präsent. Mit der Hochzeit von Maria de’ Medici 1600 am französischen Königshof hätte sich die Fächermode in Frankreich etabliert. Fächer wurden zu einem „unabdingbaren Accessoire“, sagt Kunst­historiker Ranftl. Doch nicht nur aus ästhetischen Gründen erfreuten sie sich großer Beliebtheit: Sie dienten auch als Kommunikationsmittel und Konversationsgegenstand. „Neben Darstellungen aus der Bibel und der Mythologie wurden Gedichte, aber auch historische Ereignisse abgebildet“, sagt Ranftl.

Vier Frauen und ihre Fächer

„Das ging so weit, dass zur Zeit der Französischen Revolution der Fächer eigentlich so den Übermittler der aktuellen Tagesgeschehnisse übernommen hat.“ Statt kostspieliger Fächer für den Adel und den französischen Hof wurden kostengünstige Stücke aus Holzgestellen mit bedrucktem Papierblatt angefertigt. Im frühen 20. Jahrhundert wurden Fächer zunehmend in Massen produziert und von Hotels, Reiseveranstaltern und Unternehmen als Werbeträger verteilt. Heute reicht die Bandbreite von handgefertigten Haute-Couture-Modellen bis zu Produkten aus Asien für wenige Euro.

Fakt ist: Fächer sind Kult. Wer nicht genug von ihnen bekommt und das notwendige Kleingeld hat, kann sich die Luxusvariante von Prada kaufen: Stolze 690 Euro kostet das Kunstwerk mitsamt Logoanhänger und Lederriemchen. Für Normalverdiener erschwinglich und dennoch ikonisch ist der Wimbledon-Fächer, natürlich in Weiß, mit klassischem Logo – im Onlineshop für 25 Euro zu haben.

Natürlich kann auch mit einer orden­tlichen Portion Lokalkolorit gewedelt werden. Mehrfach gesichtet wurden schon Fächer in der typischen Bembel-Optik.

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